Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Thomas Dyhr (KV Barnim) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.09.2016, 10:23 |
V-13: Bundeswehr ersetzt keine Polizei
Antragstext
Die Bundesdelegiertenkonferenz der Partei Bündnis 90/ Die Grünen lehnt Forderungen nach
Erweiterung vorhandener Einsatzbefugnisse der Bundeswehr im Inneren ab.
Begründung
Alle Jahre wieder instrumentalisiert die Union schreckliche Verbrechen mit der Forderung, die Bundeswehr im Innern als weiteres Sicherheitsorgan einzusetzen. Und jedes Mal ist diese Forderung erneut als falsch und verfehlt zurückzuweisen.
Es handelt sich bei diesem Projekt der Union um ein Scheingefecht zur Vorgaukelung einer tatsächlich nicht vorhandenen innenpolitischen Handlungsfähigkeit.
Wenn heute Klage über fehlendes Personal und fehlende Ausstattung der Polizei geübt wird, so sind diese Missstände nicht etwa auf verschlimmerte Lageänderungen und Einsatzumstände zurück zu führen, sondern auf Einsparmaßnahmen, welche die vormals sehr leistungsfähigen Behörden aus fiskalischen Gründen in den vergangenen Jahren – oft genug durch unionsgeführte Innenministerien – organisatorisch und personell teilweise an Grenzen der Handlungsfähigkeit führten.
Diese politisch verursachten Missstände können nicht dadurch geheilt werden, dass dafür nicht ausgebildete Kräfte der Bundeswehr zweckentfremdet werden, sondern müssen ursächlich mit Neueinstellungen, Aus- und Fortbildung, sowie verbesserter Ausrüstung auf Seiten der Polizeien von Bund und Ländern aufgearbeitet werden. Bundeswehrsoldaten sind nicht dafür ausgebildet, qualifizierte Polizeiarbeit zu leisten, sondern für einen ganz anders gelagerten Kampfauftrag im Rahmen kriegerischer Ereignisse ausgerichtet.
Eine rechtsstaatlich arbeitende Polizei zur Gewährleistung der inneren Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols in einem Rechtsstaat bedarf ausgebildeter und motivierter Menschen, die wissen, was sie tun. Die Ausbildung an Waffen allein reicht dafür nicht aus, denn diese Ausbildung beinhaltet nur die Frage des „/wie“/ einer Benutzung, aber nicht die rechtsstaatlich entscheidende Frage des „/wann“/.
Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols in einem demokratischen Rechtsstaat bedarf einer Polizei, die unter politischer Kontrolle in unserer Bürger*innengesellschaft verankert ist. Ihre Maßnahmen und Befugnisse bedürfen zudem einer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz.
Terrorbekämpfung im Inland ist ein professionelles Zusammenspiel zwischen Nachrichtendiensten, Kriminal- und Schutzpolizei des Bundes und der Länder.
In diesem Zusammenspiel wäre der Einsatz der hierfür nicht ausgebildeten Bundeswehr schlicht ein Fremdkörper.
Die Personalausstattung der Bundeswehr ist durch zahlreiche Auslandseinsätze höchst angespannt. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern außerhalb ihrer wertvollen Dienste bei der Katastrophenbewältigung ist zudem auch nicht ansatzweise in der Lage, fehlenden Nachwuchs bei den Polizeien zu kompensieren. Auch die Bundeswehr hat bei der Rekrutierung des Nachwuchses mit mangelnden Bewerberzahlen zu kämpfen.
Die Bundeswehr darf bereits heute ihren Hauptauftrag, nämlich die "Verteidigung" gemäß Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, im Inland ausüben, ohne dass es dazu einer gesonderten Ermächtigung im Grundgesetz bedarf. Zum Verteidigungsauftrag gehört auch die Eigensicherung der Streitkräfte.
Würde bei einem größeren Schadensereignis etwa auf Sanitätskräfte der Bundeswehr zur Versorgung von Verwundeten zurückgegriffen werden, könnte die Bundeswehr selbst die Sanitätseinheiten schützen und dazu auch mit hoheitlichem Zwang gegen Störer vorgehen. Im Spannungsfall, der in einer Krisensituation schon im Vorfeld von konkreten Gefahren oder Schadensereignissen vom Bundestag gemäß Art. 80a GG festgestellt werden könnte, und im Verteidigungsfall kann auf die Streitkräfte gemäß Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG bereits heute der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden. Es handelt sich dabei um die Wahrnehmung von polizeilichen Aufgaben durch die Bundeswehr, die – wie die Systematik von Art. 87a Abs. 3 GG zeigt – vom Verteidigungsauftrag unabhängig ist.
Im regionalen Katastrophennotstand kann eine Landesregierung die Streitkräfte anfordern und den Einsatz leiten, während beim überregionalen Katastrophennotstand die Bundesregierung – nach Auffassung des BVerfG in Form einer Kollegialentscheidung – den Einsatz beschließen kann.
Demnach können auch terroristische Angriffe, die aus dem Inland herrühren, beim Erreichen eines katastrophischen Ausmaßes mit Hilfe der Streitkräfte bekämpft werden. Nach Ansicht des BVerfG ist dabei auch die Verwendung spezifisch militärischer Waffen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, soweit die strengen Voraussetzungen für einen bewaffneten Einsatz gemäß Art. 87a Abs. 4 GG nicht umgangen werden.
Nach der geltenden Rechtslage ist also ein Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr von terroristischen Angriffen auch unterhalb der strengen Voraussetzungen des inneren Notstands nach Art. 87a Abs. 4 GG nicht schlechthin ausgeschlossen.
Somit werden folglich auch mögliche Unschärfen und Bedürfnisse am Rande polizeilicher Lagen rechtlich hinreichend abgedeckt.
Es besteht von daher kein Bedarf an einer Erweiterung der militärischen Befugnisse.
Weitere Antragsteller*innen
- Fritz Lothar Winkelhoch (KV Oberberg)
- Claudia Laux (KV Bernkastel-Wittlich)
- Andrea Piro (KV Rhein-Sieg)
- Karl-W. Koch (KV Vulkaneifel)
- Anna Mebs (KV Kitzingen)
- Jeyaratnam Caniceus (KV Viersen)
- Stefan Brandes (KV Oder-Spree)
- Maren Schellenberg (KV Berlin Steglitz Zehlendorf)
- Barbara Poneleit (KV Forchheim)
- Bernhard Kern (KV Berlin-Mitte)
- Heiner Klemp (KV Oberhavel)
- Bea Ermisch (KV Hamm/Westf.)
- Ingrid Ochse (KV Berlin-Mitte)
- Heinz-Herwig Mascher (KV Oberhavel)
- Susanne Giesen (KV Oberspreewald-Lausitz)
- Johannes Düben (KV Barnim)
- Julian Breitschwerdt (KV Karlsruhe-Land)
- Kerstin Dehne (KV München)
- Toni Madel, (KV Barnim)
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