Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Gorden Isler (KV Hamburg Eimsbüttel) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.09.2016, 15:55 |
V-22: Antrag auf mehr Transparenz im Kapitalanlagenbestand der deutschen Versicherer.
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen setzen sich in Zukunft auf allen Ebenen für mehr Transparenz im
Kapitalanlagebestand der deutschen Versicherer ein. So sollen die Versicherer mindestens
zweimal im Jahr über das BMJV veröffentlichen müssen, in welchen Branchen sie
stichtagsbezogen investiert sind. Die Branchen sind dabei unmissverständlich zu bezeichnen.
Die Verbraucher*innen sollen dadurch genau darüber informiert und dafür sensibilisiert
werden, an welchen Branchenentwicklungen sie unmittelbar partizipieren, wie ihr Geld
aufbewahrt, angelegt und vermehrt wird. Dazu sind den Kund*innen eindeutige
Produktinformationen zu den Kapitalanlagen ihrer Versicherungsgesellschaft auszuhändigen.
Begründung
Begründung: Die deutsche Versicherungsindustrie verfügte zum 31.12.2015 laut GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) über einen Kapitalanlagebestand von ca. 1509,2 Mrd. €. Davon entfielen 851,5 Mrd. € (56,4%) auf die deutschen Lebensversicherer, 246,9 Mrd. € (16,4%) auf die privaten Krankenversicherungen und 160,6 Mrd. € (10,6%) auf die Schaden- und Unfallversicherer. Die übrigen 250,2 Mrd. € (16,6%) entfielen auf die Rückversicherer. Die Versicherer tragen gegenüber ihren Kund*innen eine besondere Verantwortung. So tragen die deutschen Lebensversicherer mit zahlreichen staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten zur kapitalgedeckten Altersvorsorge der Menschen in Deutschland bei. Innerhalb der privaten Krankenversicherung legen die Unternehmen insbesondere die sogenannten Alterungsrückstellungen für ihre Versicherten an, um das Risiko der Beitragssteigerung im Alter zu minimieren. Auf diese beiden Versicherungsformen entfielen zum 31.12 2015 ca. 1098,4 Mrd. € im Kapitalanlagebestand. Dieses Geld wird von den Versicherern nicht einfach nur aufbewahrt, sondern an den Kapitalanlagemärkten investiert. Auf welche Art und Weise dieses Kapital genau vermehrt wird, war in der Vergangenheit kaum Thema zwischen Versicherern und Versicherungsnehmer*innen. Durch diese Intransparenz ist es den Versicherten bisher unmöglich, Verantwortung für den Teil ihres Vermögens zu tragen, den sie treuhänderisch von Versicherern verwalten lassen.
So müssen wir davon ausgehen, dass ein Teil der Kund*innengelder auch in Branchen investiert worden ist, die mit unserem Verständnis einer nachhaltigen Kapitalanlage unvereinbar sind. Dabei geht es insbesondere um Investitionen in die Branchen Kohle, Gas und Atomenergie, aber auch um Rüstung, Massentierhaltung, Alkohol, Tabak und Glücksspiel.
Auf eine konkrete Anfrage zu den Inhalten des Kapitalanlagebestandes, insbesondere zu Investitionen in Rüstungskonzerne im April 2016, antworte ein mittelständischer deutscher Lebensversicherer so: „(...) der Konzern fühlt sich in seinem Handeln ethischen, sozialen und ökologischen Belangen verpflichtet. Im Rahmen unserer Kapitalanlagepolitik investieren wir im Interesse einer wirtschaftlichen und breit diversifizierten Kapitalanlage in Aktien der liquiden Indizes DAX, EUROSTOXX und MSCI World. Sofern die von Ihnen angesprochenen Unternehmen in den Indizes vertreten sind, erfolgt in unserem passiv gemanagten Aktienbestand automatisch eine entsprechend gewichtete Berücksichtigung. (...)“ Wenn sich also ein Konzern ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlt, führt das zu breit diversifizierten Kapitalanlagen und passiv gemanagten Aktienbeständen. Mit folgender Aussage des Pressesprechers wird das Problem aber noch klarer: „(...) Unsere Tochtergesellschaft hat darüber hinaus auch aktiv gemanagte Publikumsfonds im Angebot, beispielsweise den von Ihnen angesprochenen Fonds. Hier entscheidet der Fondsmanager ausschließlich nach wirtschaftlichen Kennzahlen, welche Aktien er kauft oder verkauft (...).“ Es gab nur zwei Versicherungsgesellschaften, die sich nicht nur abstrakt verantwortlich fühlen, sondern konkrete Grundsätze in der Kapitalanlagepolitik definieren.
Der Kapitalanlagebestand der deutschen Versicherungswirtschaft stellt eine immense Finanzierungsquelle für verschiedenste Branchen dar. Bietet ein Rüstungskonzern mit einer Anleihe eine vielversprechende Rendite oder die Aktie eines Tabakkonzerns einen potentiellen Kursgewinn, wird aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten in derlei Unternehmensstrukturen investiert oder es werden eben Gelder der Versicherungsnehmer*innen verloren.
Bündnis 90/Die Grünen müssen sich für mehr Transparenz im Kapitalanlagebestand der Versicherungswirtschaft stark machen. Es darf nicht sein, dass Versicherer oder deren Fondsmanager ihren Kund*innen suggerieren, dass sie in die Maschinenbaubranche investieren, ohne es als das zu bezeichnen, was es wirklich ist: ein Rüstungsinvestment. Die Kund*innen sollten darüber informiert sein, dass die eigene Ruhestandsplanung mit Tabak-, Alkohol- oder Tierhaltungsinvestments unterlegt wird. Außerdem sollten sie in die Lage versetzt werden, selbst erkennen können, ob sich Unternehmen in ihrem Kapitalanlagebestand befinden, die z.B. mit Kinderarbeit in anderen Ländern viel Geld verdienen. Es darf nicht sein, dass Versicherer die Waffen- und Kriegsmaschinen der Zukunft finanzieren und unseren Wohlstand im Alter dadurch auf der Not und dem Leid in anderen Teilen der Welt aufbauen.
Unsere Wirtschafts- und Handelspolitik verursacht Armut, Kriege und Ungerechtigkeit. Sie selbst führt damit zu Fluchtursachen und wir können derzeit nicht ausschließen, dass unsere Versicherer diese Art der Wirtschaft und des Handels finanzieren.
Weitere Antragsteller*innen
- Michael Gwosdz (KV Hamburg Altona)
- Dominik Lorenzen (KV Hamburg Eimsbüttel)
- René Gögge (KV Hamburg Nord)
- Dieter Flohr (KV Fürth Land)
- Ulrike Tadema (KV Duisburg)
- Annette Muggenthaler (KV Karlsruhe-Stadt)
- Mathias Raudies (KV Berlin-Marzahn/Hellersdorf)
- Stephan Wiese (KV Stormarn)
- Ercan Kilic (KV Salzgitter)
- Marcel Duda (KV Hildesheim)
- Aramak Erk (KV Hamburg Eimsbüttel)
- Karl-Heinz Karch (KV Hamburg Mitte)
- Christoph Krieger (KV Kiel)
- Benjamin Holm (KV Hamburg Nord)
- Dr. Stefanie von Berg (KV Hamburg Eimsbüttel)
- Anita Parker (KV Mönchengladbach)
- Linda Heitmann (KV Hamburg Altona)
- Anna Gallina (KV Hamburg Eimsbüttel)
- Patrick Hennings (KV Bremen Nord-Ost)
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