Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Bundesarbeitsgemeinschaft Energie (dort beschlossen am: 23.09.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.09.2016, 21:06 |
V-03: Nukleare Zwischenlager nicht vergessen!
Antragstext
Spätestens mit dem Gerichtsurteil von 2013 zum Zwischenlager des AKW Brunsbüttel und dem im
Juni 2016 beschlossenen Bericht der Endlagerkommission ist die Notwendigkeit einer
umfassenden sicherheitstechnischen Nachrüstung der 16 Zwischenlager für hochradioaktive
Abfälle in Deutschland so unabweisbar wie dringend. In den Lagern sind zur Zeit 1.548
Castoren untergebracht, die Lagerungen in Ahaus und Lubmin nicht mitgerechnet. (www.bfs.de)
. Ihre Strahlungsaktivität wird mit gegenwärtig rund 100 Trilliarden (10 hoch 21) Becquerel
berechnet.
In ihrer Bauweise sind die Lagerhallen gegen Attacken von außen mit entsprechendem
technischen oder militärischen Material faktisch nicht geschützt. Eine massive nukleare
Verseuchung im Fall eines gezielten Angriffs direkt auf die Castoren durch Eindringen über
den Eingangsbereich der Lagerhallen kann, gerade in der aktuellen Terrorlage, nicht
ausgeschlossen werden. Schon ein „einfacher“ Angriff, welcher nicht die Zerstörung von
Castoren zur sofortigen Folge hätte, würde eine unvorstellbare Panik auslösen. Im Fall eines
unkontrollierbaren Brandes wäre die Sicherheit der Behältnisse nicht dauerhaft gesichert,
getestet werden nur „30 Minuten bei 800 °C“. Sowohl Zeitdauer als auch Temperatur können
u.U. deutlich überschritten werden.
Die gerichtliche Feststellung zum Zwischenlager Brunsbüttel, dass wichtige
Sicherheitsnachweise nicht erbracht wurden und daher die Betriebsgenehmigung entzogen wurde,
hat Konsequenzen für alle Zwischenlager. Zu bedenken ist dabei, dass das Zwischenlager
Brunsbüttel mit 1,2 m Wanddicke zu den relativ besser geschützten norddeutschen
Einrichtungen gehört. Die Zwischenlager in Süddeutschland wurden gegen den Protest von
Initiativen mit einer Wanddicke von 0,85 m genehmigt, das zu Recht besonders umstrittene
Zwischenlager Gorleben weist sogar eine Wanddicke von lediglich 0,5 m aus.
Die Bedenken um eine auch langfristige Sicherheit der Zwischenlager verschärfen sich mit der
Lagerungsdauer, die inzwischen erwartet werden muss. Der Genehmigungszeit von 40 Jahren bis
zur unterirdischen Einlagerung ist längst Makulatur. Die Endlagerkommission kommt zur
Einschätzung, dass „eine Einlagerung der letzten Gebinde im Zeitraum 2070 bis 2075 als
optimistisch betrachtet“ werden muss (Abschlussbericht der Kommission, S. 252) – eine
Lagerdauer von 55 bis 60 Jahren im unwahrscheinlichen günstigen Fall also! Nach anderen
Schätzungen wird der Beginn einer Einlagerung der Abfälle „erst für das nächste Jahrhundert
erwartet und sich dann noch für Jahrzehnte hinziehen (Abschlussbericht, S. 489)“. Demnach
würden sich Castor-Behälter noch mehr als 100 Jahre in oberirdischen Zwischenlagern
befinden! Die Endlagerkommission hat daraus keine Konsequenzen gezogen. .
In Anbetracht dessen fordern wir:
Der Gesetzgeber muss das Verwaltungsrecht so ändern, dass auch auf der Ebene der
Oberverwaltungsgerichte geheimschutzverpflichtete Kammer und Anwälten die
sicherheitsrelevanten Sachverhalte einsehen und dazu Expertisen einholen können.
Alle Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle sind umgehend sicherheitstechnisch so
nachzurüsten, dass sie gegen terroristische Angriffe ausreichend geschützt sind. Dazu
ist es kurzfristig aus unserer Sicht erforderlich, die Lager vor einem Einsturz z.B.
nach einer gezielten Attacke zu schützen. Zugleich ist zu prüfen, ob entweder ein
kompletter Neubau bzw. eine unterirdische Bunkerung – wie ansatzweise mit dem
Zwischenlager Neckarwestheim praktiziert – ein höheres Maß an Sicherheit ermöglicht.
Neue Genehmigungen dürfen nur nach den Maßstäben des OVG Schleswig erteilt werden.
Die Bewachung und der Schutz der Zwischenlager werden umgehend in personeller wie in
logistischer Hinsicht verstärkt und so der aktuellen Gefährdungslage angepasst.
Bundesregierung und Bundestag richten eine (paritätisch aus Zivilgesellschaft,
Experten und Politik) zusammengesetzte Kommission „Zwischenlagerung“ ein, in der auch
die betroffenen Ländern und die Standort-Kommunen vertreten sind. Diese wird mit der
Vorbereitung und Begleitung der sicherheitstechnischen Nachrüstung der Zwischenlager,
sowie mit einer Klärung aller Fragen, die aufgrund der zu erwartenden Dauer der
Zwischenlagerung weit über den ursprünglichen Genehmigungszeitraum hinaus zu erwarten
sind betraut.
Neben den zahlreichen technischen Fragen geht es hier auch um die langfristige
Gewährleistung von Ausbildungsgängen für Personal, das auch noch in Jahrzehnten für
den Umgang mit nuklearen Großrisiken wie der Zwischenlagerung qualifiziert und
kompetent sein muss.
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