Persönliche Entwicklungschancen werden in Deutschland immer noch zu sehr von der Herkunft bestimmt. Unser Ziel ist es, die Potentiale aller Menschen in unserem Land zu aktivieren und sie damit zu befähigen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es sich vorstellen und wünschen. Um dies zu erreichen, brauchen wir Investitionen in Bildung, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und gut ausgestattete Schulen. Dafür ist eine auskömmliche finanzielle Grundlage notwendig. Diese Grundlage können wir insbesondere schaffen, wenn wir die Steuererhebung verbessern und Steuerschlupflöcher schließen, wie es dieser BDK-Antrag zu Recht fordert.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird dann verstärkt, wenn alle ihren fairen, an der Leistungsfähigkeit orientierten Beitrag zum Gemeinwesen beitragen. Die allermeisten Menschen, die vielleicht etwas Zinsen auf ein Guthaben erhalten oder bei denen noch vor Überweisung von Lohn und Gehalt die Steuern einbehalten werden, haben ein Recht darauf, dass der Staat auch bei jenen genau hinschaut, die über große Vermögen verfügen, hohe Einkommen erzielen oder Steuersparmodelle nutzen. Niemand darf über dem Gesetz stehen und sich der solidarischen Finanzierung des Gemeinwesens entziehen, sonst erodiert der gesellschaftliche Zusammenhalt sehr schnell. Das ist eine elementare Frage der Steuergerechtigkeit. Es geht in der Steuerpolitik auch darum, das öffentliche Vertrauen darin zu stärken, dass in unserem Land breite Schultern eine größere Last als schmale tragen. Wir stehen zu dem aus der Verfassung abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, der eine umverteilende Wirkung des Steuerrechts ausdrücklich vorgibt.
Niemand darf sein Vermögen steuerfrei in Panama oder in anderen Steueroasen verstecken und sich so der solidarischen Finanzierung der Gemeinschaft entziehen. Öffentliche Leistungen zu nutzen, aber dafür nicht zahlen zu wollen, das darf die Politik nicht hinnehmen. Deshalb werden wir Steuervermeidung und -hinterziehung konsequent bekämpfen. Dazu soll auch ein Personalausbau in den Finanzämtern beitragen. Betriebsprüfer*innen und Steuerfahnder*innen leisten einen wichtigen Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Auch mit der Übertragung der Steuerkompetenz für große multinationale Unternehmen und sehr reiche Privatpersonen auf eine Spezialeinheit auf Bundesebene wollen wir die Steuererhebung verbessern und damit eine verlässlichere und fairere, der Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung erreichen. Eine besonders wichtige Aufgabe kommt beim Kampf gegen Steuervermeidung der Europäischen Kommission zu, da dieser Kampf nur grenzüberschreitend gewonnen werden kann. Wir begrüßen deshalb die verstärkten Anstrengungen der Europäischen Kommission aus jüngster Zeit, wie zum Beispiel die geforderten Steuernachzahlungen von Apple in Milliardenhöhe.
Wir werden gemeinsam mit relevanten Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft prüfen, welche Instrumente wirksam sind um die Schere zwischen Arm und Reich zu verkleinern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Dabei wollen wir auch untersuchen, wie hohe Privatvermögen stärker besteuert werden können, ohne Investitionen und Arbeitsplätze zu gefährden oder eine Substanzbesteuerung zu riskieren. Die Vermögenssteuer halten wir nicht für das richtige Instrument, um diese Ziele zu erreichen. Außerdem gibt es große Zweifel, dass sie unter diesen Bedingungen verfassungsgemäß ausgestaltet werden kann.
Die (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer wäre nicht der richtige Weg, um die Chancengleichheit in unserem Land zu verbessern. Eine nur auf Privatvermögen beschränkte Vermögensteuer, die Investitionen und Arbeitsplätze nicht gefährden würde, erscheint nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die zur Aussetzung der Vermögensteuer geführt hat, höchst fragwürdig.
Bei einer (Wieder-)Einführung müsste die Vermögensteuer zwingend an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert werden. Steuerpflichtiges Vermögen jeder Art bzw. der Wert aller Betriebe müsste laufend mit dem aktuellen, häufig schwankenden, Wert erfasst werden. Dies würde zu einem erheblichen Verwaltungs-, Personal- und Kostenaufwand für die Verwaltung und zu hohen Unsicherheiten für die betroffenen Bürger*innen führen.
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden Unternehmen bei der Einführung einer Vermögensteuer erheblich ins Ausland abwandern oder ihre Firmensitze verlagern. Damit würde das Aufkommen anderer Steuerarten wie der Einkommens- oder Gewerbesteuer deutlich geschmälert. Mittelbar sind Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet oder werden abgebaut, denn Investitionen hier am Standort wären für Unternehmen deutlich weniger attraktiv. Nur sehr wenige Länder erheben eine allgemeine Vermögensteuer, in der Europäischen Union nur Frankreich, Luxemburg und Spanien. Eine Vermögenssteuer würde in unserem Land deshalb letztlich insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen treffen, die ihre Investitionen nicht ins Ausland verlagern können. Und gerade diese Unternehmen bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft. Das DIW empfiehlt deshalb auch, eine Vermögensteuer nur international abgestimmt wieder einzuführen und mit dem weiteren Abbau von Steuergestaltungsmöglichkeiten einhergehen zu lassen.
Bereits eine laufende Vermögensbesteuerung von 1 Prozent auf den Wert eines Unternehmens entspricht bei einer Rendite von 3 Prozent einer erheblichen zusätzlichen Belastung der Erträge von 33 Prozent. Zusammen mit der ertragsteuerlichen Belastung würde dadurch eine Gesamtbelastung von weit über 50 Prozent erreicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht seinen Halbteilungsgrundsatz in späteren Verfahren nicht bestätigt. Eine Übermaßbesteuerung muss aber verfassungsrechtlich vermieden werden. Die Vermögensteuer fiele zudem auch an, wenn ein Unternehmen Verluste macht. Damit würden sich für Unternehmen in schwierigen wirtschaftlichen Situationen die Probleme weiter verschärfen. Insbesondere Unternehmen mit risikoarmen Geschäftsmodellen mit niedrigen Renditen würden besonders belastet.
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