Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Oliver Krischer (KV Düren) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.09.2016, 14:22 |
V-38: Erdgaspipeline Nord Stream – Schritt zur Schwächung Europas und energiepolitisch nicht notwendig
Antragstext
Der russische Staatskonzern Gazprom plant den Bau von zwei weiteren Pipelines entlang der
bestehenden Nord-Stream-Leitungen als „Nord Stream 3&4“. Damit soll die Kapazität für den
direkten Erdgas-Transport von Russland nach Deutschland durch die Ostsee auf 1.200 km um 55
Mrd. Kubikmeter pro Jahr erweitert werden. Dabei sind die bestehenden beiden Leitungen nur
zu 70 Prozent ausgelastet. Ursprünglich wollte ein Konsortium unter Beteiligung deutscher
Firmen wie Uniper und Wintershall die Pipeline bauen. Die Unternehmen haben ihre
fusionskontrollrechtliche Anmeldung bei der polnischen Wettbewerbsbehörde nun zwar
zurückgezogen, wollen aber weiter prüfen, wie sie den Bau unterstützen. Währenddessen
schafft Gazprom weiter Fakten zum Bau um ihren Gasabsatz in Europa zu steigern. Doch die
Pipeline ist im Ergebnis ein Deal zu Lasten der Energiewende, der Energieunabhängigkeit -
vor allem aber der Europäischen Integration, denn es konterkariert die Ziele der
europäischen Energieunion.
Anstatt der erhofften Diversifizierung und Verbesserung der Versorgung der EU bringt Nord
Stream 3&4 neue Abhängigkeiten von russischem Erdgas. Acht Milliarden Euro werden in eine
fossile Energieinfrastruktur investiert, aus der die Welt mit dem Paris-Abkommen eigentlich
aussteigen will. Weitere Kosten werden auf den deutschen Steuerzahler durch die notwendige
Erweiterung des deutschen Erdgasnetzes zukommen. Dieses Geld fehlt dann für Investitionen in
Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Pipelinekapazitäten von Russland nach Europa
gibt es genug, nur laufen sie nach Vorstellung des Kreml durch die falschen Staaten: Mit
Nord Stream 3&4 würde weit weniger Gas durch die Ukraine fließen. Damit fallen die für die
Ukraine wichtigen Transitgebühren weg, was eine weitere Destabilisierung des Landes
bedeutet. Das kann nicht im Interesse Deutschlands und Europas sein. Für süd- und
osteuropäische Länder bedeutet Nord Stream 3&4 ein Weniger an Versorgungssicherheit. Die
Leitungen sind damit ein K.O.-Schlag für eine gemeinsame EU-Energieaußenpolitik und macht
die ins Leben gerufene EU-Energieunion zum Torso.
Nord Stream 3&4 führt nicht zu einem wettbewerbsorientierten, transparenten und fairen
Gasmarkt. Es drängt Konkurrenten, die Europa z. B. über die vorhandenen LNG-Terminals
beliefern könnten, vom Markt. Gazprom setzt alles daran, Kontrolle über die gesamte
Gasversorgungskette zu erlangen, wie bereits Übernahmen von wichtigen Erdgasknotenpunkten in
Österreich und Erdgasspeicheranlagen in Deutschland und den Niederlanden zeigen.
Nord Stream 3&4 bringt nicht mehr Versorgungssicherheit für die EU. Dennoch unterstützt die
Große Koalition das Projekt aktiv, während sie gleichzeitig die Verlängerung der Sanktionen
gegen Russland mitbeschließt. Das ist nicht nur bigott sondern ein weiterer Spaltpilz für
Europa. Wer sich Klimaschutz und Energiewende auf die Fahnen geschrieben hat, darf keine
Milliardeninvestitionen in fossile Strukturen eines Autokraten ermöglichen – so wie es diese
Bundesregierung tut. Sie ermöglicht Russland durch ihren Gasverkauf Militärausgaben – denn
ein großer Teil des russischen Staatshaushaltes und damit auch der Militärausgaben wird über
den Gasexport finanziert. Eine stärkere Abhängigkeit an das russische Erdgas über North
Stream 3&4 würde damit die Militäroperation Russlands in Syrien und anderswo stärken. Das
darf weder Deutschland noch die EU wollen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich gegen den Ausbau der Nord-Stream Pipeline durch
die Ostsee auszusprechen und auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass das Projekt gestoppt
wird. Denn alle geopolitischen, energiepolitischen und klimapolitischen Gründe sprechen
dagegen. Die Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) begrüßt die von der Bundestagsfraktion Bündnis
90/Die Grünen bereits in einem Antrag im Mai 2016 geforderten Maßnahmen und fordert die
Bundesregierung auf, diese schnellstmöglich umzusetzen. Was wir brauchen ist eine
Diversifizierung der Erdgasbezugsquellen und vor allem Investitionen in eine Reduzierung des
Erdgasverbrauchs, denn über 90 Prozent des importierten Gases werden in oft ineffizienten
Heizungs- oder Industrieanlagen verbrannt. Doch bei der Energieeffizienz versagt die
Bundesregierung kläglich.
Weitere Antragsteller*innen
- Annalena Baerbock (KV Potsdam)
- Robert Habeck (KV Flensburg)
- Rebecca Harms (KV Lüchow-Dannenberg)
- Bärbel Höhn (KV Oberhausen)
- Omid Nouripour (KV Frankfurt/Main)
- Georg P. Kössler (KV Berlin-Neukölln)
- Marieluise Beck (KV Bremen Mitte-östliche Vorstadt)
- Manuel Sarrazin (KV Hamburg-Harburg)
- Michael Schäfer (KV Berlin-Mitte)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Reiner Priggen (KV Aachen)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Lino Klevesath (KV Göttingen)
- Andrea Rieger (KV Dahme-Spreewald)
- Wolfgang Renner (KV Spree-Neisse)
- Kristian Petrick (KV Berlin-Mitte)
- Bernd Frieboese (KV Berlin-Reinickendorf)
- Gilbert Sieckmann-Joucken (KV Segeberg)
- Werner Weindorf (KV München Stadt)
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