Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | SO Sozialer Zusammenhalt |
Antragsteller*in: | BAG Frieden & Internationales (dort beschlossen am: 25.09.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.09.2016, 13:32 |
SO-03 (vormals V-16): NO JUSTICE, NO PEACE – Globalen Zusammenhalt stärken!
Antragstext
Gerechtigkeit endet nicht an den Grenzen von Ländern oder Kontinenten. Internationale
Gerechtigkeit ist eine Grundvoraussetzung für Frieden, sowohl im engeren Sinne der
Abwesenheit kriegerischer Gewalt als auch im weiteren Sinne einer friedvollen,
wohlgeordneten Kooperation der Menschen.
Die fortdauernde krasse politische, ökonomische, ökologische und soziale Ungerechtigkeit der
Weltordnung trägt in vielerlei Hinsicht zu Krieg und Gewalt bei. Sie ist in erster Linie
lebensbedrohlich für die Machtlosen. Aber auch in den mächtigen, privilegierten Staaten des
Westens führt sie dazu, dass das Sicherheitsempfinden der Bürger*innen schwindet und eine
repressive Innenpolitik befördert wird. Auch wird so die Kooperationsbereitschaft der
Staaten gemindert.
Internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen (VN), der Internationale
Strafgerichtshof (IStGH) oder die Weltbank stellen einerseits einen großen Fortschritt in
der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen dar; andererseits schreiben ihre
vermachteten Strukturen historisch gewachsene Ungerechtigkeiten fort. Eine an Gerechtigkeit
orientierte Politik muss deshalb darauf zielen, diese Institutionen sowohl zu stärken als
auch zu reformieren. Gerade in Zeiten, in denen das Völkerrecht, insbesondere von
hochgerüsteten Staaten, zwar viel im Munde geführt aber selten geachtet wird, bedarf es
unserer Anstrengungen, es zu erhalten, zu stärken und weiterzuentwickeln.
Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist in Deutschland ein grundgesetzlich
verankertes Staatsziel; es ist ein Erfordernis globaler Gerechtigkeit, diesen Anspruch auf
die gesamte Menschheit auszudehnen. Die ökonomische Weltordnung trägt diesem Prinzip in
keiner Weise Rechnung; im Gegenteil sind die bestehenden Institutionen darauf ausgelegt, die
bestehenden wirtschaftlichen Ungleichheiten aufrechtzuerhalten. Hier sind wesentlich
ambitioniertere Reformanstrengungen erforderlich.
Die Entscheidungsgremien zentraler ökonomischer Institutionen wie Weltbank und der
internationale Währungsfond (IWF) müssen demokratisiert werden. Auch die
Welthandelsorganisation (WHO) ist dringend reformbedürftig. Bisher stand sie für einseitige
Handelsliberalisierung und Deregulierung und versäumte es Handelspolitik mit international
verbindlichen Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt in Einklang zu bringen.
Entwicklungsländer müssen die Möglichkeit erhalten, ihre heimische Wirtschaft zu schützen,
insbesondere damit diese Länder ihre Ernährungssouveränität sichern können. Darüber hinaus
müssen die Zölle in der EU auf verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern abgeschafft und
marktverzerrende EU-Subventionen abgebaut werden.
Die Zusammensetzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und insbesondere die
Privilegierung einzelner Staaten durch ein Vetorecht spiegelt die Machtkonstellationen zur
Mitte des vergangenen Jahrhunderts wieder; sie ist undemokratisch und aus der Zeit gefallen.
Eine Reform wird nicht einfach sein, doch sie muss immer wieder angemahnt werden. Der
Missbrauch des Vetos für die Partikularinteressen der ständigen Mitglieder kann nicht
juristisch verhindert, aber er muss politisch delegitimiert werden. Deutschland und die
Europäische Union (EU) sollten Reformbestrebungen unterstützen. Ein Ansatzpunkt dafür ist
die französische Initiative für einen freiwilligen Verzicht auf das Veto bei schweren
Gräueltaten. Auf keinen Fall darf Deutschland eine Reform der Vereinten Nationen durch
Ambitionen auf einen eigenen ständigen Sitz erschweren.
Die äußerst ungleiche Anwendung internationalen Rechts ist eine seiner größten Schwächen.
Auch Deutschland und die EU machen sich immer wieder dieser Ungleichbehandlung schuldig.
Völkerrechtsverstöße und Menschenrechtsverletzungen missliebiger Staaten werden verurteilt
und sanktioniert, während ebenso schwere Verbrechen von ‚Verbündeten‘ häufig stillschweigend
toleriert, politisch gedeckt oder gar durch Überflugrechte, Basennutzung und
Waffenlieferungen überhaupt erst möglich gemacht werden. Das Ergebnis ist eine massive
Schädigung des Völkerrechts, das deshalb in weiten Teilen der Welt als Recht der Stärkeren
wahrgenommen wird. Unser Ziel muss dagegen die Stärkung des Rechts sein, ohne die eine
friedliche Entwicklung der Welt kaum möglich ist.
Ein Fall massiven Rechtsbruchs auf internationaler Ebene, der uns auch als Europäer*innen
besonders betrifft, ist der mittlerweile von fast allen Seiten als illegaler und illegitimer
anerkannte Angriff auf den Irak 2003. Nachdem der britische Chilcot-Bericht noch einmal
umfassend und eindringlich die Verantwortungslosigkeit des Angriffs auf den Irak deutlich
gemacht hat und selbst führende Beteiligte wie der damalige stellvertretende britische
Premierminister zu dem Schluss gekommen sind, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg handelte, ist eine juristische Aufarbeitung überfällig. Wenn die nationalen
Gerichte dazu nicht willens oder in der Lage sind, sollten Deutschland und die EU sich dafür
einsetzen, dass die VN-Generalversammlung beim Internationalen Gerichtshof ein Gutachten
über die Legalität des Krieges einholt und der Internationale Strafgerichtshof seine
Zuständigkeit für im Rahmen des Krieges verübte Verbrechen ausübt.
Mit Palästina hat am 27. Juni 2016 der dreißigste Staat die Änderung des Römischen Statuts
zur Erweiterung der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs um das Verbrechen
der Aggression ratifiziert. Damit ist der Weg dafür frei, dass die Änderung ab 2017 durch
eine Zweidrittelmehrheit der Vertragsstaaten in Kraft gesetzt wird. Deutschland und die EU
sollten sich dafür einsetzen, dass dies frühestmöglich geschieht und dass weitere Staaten,
insbesondere die noch ausstehenden EU-Mitgliedstaaten, die Änderung ratifizieren. Damit
könnten in Zukunft auch die obersten Entscheidungsträger*innen auf internationaler Ebene für
Angriffskriege juristisch belangt werden. Dies würde internationales Recht stärken und zu
einem friedlichen Zusammenleben weltweit beitragen.
Begründung
erfolgt mündlich
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