Die volle steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer kommt derzeit in erster Linie Kirchensteuerzahler*innen mit einem sehr hohen Einkommen zu Gute. Sie ist aus Religions- und Weltanschauungspolitischer Sicht diskriminierend, sozial ungerecht, benachteiligt kleinere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und belastet die Haushalte von Bund und Ländern.
Das wollen wir ändern und die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer künftig begrenzen!
Diskriminierungen und Soziale Ungerechtigkeiten beseitigen
Für die insgesamt 3,770 Mrd. Euro Steuermindereinnahmen im vergangenen Jahr müssen auch diejenigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen, die ihrerseits keiner Kirche oder Weltanschauungsgemeinschaft angehören. Konfessionslose und Andersgläubige, auch die mit geringem Einkommen, finanzieren letztlich mit ihren Steuern das Aufkommen der Kirchensteuer mit. Dies stellt eine Diskriminierung aus religionspolitischen Gründen dar. Hierbei kommt es zu einer weiteren – sozialen – Ungerechtigkeit. Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer begünstigt gerade die Kirchensteuerzahler*innen, die aufgrund ihres hohen Einkommens eine entsprechend höhere Kirchensteuer zahlen. Hier tritt wieder einmal das bekannte Problem der Steuersparmodelle auf; es gibt von daher erheblichen Reformbedarf.
Benachteiligung nicht „anerkannter“ Religionsgemeinschaften überwinden
Es ist nicht zu verantworten, dass in den Genuss der umfänglichen Steuervergünstigungen durch den Fiskus nur Angehörige von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kommen, die - vom Staat - als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind. Steuerzahler*innen, deren Gemeinschaften nicht diesen privilegierten Status genießen, haben hingegen das Nachsehen. Benachteiligt werden so gerade auch jene Gemeinschaften, die aus theologischen Gründen den - an den christlichen Großkirchen orientierten - Kriterien einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ausdrücklich nicht entsprechen können oder wollen. Mitglieder dieser nicht „anerkannten“ Gemeinschaften können ihre Beiträge lediglich bis in Höhe von 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte als Spenden zur "Förderung religiöser Zwecke" absetzen. Die geltende Praxis missachtet so die Glaubensfreiheit der Bürgerinnen und Bürger, deren Glaubensvorstellungen sich nicht an den großen christlichen Kirchen ausrichten.
Öffentliche Haushalte durch Abbau der Steuersubvention entlasten
Insgesamt führt die steuerliche Abzugsmöglichkeit allein im Jahre 2015 zu Einnahmeverlusten für den Fiskus von insgesamt 3,770 Mrd. Euro (Quelle: 25. Subventionsbericht der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache 18/6940, Anlage 2, S.87). Für das laufende Jahr 2016 belaufen sich die zu erwartenden Steuermindereinnahmen nach Schätzung der Bundesregierung sogar auf 3.890 Mrd. Euro.
Begrenzung der Abzugsfähigkeit als gerechte Lösung
Da ein gewisser Teil der Kirchensteuer für Zwecke verwendet wird, die den allgemeinen Gemeinnützigkeitskriterien entsprechen, sollte dieser Anteil der Kirchensteuer auch in Zukunft als Sonderabgabe absetzbar bleiben. Da jedoch nach eigenen Angaben der Kirchen die Einnahmen aus der Kirchensteuer für Personal- und Sachkosten verwendet wird, die den Maßstäben des Gemeinnützigkeitsrechts nicht entsprechen, ist eine Deckelung der Abzugsfähigkeit gerechtfertig und aus Gründen der Gerechtigkeit auch geboten. Auf diese Weise wird die bestehende Ungleichheit zwischen religiösen und gemeinnützigen Abzugsmöglichkeiten beendet, zumal die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Vereine durch die Finanzämter an strenge Auflagen geknüpft ist.
Die hier vorgeschlagene Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit hat keine Auswirkungen auf die Höhe der den Kirchen zufließenden Steuermittel. Die Rückzahlung der „zuviel gezahlten“ Kirchensteuer erfolgt nicht aus den Kassen der Kirchen, sondern aus öffentlichen Kassen durch die Finanzämter! Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeiten ist daher auch kein „Verarmungsprogramm“ zu Lasten der Kirchen. Sie würde lediglich die Höhe der an die – insbesondere wohlhabenden - Kirchensteuerzahler*innen zurückgezahlten Summen reduzieren.
Zum Hintergrund:
Das Sonderproblem der Absetzbarkeit als Sonderausgabe
Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer hängt eng mit dem Recht der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zusammen, ihre Mitgliedsbeiträge als staatliche Steuer zu erheben - sofern sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind. Dieser privilegierte Status bringt einer Reihe von Vorteile mit sich. So dürfen die Kirchen beispielsweise Beamte beschäftigen, ihren Beschäftigten ein eigenes individuelles und kollektives Arbeitsrecht vorschreiben und sich vor allem der Hilfe der Finanzämter beim Eintreiben der (Kirchen-)Steuer bedienen.
Die gesetzlich geschuldete und gezahlte Kirchensteuer im Inland oder EU/EWR-Ausland (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) kann als Sonderausgabe in vollem Umfang von der Einkommenssteuer abgesetzt werden. „Sonderausgaben“ sind eine Art Sammelposten in der Einkommensteuererklärung, unter der verschiedene Ausgaben der privaten Lebensführung steuermindernd geltend machen können, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. „Von der Steuer absetzen" heißt im Übrigen nicht, dass die Kirchensteuer von der Steuer abgezogen wird, sondern „nur“, dass sie von den zu versteuernden Einkünften abgezogen wird.
Als „Sonderausgaben“ erkennt das Finanzamt auch das sog. „Kirchgeld“ an. Das „allgemeine Kirchgeld“ ist die Steuer der örtlichen Kirchengemeinden, die in der Regel durch persönliches Anschreiben von Personen erhoben wird, die keine gesetzliche Kirchensteuer entrichten. Das „besondere Kirchgeld“ wiederum wird erhoben, wenn ein Ehegatte mit höheren Einkünften konfessionslos ist und der andere Ehegatte, der keine oder nur geringe Einkünfte hat - sowie ggf. die Kinder -, einer Kirche angehört. Das Kirchgeld beträgt etwa ein Drittel der gesetzlichen Kirchensteuer. Freiwillige Beiträge an Kirchen oder andere religiöse Gemeinschaften sind hingegen weder Steuern noch Kirchgeld; sie sind aber als Spenden steuerlich abziehbar.
Wie viel Einkommenssteuer man letztlich einspart, hängt vom persönlichen Steuersatz ab. Je höher das Einkommen und je mehr Steuer zu zahlen ist, umso mehr kann man abziehen. Faktisch begünstigt diese Abzugsregelung Steuerzahler*innen mit hohem Einkommen und entsprechend hohem Kirchensteueraufkommen.
Insbesondere für die beiden großen christlichen Kirchen macht die Kirchensteuer den mit Abstand größten Anteil ihrer Einnahmen aus. So nahmen die Evangelischen Landeskirchen 2015 trotz sinkender Mitgliederzahlen 5,365 Mrd. Euro ein, die Römisch-Katholische Kirche 6,086 Mrd. Euro, zusammen 11,45 Mrd. Euro. Als „geborene“ Körperschaften des öffentlichen Rechts sind zudem von der Grundsteuer befreit, sie zahlen keine Erbschafts- oder Grunderwerbssteuer und müssen beispielsweise für verlorene Prozesse keine Gerichtsgebühren zahlen. Nach Schätzungen belaufen sich die staatlichen Zuwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden an die beiden großen christlichen Kirchen auf insgesamt ca. 19 Mrd. Euro im Jahr. Eine offizielle Statistik gibt es nicht.
Nicht alle der als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten Religionsgemeinschaften machen im Übrigen von ihrem Recht auf Steuererhebung Gebrauch. Steuerzahlende Mitglieder einer solchen Gemeinschaft gehen freilich nicht leer aus. Sie können ihre Zahlungen „wie Kirchensteuern“ absetzen; das sind je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent der Einkommenssteuer. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist jedoch, dass die Kirche in mindestens einem Bundesland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein muss. Beispiele solcher Religionsgemeinschaften sind die Neuapostolische Kirche, die evangelisch-freikirchlichen Gemeinden, die Griechisch-Orthodoxe Metropolie, die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, die Bischöfliche Methodistenkirche, die Heilsarmee und die Zeugen Jehovas.
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