Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | SO Sozialer Zusammenhalt |
Antragsteller*in: | Gorden Isler (KV HH EImsbüttel, Sprecher LAG WiFi) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.09.2016, 15:38 |
SO-04 (vormals V-19): Antrag für die Helfer*innenrente, die Retter*innenrente oder auch „die Ehrenamtsrente“
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen setzen sich in Zukunft weiter auf allen Ebenen für die Anerkennung und
Wertschätzung zivilgesellschaftlichen und insbesondere ehrenamtlichen Engagements ein. Dazu
wird die Partei prüfen, ob dauerhaftes und regelmäßiges ehrenamtliches Engagement durch
Rentenzuschläge zur Altersrente gewürdigt werden kann. Dazu erörtern B90/Grüne mit
Wohlfahrts-, Umwelt- und Sportverbänden, Migrantenselbstorganisationen sowie anderen NGOs,
wie verschiedene Formen des ehrenamtlichen Engagements erfasst und für die Rente verwertbar
angerechnet werden können.
Begründung
Begründung: In Deutschland engagieren sich ca. 12. Mio. Menschen ehrenamtlich. Sie engagieren sich in Sportvereinen und bringen unseren Kindern verschiedene Sportarten bei. Sie geben Geflüchteten Orientierung, Sprachunterricht und fördern die Integration. Sie kümmern sich um Senior*innen in Altenheimen und engagieren sich für den Umweltschutz oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Sie bauen Schulen und Krankenhäuser in sogenannten Entwicklungsländern, sie beschaffen Schiffe und retten in Seenot geratene Geflüchtete aus allen Meeren der Welt. Sie nehmen sich für all die Dinge Zeit, für die 68 Mio. Mitbürger*innen keine Zeit mehr haben. Sie leisten Unglaubliches und doch wird ihr Engagement von Teilen der Gesellschaft als selbstverständlich hingenommen. Dass sich Menschen über viele Jahre in Vereinen, Gemeinden oder Initiativen engagieren, ist aber nicht selbstverständlich.
Weil Menschen, die sich dauerhaft ehrenamtlich engagieren, ganz offensichtlich eine andere intrinsische Motivation immanent ist als Menschen, die sich vor allem auf ihre Karriere und die Mehrung ihres Vermögens konzentrieren, könnten die Helfer*innen, Retter*innen und Ehrenamtlichen stärker von Altersarmut bedroht sein. Eine Kommission sollte dazu Fakten sammeln und eine Untersuchung durchführen.
Schließlich profitiert unsere gesamte Zivil- und Volkswirtschaft vom Einsatz von Lebenszeit unserer Ehrenamtlichen. Geld ist inzwischen zu einer unbegrenzt vermehrbaren Größe geworden. Ein kurzer Blick auf die Politik der internationalen Notenbanken sollte genügen, um anzudeuten, was damit gemeint ist. Zeit ist für jeden von uns nur sehr begrenzt vorhanden. Sie kann nicht beliebig vermehrt werden. Dem ehrenamtlichen Einsatz von Lebenszeit sollte unsere Gesellschaft deshalb einen noch höheren Stellenwert zuordnen. Jenen Menschen, denen Geld sehr wichtig ist, sollte immer gewahr sein, dass auch sie davon profitieren, dass anderen Menschen Geld nicht so wichtig ist. Um den sozialen Frieden zu wahren, könnte der Ehrenamtsrentenzuschlag eine Lösung sein. Der Ehrenamtsrentenzuschlag (EhrAZ) könnte als Multiplikator Teil der Rentenformel werden und diese ergänzen. Bei dieser Lösung könnten sogar Menschen in den Genuss eines Rentenzuschlags kommen, die sich bereits in der Altersrente befinden. Gerade heute sind viele Rentner*innen beispielsweise in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe sehr aktiv. So könnte die Rente mit einem Faktor von z.B. 1,01 multipliziert werden, wenn sich das Engagement über eine festzulegende Anzahl von Tagen für ein Jahr nachweisen ließe. Für zwei Jahre gälte der Faktor von 1,02, für drei Jahre der Faktor von 1,03 bis hin zu einem Faktor von 1,3 für 30 Jahre des ehrenamtlichen Engagement. Der Nachteil an diesem Faktor wäre, dass Ehrenamtliche ohne Entgeltpunkte, z.B. Selbstständige oder Freiberufler, an einem Multiplikator nicht partizipieren könnten.
Es könnten aber auch direkt Entgeltpunkte für nachweisliches, ehrenamtliches Engagement vergeben werden, um auch Selbstständigen und Freiberuflern Ehrenamtsrentenzuschläge zu ermöglichen. Ggf. wäre zu prüfen, inwieweit Rentnern*innen im Rentenbezug weitere Entgeltpunkte gutgeschriebenen werden können.
Ein dritter Lösungsansatz könnte das Versorgungswerk der Zivilgesellschaft sein, das sich an andere Versorgungswerke wie z.B. das VBL (Versorgungswerk des Bundes und der Länder) anlehnt. Hier könnte der Staat selbst im Umlageverfahren oder alternativ in einem kapitalgedeckten Verfahren Einzahlungen für ehrenamtlich Engagierte vornehmen.
Der Weg der Ehrenamtsrente wäre politisch höchst interessant. Er dürfte in der Bevölkerung auf große Zustimmung stoßen. Eine Kommission zu gründen, um diesen Weg zu erforschen, wäre ein Signal der Wertschätzung und der Anerkennung für das Ehrenamt in Deutschland. Die Ehrenamtsrente zeigt einen Lösungsweg auf, der von vielen Menschen gegangen werden könnte, die es sich nicht leisten können, zusätzlich privat vorzusorgen. Sie könnte den sozialen Frieden fördern und die staatliche Würdigung des Engagements unmissverständlich unterstreichen.
Für uns Grüne ist es eine Chance, denjenigen Menschen in Deutschland ein Signal zu senden, die auf ein echtes Signal der Anerkennung warten. Schließlich sind wir heute mehr denn je auf soziales, ehrenamtliches Engagement angewiesen. Gerade in der Jugendhilfe, in der Seniorenpflege und in der Integrationsarbeit brauchen wir Menschen, auf die wir uns verlassen können. Diese Menschen dürfen von uns erwarten, dass sie sich dafür auf uns verlassen können.
Weitere Antragsteller*innen
- Benjamin Holm (KV Hamburg Mitte)
- Anita Parker (KV Mönchengladbach)
- Annette Muggenthaler (KV Karlsruhe-Stadt)
- Ercan Kilic (KV Salzgitter)
- Krystyna Grendus (KV Odenwald-Kraichgau)
- Marko Knudsen (KV Hamburg Nord)
- Hans-Joachim Heeg (KV Hamburg Nord)
- Michael Gwosdz (KV Hamburg Altona)
- René Gögge (KV Hamburg Nord)
- Prof. Dr. Jörg Rossbach (KV Hamburg Altona)
- Astrid Rothe-Beinlich (KV Weimar)
- Christa Möller (KV Hamburg Wandsbek)
- Patrick Hennings (KV Bremen Nord-Ost)
- Tobias Schröer (KV Hamburg Nord)
- Mathias Raudies (KV Berlin-Marzahn/Hellersdorf)
- Bernd Gosau (KV Bremen Mitte/Östliche Vorstadt)
- Uschi Bussmann (KV Wettringen)
- Klaus Hofmann (KV Hamburg Eimsbüttel)
- Falk Schmidt-Tobler (KV Hamburg Eimsbüttel)
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