Antrag: | Bürger*innenversicherung in der Rente nicht auf die lange Bank schieben |
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Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 20.10.2016) |
Status: | Von der Antragskommission geprüft |
Eingereicht: | 21.10.2016, 14:06 |
SO-07-067-2 zu SO-07 (vormals V-42): Bürger*innenversicherung in der Rente nicht auf die lange Bank schieben
Antragstext
Von Zeile 66 bis 70:
Niedrigzinsniveau, aber auch die schwierige Situation einiger Versorgungswerke sprechen dafür, den Transformationsprozess unmittelbar zu beginnen. Der Bundesvorstand wird daher gebeten, die konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente unmittelbar zu bearbeiten und rechtzeitig vor dem Programmparteitag im Frühjahr 2017 ein Konzept vorzulegen.Eine konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente begrüßen wir. Wir bitten die zuständigen Fachleute aus Partei und Fraktion diese zeitnah vorzunehmen, so dass es in den Programmprozess einfließen kann.
Der Bericht der grünen Rentenkommission macht deutlich, dass wir in der Rentenpolitik vor
großen Herausforderungen stehen: zunehmende Altersarmut, die im internationalen Vergleich
extrem hohe Rentenlücke für Frauen, die Probleme der kapitalgedeckten Zusatzversorgung, die
zu erwartende sinkende Rentenniveau, zu starre Altersgrenzen.
Viele Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch für
mittlere Einkommen angesichts der bereits erfolgten und der bereits beschlossenen
Niveauabsenkung absehbar den Lebensstandard im Alter nicht mehr sichern kann. Auch eine
Durchschnittsrente kann bei einer weiteren Niveauabsenkung auf die geplanten 43 Prozent kaum
noch ein Auskommen sichern – trotz jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit und Beitragszahlung.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und für eine armutsfeste, nachhaltige und gerechte
Rente zu sorgen, ist noch viel zu tun. Die grüne Rentenkommission hat dazu sinnvolle
Vorschläge vorgelegt und das bisherige grüne Rentenkonzept weiterentwickelt. In dem Bericht
wird deshalb zurecht betont, dass die gesetzliche Rentenversicherung aus unserer Sicht die
zentrale und wieder zu stärkende Säule der Alterssicherung ist. Die Legitimation der
gesetzlichen Rentenversicherung ist gefährdet, wenn die gesetzliche Rente nicht vor Armut
schützt, wenn die Lebensstandardsicherung durch ein absinkendes Rentenniveau in Frage
gestellt ist, wenn immer mehr Sicherungslücken entstehen und solange unterschiedliche
Bevölkerungsgruppen bei der Alterssicherung ungleich behandelt werden.
Zusammen mit der grünen Garantierente bleibt der Dreh- und Angelpunkt einer zukunftssicheren
Rente deshalb die Einführung der Bürger*innenversicherung, einer Rente für alle.
Für eine grüne Bürger*innenversicherung in der Rente:
Die Ausweitung der Versicherungspflicht wird von verschiedenen Akteur*innen schon lange
gefordert. Schon 2007 haben wir auf einer BDK beschlossen, dass unsere Antwort auf die
zunehmende Altersarmut die Bürger*innenversicherung ist. Im Programm zur Bundestagswahl 2013
und ähnlich im BDK-Beschluss von 2012 steht, dass wir die Rentenversicherung mittelfristig
zu einer Bürger*innenversicherung weiterentwickeln, in die alle Bürgerinnen und Bürger, das
heißt auch Beamt*innen, Selbständige und Abgeordnete, auf alle Einkommensarten unabhängig
vom Erwerbsstatus einzahlen. Eine solidarische Rentenversicherung kann es nur geben, wenn
sich tatsächlich alle beteiligen.
Derzeit leisten die sozialen Sicherungssysteme nicht den Beitrag zum gesellschaftlichen
Zusammenhalt, den sie leisten könnten. Stattdessen lassen sie zu, dass einerseits Menschen,
die nicht über ein stabiles Einkommen aus abhängiger Beschäftigung verfügen, keinen
vollständigen Sozialschutz erhalten. Andererseits können sich die leistungsfähigsten
Mitglieder der Gesellschaft eigenständig außerhalb des Solidarsystems fürs Alter absichern.
Gerade um angesichts der Herausforderung, in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung
dafür zu sorgen, dass niemand abgehängt wird oder davor Angst haben muss, müssen deshalb die
sozialen Sicherungssysteme neu ausgerichtet werden und wirklich alle Bürgerinnen und Bürger
umfassen.
Sehr wichtig ist, dass niemand Angst vor Armut im Alter haben muss. Das ist bis heute auch
ein Zweck der gesetzlichen Rentenversicherung als Einkommenssicherung. Als die Hauptgefahr
der Altersarmut bei Arbeiter*innen lag, gab die Begrenzung der gesetzlichen Rente auf die
Arbeiter vielleicht noch Sinn. Doch sie wird die Vermeidung von Altersarmut in Zukunft nur
dann leisten können, wenn sie wirklich alle Menschen umfasst und durch eine Garantierente
ergänzt wird. Ohne Ausweitung auf alle Bevölkerungsgruppen, kann die Garantierente nicht für
alle Menschen einen Schutz gegen Altersarmut bieten.
Erste, schnell umzusetzende Maßnahmen sind, die nicht anderweitig abgesicherten
Selbstständigen einzubeziehen, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits erfolgt ist
bzw. geschieht, Minijobs voll rentenversicherungspflichtig zu machen, wieder
Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld II-Beziehende zu zahlen und zu beschließen,
dass Bundestagsabgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Aber um ein attraktives Angebot zu machen, um alle endlich gleich zu behandeln und um die
gesetzliche Rentenversicherung auf eine langfristig solide finanzielle Grundlage zu stellen,
müssen wir darüber hinausgehen: Wie die Selbstständigen sollen Beamte, Freiberufler*innen
und Abgeordnete ebenfalls in die gesetzliche Rente einzahlen. Versicherunglücken müssen
geschlossen werden. Sonderregelungen müssen weg, denn dass mit den verschiedenen
Absicherungssystemen auch unterschiedliche Leitungen verbunden sind, lässt sich auf Dauer
nicht rechtfertigen. In einer Gesellschaft, in der Menschen häufiger den Arbeitsplatz und
auch den Status – Angestellte*r, Beamt*in, Selbständige*r – wechseln, ist die
berufsständische Organisation der Altersvorsorge überholt. Sie verursacht Sicherungslücken
und ist auch ungerecht. Besonders deutlich wird das bspw. am Vergleich der Altersabsicherung
angestellter und verbeamteter Lehrkräfte. Auch die Rentenkommission hat sich dafür
ausgesprochen, dass das Rentensystem „mittelfristig“ vollständig zu einer
Bürger*innenversicherung umgebaut werden soll. Die Umsetzung der Bürger*innenversicherung in
der Rente sollte aber schnell angegangen werden und die nächsten, über die Vorschläge der
Rentenkommission hinausgehenden Schritte konkretisiert werden. Das aktuelle
Niedrigzinsniveau, aber auch die schwierige Situation einiger Versorgungswerke sprechen
dafür, den Transformationsprozess unmittelbar zu beginnen. Der Bundesvorstand wird daher
gebeten, die konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in
der Rente unmittelbar zu bearbeiten und rechtzeitig vor dem Programmparteitag im Frühjahr
2017 ein Konzept vorzulegen.Eine konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente begrüßen wir. Wir bitten die zuständigen Fachleute aus Partei und Fraktion diese zeitnah vorzunehmen, so dass es in den Programmprozess einfließen kann.
Die Bürger*innenversicherung hat zentrale Vorteile:
· Gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird auch gleich behandelt.
· Eine Bürger*innenversicherung bezieht alle Erwerbstätigen mit ein. Sie bezieht nicht nur
diejenigen mit ein, die heute in anderen Versorgungssystemen abgesichert sind, sondern auch
diejenigen, die gar nicht abgesichert sind (Minijobber*innen, Selbstständige, ALG II-
Empfänger*innen).
· Versicherungslücken, die heute eine der wesentlichen Ursachen von Altersarmut sind, werden
geschlossen. Die Bürger*innenversicherung ist damit eine zentrale präventive Maßnahme gegen
Altersarmut.
· Sie ist die richtige Antwort auf die Entwicklung, die wir auf dem Arbeitsmarkt beobachten
können: Das „Normalarbeitsverhältnis“ und damit die Erreichbarkeit einer „Eckrente“ wird
immer mehr zum aussterbenden Modell: Atypische Beschäftigung und Phasen von Arbeitslosigkeit
nehmen zu. Erschwerend kommt hinzu, dass für Hartz-Bezieher*innen (zu denen auch viele
Alleinerziehende gehören) keine Rentenbeiträge gezahlt werden. Prekär beschäftigte
Selbstständige sind in der Regel nicht abgesichert. Ein Rentensystem, das diesen
Herausforderungen Rechnung trägt, ist mehr als überfällig.
· Die Bürger*innenversicherung sorgt für eine eigenständige Alterssicherung von Frauen: Wir
wollen künftig sicherstellen, dass Paare ihre Anwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung teilen, unabhängig davon, wie die Erwerbs- und Fürsorgearbeit
untereinander aufgeteilt wird. Das ist für uns Ausdruck einer ehelichen bzw.
lebenspartnerschaftlichen Einstandsgemeinschaft und sorgt dafür, dass insbesondere Frauen
bei der Höhe ihrer Renten nicht benachteiligt werden. Eine Hinterbliebenenversorgung wäre
auch bei einem solch obligatorischen Splitting der Einzahlungen in die Rentenversicherung
gewährleistet, sodass es zu keinen Verschlechterungen gegenüber dem Status quo kommt.
· Die Bürger*innenversicherung sorgt für eine nachhaltige und resiliente Finanzierung der
Rente, auch in Phasen von geringem Wachstum, und für eine Stabilisierung des Rentenniveaus.
· Wir wollen das Vertrauen in die Rentenversicherung bei der jetzt jungen Generation
aufrechthalten. Das schaffen wir nur, wenn wir konsequent dafür eintreten, dass sich alle
daran beteiligen, dass Reformen nicht nur einseitig die treffen, die auf die gesetzliche
Rentenversicherung stärker angewiesen sind, weil ihnen private Ersparnisse fehlen. Gerade
weil das „Normalarbeitsverhältnis“ bei der jüngeren Generation zunehmend aufweicht, brauchen
wir ein Versicherungssystem, das dies auffangen kann.
Herausforderungen und offene Punkte
Von den Nachbar*innen lernen
Aus unserer Sicht ist eine Ausdehnung der Bemessungsgrundlage auf alle Einkommen – ähnlich
wie es in der Schweiz gemacht wird - notwendig. Das heißt, dass nicht nur Arbeitseinkommen,
sondern auch Kapitalerträge zur Finanzierung des Rentensystems herangezogen werden. Es kann
nicht sein, dass nur der „Faktor Arbeit“ zur Finanzierung des Systems der Alterssicherung
herangezogen wird. Es ist nur konsequent, dass auf alle Einkunftsarten Rentenbeiträge
gezahlt werden müssen.
Wir plädieren außerdem dafür, dass alle Einkommensarten einbezogen werden. Zu prüfen ist, ob
dies eine Abschwächung oder sogar Abkehr vom Äquivalenzprinzip bei hohen Einkommen
erfordert, so wie es beispielsweise in der Schweiz gehandhabt wird. Der Millionär braucht
zwar nicht die Bürger*innenversicherung, aber die Bürger*innenversicherung kann den
Millionär gut gebrauchen.
Dass und wie eine Umstellung auf eine Bürger*innenversicherung gelingen kann, zeigen
Transformationsprozesse wie zum Beispiel in Österreich, an denen wir uns orientieren können
und sollten.
Übergangsbestimmungen
Übergangsbestimmungen sind selbstverständlich notwendig. Gerade weil eine Umstellung für
viele Veränderungen mit sich bringen würde, sind Vertrauensschutz-Regelungen unabdingbar. Es
muss ausgeschlossen werden, dass Menschen durch eine Umstellung schlechter gestellt werden.
Für die jeweiligen zu berücksichtigenden Berufsgruppen sehen wir folgende unterschiedliche
Herausforderungen:
Selbstständige
Generell ist die Gruppe der Selbstständigen sehr heterogen. Bei den nicht abgesicherten
Selbstständigen sehen wir die größte Herausforderung bei der Vermeidung (zu) hoher
Beitragsbelastungen für Selbständige mit kleinen Einkommen. Wir wollen, dass die Beiträge
sich am tatsächlichen Einkommen orientieren und somit auch für Selbstständige finanzierbar
sind.
Bei den freien Berufen und den Versicherten in den Versorgungswerken stellt sich wiederum
nicht die Frage nach einer Absicherung, sondern, wie ein Übergang von Versorgungswerk zur
gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen werden kann. Die Versorgungswerke finanzieren
sich in einer Mischung aus Umlage- und kapitalgedeckter Komponente. Auch von
Versichertengruppen zu Versichertengruppe und Bundesland zu Bundesland unterscheiden sie
sich hinsichtlich der Beitragshöhen. In Hinblick auf die kapitalgedeckte Komponente ist es
hinsichtlich der Niedrigzinsphase möglich, dass diese im Laufe der Zeit an Attraktivität
verlieren und in finanzielle Schwierigkeiten kommen, so dass gerade jetzt Reformbedarf
besteht. Vor diesem Hintergrund bietet ein Einbezug in die gesetzliche Rentenversicherung
für diese Gruppen nicht zwingend einen befürchteten Einschnitt, sondern vielmehr auch eine
Chance. Denn die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich in den vergangenen
Jahren als stabil erwiesen.
Geprüft werden soll, ob die Ansprüche aus den Umlageverfahren in die gesetzliche
Rentenversicherung eingliedert und der Kapitalstock als Zusatzversicherung beibehalten
werden kann. Dabei wäre zu klären, wie eine solche Überführung in die gesetzliche
Rentenversicherung von statten gehen könnte. Eine bloße Ausgliederung der neuen Versicherten
aus dem Umlageverfahren ist problematisch, da die Beitragszahler*innen im System die Rente
der Rentner*innen zahlen und so ein Ungleichgewicht entstünde. Die gesetzliche
Rentenversicherung soll den Versorgungswerken daher Angebote machen, wie eine Überleitung
der Ansprüche attraktiv sein könnte.
Beamt*innen
Das Alimentationsprinzip ist verfassungsrechtlich geschützt. Es ist deshalb zu prüfen, ob
eine Überleitung in die gesetzliche Rentenversicherung mit Übergangszeitraum möglich wäre
oder ob zusätzlich noch eine Zusatzzahlung an Beamt*innen gezahlt werden müsste. Eine
mögliche Option wäre auch eine Umstellung der Regelungen nur für Neu-Beamt*innen. Durch eine
Eingliederung der Beamt*innen würden erst einmal Mehrkosten entstehen, da sowohl
Pensionszahlungen für Pensionär*innen getätigt werden müssten, als auch ein
Arbeitgeberanteil zur Rente gezahlt werden müsste. Das würde auch insbesondere die
Bundesländer vor große Herausforderung stellen. Hier müssten Ausgleichszahlungen zwischen
Bundes- und Landeshaushalt diskutiert werden. Insbesondere was die notwendigen
Reformschritte bei den Landesbeamt*innen angeht, sollten die aktuellen Spielräume angesichts
der Niedrigzinsphase offensiv genutzt werden.
Auch hier könnte Österreich als Beispiel gelten. Auch wenn bei der sogenannten
„Pensionsharmonisierung“ für die Beamt*innen längere Übergangszeiträume vereinbart wurden,
so werden diese doch schrittweise in die einheitliche Pensionsberechnung miteinbezogen. Seit
mehr als 10 Jahren werden die deutlich großzügigeren Regelungen zur Beamtenversorgung an das
Leistungsniveau der anderen Erwerbstätigen angeglichen.
Abgeordnete
Der Einbezug von Abgeordneten ist dringend geboten. Sie ist eine Frage der Glaubwürdigkeit
und ein starkes Signal mit Blick auf eine gerechte Ausgestaltung der
Bürger*innenversicherung. Eine Einbeziehung der Bundestagsabgeordneten wäre sofort möglich.
Für die Bundesländer in denen für Abgeordnete Versorgungswerke bestehen, könnte der Bund ein
Angebot für die Eingliederung in die Rentenversicherung machen.
Von Zeile 66 bis 70:
Niedrigzinsniveau, aber auch die schwierige Situation einiger Versorgungswerke sprechen dafür, den Transformationsprozess unmittelbar zu beginnen. Der Bundesvorstand wird daher gebeten, die konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente unmittelbar zu bearbeiten und rechtzeitig vor dem Programmparteitag im Frühjahr 2017 ein Konzept vorzulegen.Eine konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente begrüßen wir. Wir bitten die zuständigen Fachleute aus Partei und Fraktion diese zeitnah vorzunehmen, so dass es in den Programmprozess einfließen kann.
Der Bericht der grünen Rentenkommission macht deutlich, dass wir in der Rentenpolitik vor
großen Herausforderungen stehen: zunehmende Altersarmut, die im internationalen Vergleich
extrem hohe Rentenlücke für Frauen, die Probleme der kapitalgedeckten Zusatzversorgung, die
zu erwartende sinkende Rentenniveau, zu starre Altersgrenzen.
Viele Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch für
mittlere Einkommen angesichts der bereits erfolgten und der bereits beschlossenen
Niveauabsenkung absehbar den Lebensstandard im Alter nicht mehr sichern kann. Auch eine
Durchschnittsrente kann bei einer weiteren Niveauabsenkung auf die geplanten 43 Prozent kaum
noch ein Auskommen sichern – trotz jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit und Beitragszahlung.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und für eine armutsfeste, nachhaltige und gerechte
Rente zu sorgen, ist noch viel zu tun. Die grüne Rentenkommission hat dazu sinnvolle
Vorschläge vorgelegt und das bisherige grüne Rentenkonzept weiterentwickelt. In dem Bericht
wird deshalb zurecht betont, dass die gesetzliche Rentenversicherung aus unserer Sicht die
zentrale und wieder zu stärkende Säule der Alterssicherung ist. Die Legitimation der
gesetzlichen Rentenversicherung ist gefährdet, wenn die gesetzliche Rente nicht vor Armut
schützt, wenn die Lebensstandardsicherung durch ein absinkendes Rentenniveau in Frage
gestellt ist, wenn immer mehr Sicherungslücken entstehen und solange unterschiedliche
Bevölkerungsgruppen bei der Alterssicherung ungleich behandelt werden.
Zusammen mit der grünen Garantierente bleibt der Dreh- und Angelpunkt einer zukunftssicheren
Rente deshalb die Einführung der Bürger*innenversicherung, einer Rente für alle.
Für eine grüne Bürger*innenversicherung in der Rente:
Die Ausweitung der Versicherungspflicht wird von verschiedenen Akteur*innen schon lange
gefordert. Schon 2007 haben wir auf einer BDK beschlossen, dass unsere Antwort auf die
zunehmende Altersarmut die Bürger*innenversicherung ist. Im Programm zur Bundestagswahl 2013
und ähnlich im BDK-Beschluss von 2012 steht, dass wir die Rentenversicherung mittelfristig
zu einer Bürger*innenversicherung weiterentwickeln, in die alle Bürgerinnen und Bürger, das
heißt auch Beamt*innen, Selbständige und Abgeordnete, auf alle Einkommensarten unabhängig
vom Erwerbsstatus einzahlen. Eine solidarische Rentenversicherung kann es nur geben, wenn
sich tatsächlich alle beteiligen.
Derzeit leisten die sozialen Sicherungssysteme nicht den Beitrag zum gesellschaftlichen
Zusammenhalt, den sie leisten könnten. Stattdessen lassen sie zu, dass einerseits Menschen,
die nicht über ein stabiles Einkommen aus abhängiger Beschäftigung verfügen, keinen
vollständigen Sozialschutz erhalten. Andererseits können sich die leistungsfähigsten
Mitglieder der Gesellschaft eigenständig außerhalb des Solidarsystems fürs Alter absichern.
Gerade um angesichts der Herausforderung, in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung
dafür zu sorgen, dass niemand abgehängt wird oder davor Angst haben muss, müssen deshalb die
sozialen Sicherungssysteme neu ausgerichtet werden und wirklich alle Bürgerinnen und Bürger
umfassen.
Sehr wichtig ist, dass niemand Angst vor Armut im Alter haben muss. Das ist bis heute auch
ein Zweck der gesetzlichen Rentenversicherung als Einkommenssicherung. Als die Hauptgefahr
der Altersarmut bei Arbeiter*innen lag, gab die Begrenzung der gesetzlichen Rente auf die
Arbeiter vielleicht noch Sinn. Doch sie wird die Vermeidung von Altersarmut in Zukunft nur
dann leisten können, wenn sie wirklich alle Menschen umfasst und durch eine Garantierente
ergänzt wird. Ohne Ausweitung auf alle Bevölkerungsgruppen, kann die Garantierente nicht für
alle Menschen einen Schutz gegen Altersarmut bieten.
Erste, schnell umzusetzende Maßnahmen sind, die nicht anderweitig abgesicherten
Selbstständigen einzubeziehen, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits erfolgt ist
bzw. geschieht, Minijobs voll rentenversicherungspflichtig zu machen, wieder
Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld II-Beziehende zu zahlen und zu beschließen,
dass Bundestagsabgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Aber um ein attraktives Angebot zu machen, um alle endlich gleich zu behandeln und um die
gesetzliche Rentenversicherung auf eine langfristig solide finanzielle Grundlage zu stellen,
müssen wir darüber hinausgehen: Wie die Selbstständigen sollen Beamte, Freiberufler*innen
und Abgeordnete ebenfalls in die gesetzliche Rente einzahlen. Versicherunglücken müssen
geschlossen werden. Sonderregelungen müssen weg, denn dass mit den verschiedenen
Absicherungssystemen auch unterschiedliche Leitungen verbunden sind, lässt sich auf Dauer
nicht rechtfertigen. In einer Gesellschaft, in der Menschen häufiger den Arbeitsplatz und
auch den Status – Angestellte*r, Beamt*in, Selbständige*r – wechseln, ist die
berufsständische Organisation der Altersvorsorge überholt. Sie verursacht Sicherungslücken
und ist auch ungerecht. Besonders deutlich wird das bspw. am Vergleich der Altersabsicherung
angestellter und verbeamteter Lehrkräfte. Auch die Rentenkommission hat sich dafür
ausgesprochen, dass das Rentensystem „mittelfristig“ vollständig zu einer
Bürger*innenversicherung umgebaut werden soll. Die Umsetzung der Bürger*innenversicherung in
der Rente sollte aber schnell angegangen werden und die nächsten, über die Vorschläge der
Rentenkommission hinausgehenden Schritte konkretisiert werden. Das aktuelle
Niedrigzinsniveau, aber auch die schwierige Situation einiger Versorgungswerke sprechen
dafür, den Transformationsprozess unmittelbar zu beginnen. Der Bundesvorstand wird daher Eine konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in der Rente begrüßen wir. Wir bitten die zuständigen Fachleute aus Partei und Fraktion diese zeitnah vorzunehmen, so dass es in den Programmprozess einfließen kann.
gebeten, die konzeptionelle Weiterentwicklung mit Blick auf die Bürger*innenversicherung in
der Rente unmittelbar zu bearbeiten und rechtzeitig vor dem Programmparteitag im Frühjahr
2017 ein Konzept vorzulegen.
Die Bürger*innenversicherung hat zentrale Vorteile:
· Gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird auch gleich behandelt.
· Eine Bürger*innenversicherung bezieht alle Erwerbstätigen mit ein. Sie bezieht nicht nur
diejenigen mit ein, die heute in anderen Versorgungssystemen abgesichert sind, sondern auch
diejenigen, die gar nicht abgesichert sind (Minijobber*innen, Selbstständige, ALG II-
Empfänger*innen).
· Versicherungslücken, die heute eine der wesentlichen Ursachen von Altersarmut sind, werden
geschlossen. Die Bürger*innenversicherung ist damit eine zentrale präventive Maßnahme gegen
Altersarmut.
· Sie ist die richtige Antwort auf die Entwicklung, die wir auf dem Arbeitsmarkt beobachten
können: Das „Normalarbeitsverhältnis“ und damit die Erreichbarkeit einer „Eckrente“ wird
immer mehr zum aussterbenden Modell: Atypische Beschäftigung und Phasen von Arbeitslosigkeit
nehmen zu. Erschwerend kommt hinzu, dass für Hartz-Bezieher*innen (zu denen auch viele
Alleinerziehende gehören) keine Rentenbeiträge gezahlt werden. Prekär beschäftigte
Selbstständige sind in der Regel nicht abgesichert. Ein Rentensystem, das diesen
Herausforderungen Rechnung trägt, ist mehr als überfällig.
· Die Bürger*innenversicherung sorgt für eine eigenständige Alterssicherung von Frauen: Wir
wollen künftig sicherstellen, dass Paare ihre Anwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung teilen, unabhängig davon, wie die Erwerbs- und Fürsorgearbeit
untereinander aufgeteilt wird. Das ist für uns Ausdruck einer ehelichen bzw.
lebenspartnerschaftlichen Einstandsgemeinschaft und sorgt dafür, dass insbesondere Frauen
bei der Höhe ihrer Renten nicht benachteiligt werden. Eine Hinterbliebenenversorgung wäre
auch bei einem solch obligatorischen Splitting der Einzahlungen in die Rentenversicherung
gewährleistet, sodass es zu keinen Verschlechterungen gegenüber dem Status quo kommt.
· Die Bürger*innenversicherung sorgt für eine nachhaltige und resiliente Finanzierung der
Rente, auch in Phasen von geringem Wachstum, und für eine Stabilisierung des Rentenniveaus.
· Wir wollen das Vertrauen in die Rentenversicherung bei der jetzt jungen Generation
aufrechthalten. Das schaffen wir nur, wenn wir konsequent dafür eintreten, dass sich alle
daran beteiligen, dass Reformen nicht nur einseitig die treffen, die auf die gesetzliche
Rentenversicherung stärker angewiesen sind, weil ihnen private Ersparnisse fehlen. Gerade
weil das „Normalarbeitsverhältnis“ bei der jüngeren Generation zunehmend aufweicht, brauchen
wir ein Versicherungssystem, das dies auffangen kann.
Herausforderungen und offene Punkte
Von den Nachbar*innen lernen
Aus unserer Sicht ist eine Ausdehnung der Bemessungsgrundlage auf alle Einkommen – ähnlich
wie es in der Schweiz gemacht wird - notwendig. Das heißt, dass nicht nur Arbeitseinkommen,
sondern auch Kapitalerträge zur Finanzierung des Rentensystems herangezogen werden. Es kann
nicht sein, dass nur der „Faktor Arbeit“ zur Finanzierung des Systems der Alterssicherung
herangezogen wird. Es ist nur konsequent, dass auf alle Einkunftsarten Rentenbeiträge
gezahlt werden müssen.
Wir plädieren außerdem dafür, dass alle Einkommensarten einbezogen werden. Zu prüfen ist, ob
dies eine Abschwächung oder sogar Abkehr vom Äquivalenzprinzip bei hohen Einkommen
erfordert, so wie es beispielsweise in der Schweiz gehandhabt wird. Der Millionär braucht
zwar nicht die Bürger*innenversicherung, aber die Bürger*innenversicherung kann den
Millionär gut gebrauchen.
Dass und wie eine Umstellung auf eine Bürger*innenversicherung gelingen kann, zeigen
Transformationsprozesse wie zum Beispiel in Österreich, an denen wir uns orientieren können
und sollten.
Übergangsbestimmungen
Übergangsbestimmungen sind selbstverständlich notwendig. Gerade weil eine Umstellung für
viele Veränderungen mit sich bringen würde, sind Vertrauensschutz-Regelungen unabdingbar. Es
muss ausgeschlossen werden, dass Menschen durch eine Umstellung schlechter gestellt werden.
Für die jeweiligen zu berücksichtigenden Berufsgruppen sehen wir folgende unterschiedliche
Herausforderungen:
Selbstständige
Generell ist die Gruppe der Selbstständigen sehr heterogen. Bei den nicht abgesicherten
Selbstständigen sehen wir die größte Herausforderung bei der Vermeidung (zu) hoher
Beitragsbelastungen für Selbständige mit kleinen Einkommen. Wir wollen, dass die Beiträge
sich am tatsächlichen Einkommen orientieren und somit auch für Selbstständige finanzierbar
sind.
Bei den freien Berufen und den Versicherten in den Versorgungswerken stellt sich wiederum
nicht die Frage nach einer Absicherung, sondern, wie ein Übergang von Versorgungswerk zur
gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen werden kann. Die Versorgungswerke finanzieren
sich in einer Mischung aus Umlage- und kapitalgedeckter Komponente. Auch von
Versichertengruppen zu Versichertengruppe und Bundesland zu Bundesland unterscheiden sie
sich hinsichtlich der Beitragshöhen. In Hinblick auf die kapitalgedeckte Komponente ist es
hinsichtlich der Niedrigzinsphase möglich, dass diese im Laufe der Zeit an Attraktivität
verlieren und in finanzielle Schwierigkeiten kommen, so dass gerade jetzt Reformbedarf
besteht. Vor diesem Hintergrund bietet ein Einbezug in die gesetzliche Rentenversicherung
für diese Gruppen nicht zwingend einen befürchteten Einschnitt, sondern vielmehr auch eine
Chance. Denn die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich in den vergangenen
Jahren als stabil erwiesen.
Geprüft werden soll, ob die Ansprüche aus den Umlageverfahren in die gesetzliche
Rentenversicherung eingliedert und der Kapitalstock als Zusatzversicherung beibehalten
werden kann. Dabei wäre zu klären, wie eine solche Überführung in die gesetzliche
Rentenversicherung von statten gehen könnte. Eine bloße Ausgliederung der neuen Versicherten
aus dem Umlageverfahren ist problematisch, da die Beitragszahler*innen im System die Rente
der Rentner*innen zahlen und so ein Ungleichgewicht entstünde. Die gesetzliche
Rentenversicherung soll den Versorgungswerken daher Angebote machen, wie eine Überleitung
der Ansprüche attraktiv sein könnte.
Beamt*innen
Das Alimentationsprinzip ist verfassungsrechtlich geschützt. Es ist deshalb zu prüfen, ob
eine Überleitung in die gesetzliche Rentenversicherung mit Übergangszeitraum möglich wäre
oder ob zusätzlich noch eine Zusatzzahlung an Beamt*innen gezahlt werden müsste. Eine
mögliche Option wäre auch eine Umstellung der Regelungen nur für Neu-Beamt*innen. Durch eine
Eingliederung der Beamt*innen würden erst einmal Mehrkosten entstehen, da sowohl
Pensionszahlungen für Pensionär*innen getätigt werden müssten, als auch ein
Arbeitgeberanteil zur Rente gezahlt werden müsste. Das würde auch insbesondere die
Bundesländer vor große Herausforderung stellen. Hier müssten Ausgleichszahlungen zwischen
Bundes- und Landeshaushalt diskutiert werden. Insbesondere was die notwendigen
Reformschritte bei den Landesbeamt*innen angeht, sollten die aktuellen Spielräume angesichts
der Niedrigzinsphase offensiv genutzt werden.
Auch hier könnte Österreich als Beispiel gelten. Auch wenn bei der sogenannten
„Pensionsharmonisierung“ für die Beamt*innen längere Übergangszeiträume vereinbart wurden,
so werden diese doch schrittweise in die einheitliche Pensionsberechnung miteinbezogen. Seit
mehr als 10 Jahren werden die deutlich großzügigeren Regelungen zur Beamtenversorgung an das
Leistungsniveau der anderen Erwerbstätigen angeglichen.
Abgeordnete
Der Einbezug von Abgeordneten ist dringend geboten. Sie ist eine Frage der Glaubwürdigkeit
und ein starkes Signal mit Blick auf eine gerechte Ausgestaltung der
Bürger*innenversicherung. Eine Einbeziehung der Bundestagsabgeordneten wäre sofort möglich.
Für die Bundesländer in denen für Abgeordnete Versorgungswerke bestehen, könnte der Bund ein
Angebot für die Eingliederung in die Rentenversicherung machen.
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