Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | EV Energie- und Verkehrswende |
Antragsteller*in: | Jutta Paulus (KV Neustadt/Weinstraße) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.09.2016, 19:05 |
EV-07(vormals V-62): Klimaschutz beschleunigen, CO2-Steuer einführen
Antragstext
Um die Kosten der Klimaerwärmung in den Preisen sichtbar zu machen, fordern Bündnis 90/Die
Grünen, den Emissionshandel durch eine CO2-Steuer zu ergänzen, die
mit 30 €/t CO2 beginnt
jedes Jahr um 5 €/t CO2 angehoben wird
an der Quelle erhoben wird (Förderung oder Import fossiler Energieträger)
beim Import von (Halb-)Fertigprodukten aus Ländern ohne CO2-Besteuerung durch einen
Importzoll abgebildet wird
die Exporte mit einer Steuergutschrift wettbewerbsfähig hält
Die Einnahmen aus der Steuer sollen an die Bürger*innen zurückfließen. Das können wir
erreichen, indem wir mit einem Teil der Einnahmen die Lohnbelastung mit Abgaben und
Steuernverringern, und den anderen Teil als Energiegeld pro Kopf ausschütten. Damit werden
auch energie-sparsame Bürger*innen belohnt, die kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit
beziehen. So können wir die CO2-Steuer zum Vorbild für andere EU-Staaten machen, um dem Ziel
einer europaweiten Verbreitung der Steuer näherzukommen.
Die Besteuerung der Treibhausgase wird den Europäischen Emissionshandel ergänzen und ihn,
wenn er weiterhin erfolglos bleibt, langfristig ersetzen.
Die CO2-Steuer soll auf den Kohlenstoffgehalt der Rohstoffe erhoben werden. Indem sie die
Treibhausgas-Quelle besteuert, ermöglicht sie auf einfache Weise, Produkte gemäß ihrer
Klimabelastung zu besteuern. Bei importierten Produkten werden entsprechend die bei der
Herstellung entstandenen CO2-Emissionen besteuert. Vorhandene Steuern mit dem gleichen Zweck
können reduziert, abgebaut oder verrechnet werden. Subventionen, die die Emissions-
Besteuerung unterlaufen, müssen gestrichen werden. Exporte erhalten eine Steuergutschrift
für das Importland.
Die CO2-Steuer soll für die Wirtschaft die zukünftige Belastung durch Klimaabgaben
langfristig kalkulierbarer machen, damit Investitionen in Energieeffizienz verlässlich
kalkuliert werden können.
Sie ist ein Lenkungsinstrument, das Wirtschaft und Konsument*innen ein Preissignal gibt. Die
stufenweise steigende CO2-Steuer ermöglicht es Produkteigenschaften und Konsumverhalten
schrittweise anzupassen. Sie setzt deutliche Anreize für Energieeffizienz und
Energieeinsparung. Für die Bundesregierung eröffnet sich damit die Möglichkeit, die
vereinbarten Klimaziele von Paris und in der EU zu erreichen. Die daraus entstehenden
Belastungen und Chancen werden sozial gerecht verteilt. In allen Wirtschaftszweigen werden
klimafreundliche Innovationen angeregt.
Mit der Exportgutschrift werden andere Staaten dazu ermuntert, ähnliche Steuern zu erheben.
Begründung
Eine breite Allianz von Volkswirt*innen und Politiker*innen sieht in einer CO2-Steuer das einzige wirklich wirksame Instrument, um die Emissionen zu verringern. Auf dem Klimagipfel in Paris 2015 warb Jim Yong Kim erneut für die Weltbank-Initiative einer globalen CO2-Bepreisung; neben Frankreichs Präsident Hollande und Kanadas Premier Trudeau votierte auch Kanzlerin Merkel dafür. Auch der Chef-Volkswirt des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Otmar Edenhofer, ist mittlerweile vom Gegner zum Befürworter der Steuer geworden.
Mit der Einführung des europäischen Emissionshandels war die Hoffnung verbunden, dass ein marktwirtschaftliches Instrument für die Umsetzung von Klimaschutz zu möglichst günstigen Preisen sorgen würde. In der Realität jedoch wurden nicht nur zu viele Zertifikate anfangs kostenlos zugeteilt; es wurden auch „Minderungsmaßnahmen“ anerkannt, die keinerlei realen Hintergrund hatten. Im Lauf der Jahre wurden Zertifikate vom Markt genommen und Anrechnungsmöglichkeiten in Drittländern eingeschränkt. Das Herumdoktern an diesen Symptomen ändert jedoch nichts am Grundproblem: die angesichts des fortschreitenden Klimawandels viel zu hoch angesetzten „erlaubten“ Emissionen werden in jedem Fall ausgeschöpft, eine Übererfüllung der seinerzeit gesteckten Minderungsziele ist nicht möglich. Dass in Deutschland mittlerweile mehr als 30 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, hat auf die Emissionen der gesamten EU aus genau diesem Grund keinen Einfluss. Große Bereiche der deutschen Emissionen wie zum Beispiel Verkehr und Gebäudewärme werden vom Emissionshandel nicht erfasst. Wir brauchen auch hier verlässliche Preissignale, die zur Einführung sparsamerer Technologien führen.
Die Berechnung des New Climate Institute vom Februar 2016 zeigt auf, dass die deutschen Emissionen viel schneller sinken müssen als von Schwarz-Rot geplant, wenn wir eine Chance haben wollen, die 2 °C-Grenze nicht zu überschreiten. Für 1,5 °C müssen unsere Anstrengungen noch weit darüber hinaus gehen: bis 2035 müssten alle Sektoren (Strom, Wärme und Mobilität) mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden. Dass die bisherigen Maßnahmen dafür nicht ausreichen, liegt auf der Hand. Wir sind es unseren Kindern und Enkeln, aber auch den Menschen, die von der globalen Erwärmung noch viel stärker betroffen sein werden als wir, schuldig, neue Wege zu mehr Klimaschutz zu suchen.
Das Klimaabkommen von Paris verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimaerwärmung unter 2 °C zu halten. Die Begrenzung auf unter 1,5 °C ist nach dem Vertrag nicht verpflichtend, aber aus ethischen wie auch aus vernünftigen Gründen anzustreben.
Die Emissionen Deutschlands sind seit dem Bezugsjahr 1990 bereits um 27 % gefallen. Allerdings ist dies vorwiegend auf den Zusammenbruch der emissionsintensiven Wirtschaft der ehemaligen DDR zurückzuführen. Das deutsche Klimaziel von 40 % Reduktion bis zum Jahr 2020 wird aller Voraussicht nach nicht erreicht. Der Klimaschutzplan der schwarz-roten Bundesregierung enthält keine konkreten Maßnahmen, die die nach dem Pariser Vertrag notwendigen Einsparungen bewirken könnten. Dasselbe gilt für das Vorgehen auf EU-Ebene: das Festhalten am ineffektiven und betrugsanfälligen Emissionshandel verhindert Effizienzmaßnahmen und entfaltet keine Lenkungswirkung. Zudem wird nur ein Teil des Treibhausgasausstoßes durch den Emissionshandel erfasst.
Die vorhersagbare Belastung der Energierohstoffe erlaubt es der Industrie und Gewerbetreibenden, nachfragegerecht zu reagieren. Effizienzprojekte können sicher durchgerechnet werden, wo bisher der Emissionshandel mit seinen fluktuierenden Preisen die Kalkulation erschwerte.
Solange die Europäische Union sich diesem wirksamen Steuerinstrument verweigert, sollte die Bundesrepublik Deutschland dem Vorbild Schwedens und der Schweiz folgen und eine nationale CO2-Steuer einführen. Für Branchen, die dem europäischen Emissionshandel unterliegen, wird die Steuer um den Preis der Emissionszertifikate gekürzt.
Weitere Antragsteller*innen
- Jochen Marwede, KV Kaiserslautern-Land
- Dietrich von Tengg-Kobligk, KV Tempelhof-Schöneberg
- Ekkehard Darge, KV Kassel Stadt
- Claudia Laux, KV Bernkastel-Wittlich
- Tobias Balke, KV Charlottenburg-Wilmersdorf
- Stephan Wiese, KV Stormarn
- Birgit Markus, KV Kaiserslautern-Land
- Luca Brunsch, KV Kiel
- Philipp Schmagold, KV Kiel
- Karl-Wilhelm Koch, KV Vulkaneifel
- Marcel Ernst, KV Göttingen
- Markus Königsdorfer, KV Unterallgäu
- Ulrich Bock, KV Mayen-Koblenz
- Kristian Petrick, KV Berlin-Mitte
- Andreas Markus, KV Kaiserslautern-Land
- Ralf Henze, KV Odenwald-Kraichgau
- Thomas Reimeier, KV Lippe
- Peter Kallusek, KV Südliche Weinstraße
- Christoph Fuhrbach, KV Neustadt/Weinstraße
Änderungsanträge
- EV-07/01 (Annalena Baerbock (KV Potsdam), Eingereicht)
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