Die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ soll „öffentlichen Zwecken“ dienen. Ihr „stehen im Allgemeinen hoheitliche Befugnisse zu“, sie handelt öffentlich-rechtlich; sie entspringt nicht privatem Handeln, sondern einem „Hoheitsakt“ (i.d.R. einem Gesetz). Beispiele sind Gebietskörperschaften (Gemeinden, Bezirke usw.), Verbandskörperschaften („Zweckverbände“), Realkörperschaften (Kammern wie IHK), Personalkörperschaften (Kammern wie Ärztekammer) und Kollegialkörperschaften (Bundestag).
Religionsgesellschaften sind nicht Teil des Staates, sondern der Zivilgesellschaft; sie nehmen keine staatlichen Aufgaben wahr, allenfalls öffentliche; sie verfügen weder über Gebietshoheit noch besteht eine Pflichtmitgliedschaft; sie unterliegen aufgrund der Trennung von Staat und Kirche nicht staatlicher Rechtsaufsicht und sie reklamieren für sich, grundrechtsfähig zu sein. Der ihnen zuerkannte KdöR-Status ist eine deutsche Besonderheit.
Nach der Novemberrevolution von 1918 wurden mit der Monarchie auch Teile der staatskirchlichen Strukturen beseitigt. Hinsichtlich des Körperschaftsstatus wurde zwischen Sozialdemokratie und Zentrum ein Kompromiss geschlossen: WRV Art. 137, Abs. 5
„Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts“. Im Grundgesetz ist die Regelung inkorporiert.
Neben die „geborenen“ treten heute zunehmend „gekorene“ Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus sind gering; zuständig sind die Bundesländer. Kriterien sind die Gewähr der Dauer und die Rechtstreue.
Der Körperschaftsstatus wird an Bekenntnisorganisationen bzw. einzelne Gemeinden verliehen. Allein in NRW gibt es über 40 derartiger religiös-weltanschaulicher Körperschaften.
Staatliche Versuche, die Verleihung dessen ohne gesetzliche Änderung willkürlich an zusätzliche Kriterien zu knüpfen, sind bislang gescheitert. Versuche, den Antrag der Wachturmgesellschaft („Zeugen Jehovas“) auf Anerkennung als Körperschaft zu verweigern, scheiterten letztlich vor Gericht. Die ministerialbürokratisch vorgebrachten vermeintlichen Hinderungsgründe, so z.B. die Aufforderung an die eigenen Mitglieder, sich nicht an staatlichen Wahlen zu beteiligen, oder ein Rekurs auf ein religiös legitimiertes elterliches Züchtigungsrecht, wurden gerichtlich als durch die Religionsfreiheit geschützt und für die Anerkennung als KdöR unerheblich eingestuft.
Religiös-weltanschauliche Körperschaften haben besondere Rechte: KdÖR handeln „öffentlich-rechtlich“ (zuständig sind nicht Zivilgerichte, sondern Verwaltungsgerichte), ihre Beschäftigten befinden sich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis („Kirchenbeamte“), sie haben das Recht, ihre Mitgliedsbeiträge als Kirchensteuer zu erheben, sie haben ein Parochialrecht und sind Insolvenzunfähig.
Zusätzlich genießen religiös-weltanschauliche Körperschaften besondere Privilegien: sie können Immobilienhandel ohne staatliche Kontrolle betreiben, sie haben Drittsenderechte im Rundfunk, sie sind von Steuer und Gebühren befreit, sie haben Posten in Gremien (vom städtischen Jugendhilfeausschuss bis zur Bundesprüfstelle und dem Ethikrat.
Zuwanderern fehlt eine rechtzeitige Aufklärung darüber, dass eine vermeintlich harmlose Angabe zum Punkt "Religion" bei hiesigen Behörden automatisch zu der ihnen ja völlig unbekannten Mitgliedschaft in der Kirchensteuergemeinschaft mit allen Rechtsfolgen (Kirchensteuerpflicht) führen kann. Der Staat müsste hier endlich das explizite Beitrittsprinzip als Rechtsnorm setzen. Außerdem ist der staatliche Einzug der Kirchensteuer abzuschaffen. Der kircheneigene Beitragseinzug klappt in Bayern bereits sehr gut.
Der Körperschaftsstatus führt zu „Wettbewerbsvorteilen“. Religionsgesellschaften agieren nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie alle anderen zivilgesellschaftlichen Akteure.
Insofern dem Staat Kosten durch die Beauftragung mit deren Mitgliederverwaltung (Taufregistrierung/Beitritte, Kirchenaustritt) seitens der Kirchensteuergemeinschaften entstehen, sind diese nicht bei den Bürger*innen, sondern bei der Kirchensteuergemeinschaft zu erheben. Auch deshalb werden wir die Kirchenaustrittsgebühren abschaffen. Zudem ist sicherzustellen, dass die Bürger*innen dauerhaft von ihnen veranlasste Veränderungen ihres Mitgliedsstatus bescheinigt bekommen können.
Eine Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften ist auch bei extensiver Ausweitung der Vergabepraxis des KdöR-Status nicht möglich.
Eine Verknüpfung der Gewährung des Körperschaftsstatus an inhaltliche Punkte ist weiterhin nicht möglich.
Aufgrund der nichtkirchlichen Organisationsform im islamischen Bereich, ist das bisherige Modell so nicht übertragbar, jedenfalls nicht auf die existenten Dachverbände. Mit allen Moscheegemeinden einzeln Verträge zu schließen wäre hingegen unpraktikabel.
Auch eine Debatte um etwaige Gesetzestreue wäre in vielen Fällen dringend notwendig, zugleich aber fragwürdig, wenn sie nur bei islamischen Organisationen geführt würde.
Selektiv ist es, zwar richtigerweise DITIB als einer de facto dem türkischen Staat zuzuordnenden Einrichtung (DIYANET) zu identifizieren und dies hinsichtlich eines KdöR-Status problematisch zu finden, aber die damit implizierte Folge hinsichtlich des Zusammenhangs von römisch-katholischer Kirche und Vatikan schlicht zu ignorieren.
Manche Grüne erklären, dass sie von islamischen Organisationen „erwarten“, dass diese Frauen und Männer gleichberechtigt behandeln, aber die identische Forderung wird nicht angewendet auf die katholische Kirche. Zur Trennung von Staat und Religion gehört auch der Verzicht des Staates auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Religionsgemeinschaften. Davon ist ein innergesellschaftlicher kritischer Diskurs zu unterscheiden.
Evidenterweise kann der Staat nur dort Kriterien legitim definieren, wo er als Gesetzgeber gefragt ist. Er muss alle Akteure gleich behandeln. Er kann keine Glaubensinhalte definieren, bevorzugen, oder benachteiligen.
Der Körperschaftsstatus für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bedingt eine systematische Ungleichbehandlung mit schwerwiegenden Folgen für die Grundrechtsfreiheit von Gemeinschaftsangehörigen und Gemeinschaftsfremden. Er gehört daher auf den Prüfstand. Zumindest ist zu prüfen, welche Reformen unterhalb der Schwelle der Verfassungsänderung möglich sind, um Missstände abzubauen.
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