Antrag: | Wir investieren in Gerechtigkeit (nur neue Zeilennummerierung) |
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Antragsteller*in: | Marina Ploghaus (KV Frankfurt) |
Status: | Von der Antragskommission geprüft |
Eingereicht: | 21.10.2016, 17:48 |
SO-01-NEU-017: Wir investieren in Gerechtigkeit (nur neue Zeilennummerierung)
Antragstext
Von Zeile 16 bis 20:
Bildungssystem mag besser sein als das vieler anderer Staaten, doch für echte ChancengleichheitChancengerechtigkeit sorgt es nicht. Immer noch entscheiden die familiäre Herkunft, Einkommen und Vermögen hierzulande maßgeblich über die Aufstiegschancen, und nicht primär Talent, Fleiß oder Ehrgeiz. Es sind mehr Männer und Frauen erwerbstätig als je zuvor. Doch zu viele von ihnen – vor allem Frauen – arbeiten schlecht bezahlt, befristet oder unfreiwillig in
Wir Grüne kämpfen für ein gerechtes Land, in dem jeder Mensch ein selbstbestimmtes Leben
führen kann. Ein Land, in dem sich jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft entfaltet und
dessen Wohlstand allen zugutekommt. In der Gesellschaft, die wir wollen, dient die
Wirtschaft dem Menschen und nicht umgekehrt. Unternehmen wirtschaften nachhaltig und zahlen
faire Löhne. Kein Mensch muss finanzielle Ängste vor Krankheit und Alter haben – ganz egal,
wie er versichert ist. Frauen haben die gleichen Rechte und Chancen wie Männer und Familien
haben Zeit füreinander. Der öffentliche Raum genießt höchste Wertschätzung, die öffentliche
Hand hat ausreichende Mittel für Kitas, Schulen und Universitäten; Spielplätze, Theater und
Sportanlagen; Straßen, Radwege und öffentlichen Nahverkehr. Um diesen Zielen näher zu
kommen, haben wir ein Programm für nachhaltige Investitionen, gezielte Entlastungen, soziale
Sicherung und gerechte Verteilung entwickelt.
Deutschland ist ein wohlhabendes Land – im Durchschnitt. Es gibt eine große Mittelschicht,
die weder arm noch reich ist und in Kommunen wohnt, die zwar nicht in Luxus schwimmen, aber
in der Lage sind, öffentliche Einrichtungen in guter Qualität vorzuhalten. Deutschland ist
aber auch ein ungleiches Land. Wohlstand und Chancen hängen zu sehr vom Elternhaus ab. Unser
Bildungssystem mag besser sein als das vieler anderer Staaten, doch für echte
ChancengleichheitChancengerechtigkeit sorgt es nicht. Immer noch entscheiden die familiäre Herkunft, Einkommen
und Vermögen hierzulande maßgeblich über die Aufstiegschancen, und nicht primär Talent,
Fleiß oder Ehrgeiz. Es sind mehr Männer und Frauen erwerbstätig als je zuvor. Doch zu viele
von ihnen – vor allem Frauen – arbeiten schlecht bezahlt, befristet oder unfreiwillig in
Teilzeit.
Reiches, armes Land
Arm und Reich driften in den letzten Jahren weiter auseinander und haben im Alltag immer
weniger Berührungspunkte. Die privaten Vermögen einiger sind enorm angestiegen. In kaum
einem Land der Euro-Zone ist die Vermögensungleichheit größer. Die breite Mehrheit steht
wirtschaftlich da, wo sie vor 20 Jahren auch schon stand. Viele Geringverdiener haben sogar
verloren. Die Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau, obwohl die Reallöhne seit
2010 steigen. Wir erleben eine Rückkehr zu überwunden geglaubten Zuständen. Die soziale
Mobilität nimmt ab und die Unterschiede zwischen „oben und unten“ verfestigen sich. Die
eingeschränkte Teilhabe von Vielen und eine enorme Konzentration des Wohlstandes bei Wenigen
werden zu einer sich verschärfenden strukturellen Machtfrage. Zu viel Reichtum in den Händen
weniger Leute gefährdet die wirtschaftliche Dynamik und nährt Fehlinvestitionen und
Preisblasen auf den Finanzmärkten.
Unser Land hat die wirtschaftlichen Möglichkeiten, allen, die hier leben, gleiche Chancen
und eine faire Teilhabe an Wohlstand und Lebensqualität zu bieten. Doch gefühlte und erlebte
Ungerechtigkeiten gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie. Es
sind auch unsichtbare Mauern in und zwischen den Wohnvierteln, die unsere Gesellschaft
spalten. Hier die Problemschule im sozialen Brennpunkt, da das Elitegymnasium in bevorzugter
Lage. In manchen Regionen sind die öffentlichen Gebäude frisch saniert und das Internet
kommt in Spitzengeschwindigkeit überall an. Ein paar Kilometer weiter zerfällt die
Infrastruktur, sind Schulen in einem jämmerlichen Zustand und das Stadtbad bereits seit
Jahren geschlossen. Die Erzieherin, der Pfleger oder die Polizistin müssen trotz ihrer
gesellschaftlich wertvollen Arbeit mit vergleichsweise niedrigen Einkommen über die Runden
kommen. Investmentbanker und Spitzenmanager streichen dagegen Millionen an Gehältern und
Boni ein, selbst wenn sie Werte vernichten.
Gerechtigkeit ist zentraler Grundsatz für uns GRÜNE. Dieser Anspruch strahlt für uns in alle
Politikbereiche aus. Wie wir leben, hat Auswirkungen auf die Chancen der Menschen in anderen
Teilen der Welt. Deshalb entspricht es unserem Verständnis von Gerechtigkeit, dass Menschen
nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt eine Chance auf eine lebenswerte Gegenwart
und Zukunft haben. Gerechtigkeit bedeutet für uns, auch künftigen Generationen eine intakte
und lebenswerte Welt zu übergeben, in der sie selbstbestimmt leben können. In der vernetzen
Welt des 21. Jahrhunderts kann und sollte soziale Sicherung nicht ausschließlich im
nationalen Rahmen gedacht werden. Soziale Gerechtigkeit ist auch ein zentrales Thema für die
Solidargemeinschaft der Europäischen Union. In dem Antrag “Ja zu Europa, Mut zur
Veränderung“ führen wir auf, wie wir mit einem sozialen Europa, einem europäischen
Steuerpakt und einem Green New Deal das Leben auf unserem Kontinent besser gestalten können
als mit nationalen Alleingängen oder mit einer einseitigen Austeritätspolitik, die ohne die
notwendigen Reformen und Investitionen durchgesetzt wird.
Investieren, entlasten, teilen
Chancengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit sind für uns zwei Seiten derselben
Medaille, wenn wir die Teilhabe aller erreichen und verbessern wollen. Drei Ziele sind uns
besonders wichtig, um dieses Land für uns und für unsere Kinder lebenswerter zu machen.
Erstens wollen wir mehr in eine gute Zukunft unseres Landes investieren: In
Chancengerechtigkeit, in einen Bildungsaufbruch und in gute öffentlichen Einrichtungen. Wir
wollen jedes Kind bestmöglich fördern und echte Aufstiegschancen für alle ermöglichen. Dafür
brauchen wir vor allem handlungsfähige Kommunen. Dort müssen wir den Investitionsstau in
dreistelliger Milliardenhöhe auflösen und unsere Städte und Gemeinden in die Lage versetzen,
Kita-Plätze zu schaffen, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, Schwimmbäder, Theater und
Jugendzentren zu unterhalten.
Zweitens wollen wir Familien und Alleinerziehende gezielt finanziell entlasten und
unterstützen. Kinderarmut darf in einem reichen Land wie Deutschland ebenso wenig einen
Platz haben wie Armut im Alter. Wir brauchen ein soziales Sicherungsnetz, das wirkungsvoll
vor Armut schützt, ein gutes Leben im Alter ermöglicht und niemanden durchs Raster fallen
lässt. Wir stehen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes und
solidarisches Leben von Frauen und Männern ermöglicht. Wir wollen die großen Aufgaben
anpacken: eine wirklich solidarische Finanzierung der Renten- und Krankenkassen und eine
Modernisierung der sozialen Sicherungsnetze in Zeiten der Digitalisierung.
Drittens wollen wir, dass der gemeinsam erwirtschaftete Wohlstand in unserem Land fairer
geteiltwird.[1] Wir arbeiten für ein gerechtes Land und eine solidarische Gesellschaft. Dazu
müssen alle einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Wir kämpfen für
mehr Steuerehrlichkeit und eine gerechtere Besteuerung von sehr vermögenden Menschen. Wir
setzen uns dafür ein, dass Chancen und Vermögen gerechter verteilt und möglichst alle
Arbeitsverhältnisse gut und sicher ausgestaltet und fair entlohnt werden.
Wir investieren in gute Bildung
Der Zugang zu guter Bildung ist eine Voraussetzung, um allen Menschen die gleiche Teilhabe
und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ein gutes Bildungssystem, von den
Kindertagesstätten über die Schulen bis zu den Hochschulen und den
Weiterbildungsinstitutionen, ist daher eine Schlüsselfrage für Chancengleichheit in der
Zukunft. Das betrifft im Fall von Kitas und Schulen nicht nur die Kinder, sondern auch deren
Eltern, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Dabei sind insbesondere
Alleinerziehende auf gute öffentliche Einrichtungen angewiesen.
Der aktuelle Bildungsbericht von Bund und Ländern zeigt, dass Kinder, die es schwer haben,
in Kita und Schule immer mehr mit Kindern zusammen sind, die es ebenfalls schwer haben. Kita
und Schule müssen daher immer mehr ausgleichen, um Chancengerechtigkeit und gleiche
Startchancen zu ermöglichen. Dabei müssten gerade in Stadtteilen, in denen viele sozial
benachteiligte Menschen leben, Kitas und Schulen besonders gut ausgestattet werden. Nur so
schaffen wir es, dass Benachteiligte eine faire Chance bekommen und Mittelschichtsfamilien
nicht wegziehen, sobald ihre Kinder das schulpflichtige Alter erreichen. Doch Bund, Länder
und Kommunen investieren insgesamt zu wenig in ihre Bildungseinrichtungen. Die öffentlichen
Bildungsausgaben liegen unter dem OECD-Schnitt. Was die Förderung von Kindern und
Jugendlichen angeht, hinkt unser Land hinterher. Das wollen wir ändern. Wir halten an den
Zielen fest, 7 Prozent des BIP in die allgemeine Bildung und 3,5 Prozent in Forschung und
Entwicklung zu investieren.
Wir wollen das Kooperationsverbot im Bildungsbereich abschaffen. So wollen wir es dem Bund
wieder ermöglichen, gemeinsam mit den Ländern stärker und zielgenau in Bildung zu
investieren. Denn momentan darf der Bund die Bundesländer in der Bildungspolitik nicht
unterstützen. Das wollen wir korrigieren. Kitas und Schulen in Gebieten mit schwacher
Einkommensstruktur wollen wir vorrangig fördern. Die Schulsozialarbeit wollen wir ausbauen.
Ein bundesweites Kitaqualitätsgesetz soll sicherstellen, dass gute Startchancen nicht vom
Wohnort des Kindes abhängen und schon bei der frühkindlichen Bildung die Qualität gesteigert
wird. Unser Anspruch ist, dass Erzieherinnen und Erziehern tatsächlich genügend Zeit für die
Betreuung und Förderung jedes Kindes haben. Die Fachkraft-Kind-Relation sollte sich deshalb
an der Maximalgröße 1:4 für unter Dreijährige und 1:10 für über Dreijährige orientieren. Wir
wollen neuen Schwung für flächendeckend qualitativ hochwertige Ganztagsschulen. Dafür legen
wir ein neues bundesfinanziertes Schulsanierungsprogramm auf. Solange das Kooperationsverbot
besteht, entlasten wir die Kommunen 5 Jahre lang mit jährlich 2 Milliarden Euro, damit sie
das Geld in den Ganztagsschulausbau stecken können.
Echte Teilhabe braucht neben Lernförderung auch Sport, Musik und Kultur. Das aktuell
geltende Bildungs- und Teilhabepaket ist bürokratisch und wird gerade einmal von einem
Fünftel der berechtigten Kinder in Anspruch genommen. Bei der Lernförderung ist es sogar nur
jedes zehnte Kind. Darum wollen wir einen Teil des Bildungs- und Teilhabepakets durch frei
zugängliche sowie bundesweit garantierte Angebote an Kitas, Schulen, Musikschulen und
Vereinen ersetzen und den anderen Teil der Leistungen in den Regelsatz überführen, um
Familien nicht weiter mit bürokratischen Antragshürden von gesellschaftlicher Teilhabe
auszuschließen.
Unsere Schulen und Hochschulen brauchen eine soziale Öffnung. Wir wollen das Studieren
gerade für junge Menschen aus benachteiligten Familien und aus Nicht-Akademiker-Haushalten
erleichtern. Dazu wollen wir das BAföG erhöhen und es zum Zwei-Säulen-Modell
weiterentwickeln. Damit die Studienbedingungen besser werden und die Abbruchzahlen sinken,
statten wir den Hochschulpakt besser aus. Wir lehnen Studiengebühren ab und wollen das
Deutschlandstipendium abschaffen.
Wir wollen den Übergang von der Schule in die Ausbildung verbessern. Dazu gehört eine
Ausbildungsgarantie, um zu verhindern, dass junge Menschen weiter ziel- und planlos von
Maßnahme zu Maßnahme verschoben werden. Alle bekommen individuelle Angebote. Wer trotzdem
keine Lehrstelle findet, startet mit einer überbetrieblichen Ausbildung, die zu einem
anerkannten Berufsabschluss führt.
Regelmäßige Weiterbildung wird immer wichtiger, auch weil die Digitalisierung immer mehr
Arbeitsbereiche durchdringt. Wir wollen, dass alle ihr Wissen und ihre Kompetenzen
regelmäßig erweitern und auffrischen können. Deshalb können wir nicht hinnehmen, dass die
Hälfte der Erwachsenen in Deutschland – vor allem gering Qualifizierte,
Teilzeitbeschäftigte, Ältere und Menschen mit Einwanderungsgeschichte – bei der beruflichen
Weiterbildung außen vor bleiben. Wir wollen die berufliche Weiterbildung aller mit dem
Modell BildungsZeitPlus, einem individuellen Mix aus Zuschuss und Darlehen, finanziell
gezielt unterstützen. Wir wollen in allen Bildungseinrichtungen die digitale Teilhabe
verbessern.
Wir kämpfen für Lohngleichheit und eine eigenständige
Existenzsicherung von Frauen
Gerechtigkeit meint für uns GRÜNE auch immer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Wir
wollen eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes und solidarisches
Leben ermöglicht. Hier hat grüne Politik viel erreicht. Aber solange es ein Gefälle in der
Verteilung von Machtpositionen, Einkommen und Zeit zu Lasten von Frauen gibt, bleibt diese
Gerechtigkeitslücke bestehen.
Wir wollen die Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen beenden. Frauen verdienen im
Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Das ist nicht nur zutiefst ungerecht – damit ist
Deutschland auch europaweites Schlusslicht. Minijobs und ein fehlendes Rückkehrrecht auf
Vollzeit und vorherigen Stundenumfang sind weitere Hürden auf dem Weg zur
Gleichberechtigung. Dazu gehört für uns auch eine gerechte Bewertung von Arbeit und eine
gesellschaftliche Aufwertung von Berufen mit hohem Frauenanteil – also all jener Berufe, die
sich direkt um Menschen kümmern, sei es in der Pflege, in der Kita oder in sozialen
Projekten. Entgeltregelungen müssen überprüft werden, Entgeltdiskriminierungen wollen wir
beseitigen. Außerdem fordern wir ein Verbandsklagerecht, beispielsweise für Gewerkschaften,
damit Verbände stellvertretend für die Beschäftigten klagen können. Es muss sich für Frauen
insbesondere lohnen, mehr als nur geringfügig arbeiten, damit sie den Schutz der
Sozialversicherungen erhalten. Dafür wollen wir den gesamten Niedriglohnsektor reformieren,
prekäre Beschäftigung zurückdrängen und Minijobs durch sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse ersetzen.
Wir wollen Frauen und Männer in ihrem Wunsch unterstützen, sich die Sorge für ihre Kinder
und eine Erwerbstätigkeit partnerschaftlich zu teilen. Die ungleiche steuerliche Behandlung
von heute gelebten Familienformen wollen wir beenden. Unser Steuersystem soll kein Hindernis
dafür sein, dass Frauen sich eine eigenständige Existenzsicherung aufbauen und sich
beruflich so verwirklichen können, wie sie es wünschen.
Das Ehegattensplitting steht diesen Zielen im Weg. Es ist ungerecht, denn es erlaubt nur
einem Teil der Familien, Lebensphasen abzufedern, in denen eine Person weniger oder nichts
verdient. Das Ehegattensplitting ist nicht nachhaltig. Alleinerziehende oder Paare, die sich
den Verzicht auf ein zweites Einkommen nicht leisten können, haben nichts davon. Hinzu
kommt, dass die mit dem Ehegattensplitting geförderte Arbeitsteilung vor allem für Frauen
erhebliche Armutsrisiken birgt und langfristig alles andere als eine Absicherung ist. Eine
Frau, die keiner oder nur einer geringfügigen Erwerbsarbeit nachgeht und in dieser Zeit
zusammen mit ihrem Partner vom Splitting profitiert, steht nach der Scheidung oder Verlust
des Partners oft ohne eigene Alterssicherung da. Aus diesen Gründen wollen zur individuellen
Besteuerung übergehen und das Ehegattensplitting durch eine gezielte Förderung von Familien
mit Kindern und Alleinerziehenden ersetzen.
VARIANTE 1: Dabei soll für Paare, die nach einer Reform heiraten oder sich verpartnern, das
neue Recht gelten. Für Paare, die bereits verheiratet oder verpartnert sind, bleibt das alte
Recht mit Ehegattensplitting bestehen.
VARIANTE 2: Dabei soll für Paare, die nach einer Reform heiraten oder sich verpartnern, das
neue Recht gelten. Für Paare, die bereits verheiratet sind, wird die Individualbesteuerung
schrittweise in einem Übergangszeitraum von 10 bis 20 Jahren eingeführt.
Die Reform des Ehegattensplittings wird mit Verbesserungen bei den Leistungen für Familien
mit Kindern und Alleinerziehenden verknüpft, die sicherstellen, dass Ehen mit Kindern keine
Nachteile erfahren.
Wir wollen weiterhin anerkennen, dass Paare, sei es in der Ehe oder in einer
Lebenspartnerschaft oder einfach zu zweit, in vielfältiger Weise Verantwortung füreinander
übernehmen. Aufwendungen für den Lebensunterhalt sollen daher zumindest in Höhe des
Grundfreibetrags steuerfrei gestellt werden. Wenn beide Eltern arbeiten, entstehen
beispielsweise Kosten für die Betreuung der Kinder. Auch diese gemeinsamen Aufwendungen
sollen zugunsten beider Eltern steuerlich absetzbar sein. Es könnte darüber hinaus sinnvoll
sein, auch freiwillige Beiträge für die Altersvorsorge oder die Krankenversicherung
anzuerkennen.
Wir stärken Familien, unterstützen Alleinerziehende und
fördern Kinder
Wir wollen, dass alle Kinder gut aufwachsen und ihre Talente verwirklichen können. Doch
aktuell leben fast drei Millionen Kinder in Deutschland in Armut oder sind von Armut
bedroht. Jedes zweite davon lebt in einem Alleinerziehenden-Haushalt. Deutschland schafft es
nicht, Chancengerechtigkeit und echte Teilhabe aller von Anfang an zu ermöglichen. Das ist
zutiefst ungerecht. Dafür braucht es eine effektive Strategie, die unterstützende und
befähigende Infrastruktur und Geldleistungen klug miteinander kombiniert.
Alleinerziehende tragen heute das größte Armutsrisiko. Dabei gehören sie zu den
Leistungsträger*innen in unserem Land. Wir wollen, dass sie besser dabei unterstützt werden,
Erwerbsarbeit und Familie miteinander zu vereinbaren und ihre Kinder zu unterstützen. Allen
voran bedeutet das für uns, Kinderarmut effektiv zu bekämpfen. Die Regelbedarfe für Kinder
(und ihre Eltern) sollen so erhöht werden, dass sie deren Bedarf tatsächlich decken.
VARIANTE 1: Kindergrundsicherung. Wir stehen für die Familienvielfalt und eine gerechte
Familienförderung. Wir wollen die Benachteiligung von Alleinerziehenden und unverheirateten
Paaren abschaffen und Familien mit Kindern entlasten. Alle Kinder sollen künftig Anspruch
auf die gleiche materielle Förderung in Höhe des höchsten Regelsatzes für Jugendliche
(derzeit 306 Euro) haben – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Eltern mit höheren Einkommen
erhalten derzeit über die Kinderfreibeträge vom Staat eine höhere Unterstützung für ihr Kind
als Eltern mit Anspruch auf Kindergeld. Durch die Kindergrundsicherung sollen Kindergeld,
Kinderfreibeträge und Kinderregelsatz zu einer unbürokratischen Leistung zusammenfasst
werden. Diese Reform gilt für alle Neu-Ehen, alle Alleinerziehenden und unverheirateten
Paare. Die Kindergrundsicherung kombinieren wir mit der Reform des Ehegattensplittings.
Bestehende Ehen erhalten eine Günstigerprüfung vom Finanzamt und können die für sie bessere
Variante wählen: entweder das alte Ehegattensplitting inklusive Kinderfreibeträgen und
Kindergeld oder die Individualbesteuerung mit neuer Kindergrundsicherung. So wird keine
Familie schlechter, aber insbesondere Familien mit kleinen und mittleren
Einkommendeutlichbesser gestellt. Insbesondere Alleinerziehende profitieren von unserer
Kindergrundsicherung.
VARIANTE 2: Jedes Kind ist uns gleich viel wert, ganz gleich, in welcher Familienform es
aufwächst. Wir sorgen dafür, dass alle Kinder ein gesichertes Existenzminimum haben. Wir
bekämpfen effektiv Kinderarmut. Wir entlasten die Familien der Mittelschicht. Wir stärken
Alleinerziehende. Wir erreichen dieses Ziel durch einen einkommensabhängigen Bonus zum
Kindergeld (KindergeldBonus), so dass im Ergebnis bei allen Kindern ihr Existenzminimum
gedeckt ist. Aktuell hat der Bund diesen Mindestbedarf mit 384 Euro definiert. Wir bekämpfen
Kinderarmut, indem Familien mit kleinem Einkommen den Bonus in voller Höhe erhalten. Das ist
nicht nur eine eindeutige finanzielle Verbesserung, sondern auch unbürokratisch, da diese
Hilfe direkt geleistet wird. Damit Eltern nicht wegen ihrer Kinder in den Hartz IV Bezug
rutschen, gibt es bisher Hilfe nur auf Antrag. Diese Hürde nimmt heute aber nicht mal ein
Drittel der Berechtigten. Der Rest lebt de facto unter dem Existenzminimum in verdeckter
Armut. Damit ist in Zukunft Schluss. Wir bekämpfen Kinderarmut, indem wir zudem den
Kinderregelsatz so erhöhen, dass er die Bedarfe von Kindern für ein gutes Aufwachsen
wirklich deckt. Wir entlasten Familien der Mittelschicht, da der KindergeldBonus mit
steigendem Einkommen nur schrittweise und geringfügig sinkt. Kinder zu haben darf kein
Armutsrisiko mehr sein. Wir stärken Alleinerziehende, indem sie durch den KindergeldBonus
eine gerechte Absicherung ohne zeitliche Begrenzung erhalten. Alleinerziehende, die keinen
oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder erhalten, sind heute auf den Unterhaltsvorschuss
angewiesen. Den gibt es aber nur maximal 6 Jahre und nur bis die Kinder 12 Jahre alt sind.
Außerdem wird ihnen das Kindergeld voll abgezogen. All diese Ungerechtigkeiten werden durch
den KindergeldBonus beendet. Mit diesem Einstieg in die grüne Kindergrundsicherung wird
jedem Kind endlich sein Grundrecht auf eine würdige Existenz ermöglicht.
Der eigene, existenzsichernde Job ist immer noch die beste Absicherung gegen Armut. Häufig
ist der Weg dorthin aber für Alleinerziehende und gering verdienende Eltern sehr schwierig.
Deswegen sind sie in besonderem Maße auf verlässliche und gute Betreuungs- und
Bildungsangebote für ihre Kinder angewiesen. Aus- und Weiterbildungen in Teilzeit können ein
Weg für Alleinerziehende sein, wieder einen existenzsichernden Arbeitsplatz zu finden. Dabei
muss gewährleistet sein, dass in diesen Phasen das Existenzminimum von Alleinerziehenden und
ihren Kindern ohne großen bürokratischen Aufwand durch lückenlose Leistungen gesichert ist.
Wiedereinstiegshilfen nach der Babypause oder einer längeren Elternzeit wollen wir
verbessern.
Daneben bleibt eine finanzielle staatliche Absicherung für den Fall notwendig, dass kein
oder nur unvollständiger Kindesunterhalt geleistet wird. Wir wollen die Eltern nach einer
Trennung aber nicht aus der Verantwortung für ihre Kinder entlassen. Es ist wichtig, dass
die staatliche Unterstützung im Fall von ausbleibendem Kindesunterhalt vom
unterhaltspflichtigen Elternteil wirksam zurückgefordert wird.
Wir wollen es zudem Familien erleichtern, Kinder und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Zeitliche Engpässe ergeben sich nicht nur bei Familien mit Kleinkindern, sondern begleiten
Familien und Alleinerziehende bis die Kinder auf eigenen Füßen stehen. Wir wollen für mehr
Flexibilität und Entscheidungsspielräume sorgen, so dass Eltern und Alleinerziehende mit der
KinderzeitPlus partnerschaftliche Anreize für die Kinderbetreuung erhalten.
Wir wollen gute Arbeit und faire Löhne für alle
Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat zugenommen und die Nachfrage nach
Beschäftigten ist weiterhin hoch. Aber längst nicht alle Menschen wurden von dieser guten
Entwicklung mitgenommen. Vor allem Arbeitsuchende und Langzeitarbeitslose haben kaum
profitiert.
Auch andere Probleme am Arbeitsmarkt sind ungelöst. Ein Viertel der Beschäftigten sind in
Deutschland atypisch beschäftigt, darunter fast dreimal so viele Frauen wie Männer. Das sind
nahezu acht Millionen Menschen, die entweder in kleinen Teilzeitjobs, Leiharbeit,
befristeter Beschäftigung oder in Minijobs arbeiten. Dazu kommen Scheinselbständige und
Abrufkräfte. Nicht alle diese Jobs sind problematisch. Allerdings zeigt sich, dass diese
Beschäftigungsverhältnisse oft unsicher sind, schlecht entlohnt werden, zu Altersarmut
führen und viel zu selten Brücken in auskömmliche, sichere Beschäftigung darstellen. Daneben
stehen wir vor neuen Herausforderungen. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Neue
Arbeitsformen wie Cloud- oder Crowdworking sind entstanden, unsere Arbeit wird insgesamt
vernetzter und mobiler und flexibler. Diesen Prozess wollen wir gestalten. Wir wollen faire
Arbeit schaffen, Selbständigkeit unterstützen, Zugänge und Teilhabe sichern, die sozialen
Netze für die neuen Erwerbsbiografien fit machen und Rahmenbedingungen schaffen, die es
Frauen und Männern ermöglichen, Arbeit und Familie besser und gleichberechtigter in Einklang
zu bringen. Außerdem wollen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, so dass
Unternehmen auch in Zukunft gute Arbeitsplätze schaffen können und setzten dabei
insbesondere auf fairen Wettbewerb.
Faire Löhne und sichere Beschäftigung
Der allgemeine Mindestlohn ist ein Meilenstein, für den wir lange gekämpft haben. Von der
Lohnuntergrenze sind Langzeitarbeitslose und Jugendliche allerdings immer noch
ausgeschlossen. Wir setzen uns dafür ein, dass diese diskriminierenden und ungerechten
Ausnahmen abgeschafft werden.
Mit einem Gesetz für mehr Entgeltgleichheit, das Unternehmen, Tarifpartner und Staat in die
Pflicht nimmt, wollen wir das ändern. Leiharbeit darf nicht länger dazu missbraucht werden,
geltende Tarifverträge zu umgehen und Lohnkosten einzusparen. Deshalb fordern wir für
Leiharbeitskräfte ab dem ersten Tag die gleiche Bezahlung wie für die Stammbelegschaft plus
eine Flexibilitätsprämie. Damit wird Leiharbeit auf ihre eigentliche Aufgabe – die
Abfederung von Auftragsspitzen – zurückgeführt und dies ohne eine bürokratische
Höchstüberlassungsdauer. Gleichzeitig muss Leiharbeit klar von echten Werk- oder
Dienstverträgen abgegrenzt und Scheinselbstständigkeit mit nachvollziehbaren und
rechtssicheren Kriterien wirkungsvoll unterbunden werden. Notwendig sind auch mehr
Mitbestimmungsrechte für die Betriebsrätinnen und Betriebsräte, wenn Fremdpersonal in ihren
Betrieben eingesetzt wird, denn zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen dürfen tariflich gut
bezahlte Arbeit nicht ersetzen.
Viele befristet Beschäftigte können sich ihrer Vertragsverlängerung oder Entfristung nicht
sicher sein und vor allem junge Menschen müssen zu oft mit einer befristeten Beschäftigung
vorliebnehmen. So wird die Probezeit verlängert und der Kündigungsschutz umgangen. Darum
wollen wir Befristungen ohne sachlichen Grund abschaffen.
Minijobs sind keine Brücke in reguläre Beschäftigung und haben sich vor allem für Frauen oft
zur berufliche Sackgasse entwickelt. Wir wollen den Niedriglohnsektor reformieren, prekäre
Beschäftigung zurückdrängen und Minijobs durch sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse ersetzen.
In Deutschland gibt es nach wie vor einen geschlechtsspezifisch geteilten Arbeitsmarkt, in
dem Tätigkeiten im Pflege-, Sorge- und Sozialbereich, schlechter bezahlt werden. Die
Aufwertung typischer Frauenberufe in diesem Care-Sektor ist ein wichtiger Baustein hin zur
Lohngleichheit. Auf der strukturellen Ebene bedeutet das eine deutlich bessere Entlohnung,
Qualifizierung sowie bessere Arbeitsbedingungen, die die Selbstachtung der zu Versorgenden
respektieren und die Selbstausbeutung der Beschäftigten vermeiden. Hierzu gehört auch, dass
mehr Personal im Pflege- und Sorgebereich eingestellt wird. Wir fordern ein
bundeseinheitliches, verbindliches Personalbemessungsinstrument und die gleichwertige
Vergütung von Ausbildungen in diesen Berufen von Anfang an. Gut finanzierte Sorgearbeit
sichert unsere Zukunft und macht das Land (geschlechter-)gerechter.
Erwerbsarbeit muss sich lohnen. Gerade kleine Einkommen sind aber überproportional von den
Sozialabgaben betroffen. Damit besonders Geringverdienende mehr im Geldbeutel haben, wollen
wir sie bei den Sozialabgaben entlasten, ohne damit Leistungseinschränkungen zu verbinden.
Insgesamt wollen wir Steuern, Abgaben und soziale Leistungen so aufeinander abstimmen, dass
sich Erwerbsarbeit immer rechnet.
Mehr Selbstbestimmung, damit Arbeit gut ins Leben passt
Bisher haben vor allem die Arbeitgeber Ansprüche an die Flexibilität ihrer Beschäftigten
gestellt. Jetzt aber fordern die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität, um Erwerbsarbeit und
Privatleben besser unter einen Hut zu bekommen. Dafür brauchen sie mehr Mitspracherechte
über den Umfang, die Lage und den Ort ihrer Arbeit. Durch Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40
Wochenstunden wollen wir Vollzeit neu definieren und zu einem flexiblen Arbeitszeitkorridor
umgestalten. Auch Betriebsräte sollen mehr Möglichkeiten erhalten, Betriebsvereinbarungen zu
Vereinbarkeitsfragen und für mehr Zeitsouveränität zu verhandeln. Damit können Frauen
leichter als bisher ihre Beschäftigung ausweiten und Männer in Teilzeit gehen, ohne
Karriereeinschnitte und andere Nachteile fürchten zu müssen. Auch das Rückkehrrecht auf
Vollzeit muss endlich kommen, und das Arbeiten im Home-Office als Ergänzung zum Arbeitsplatz
soll leichter werden. Arbeitszeitreduzierungen wegen Kindererziehung (KinderZeitPlus), der
Pflege von Angehörigen (PflegeZeitPlus) und für eine Weiterbildung (BildungsZeitPlus) wollen
wir finanziell unterstützen.
Gesunde Arbeitsplätze fördern, Mitbestimmung stärken
Gut ist Arbeit nur dann, wenn sie nicht krank macht. Zu einer neuen Arbeitszeitkultur gehört
ein wirksamer Schutz vor Stress, Mobbing, psychischen Belastungen und Entgrenzung der
Arbeit. Zeitsouveränität darf nicht zu unbezahlter Mehrarbeit und Burnout führen. Dafür
braucht es einen modernen Arbeitsschutz und eine wirksame betriebliche Mitbestimmung, um
gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor dem Hintergrund einer verlängerten
Lebensarbeitszeit sowie des wachsenden Fachkräftebedarfs setzen wir und dafür ein,
Arbeitsplätze alters- und alternsgerecht auszugestalten.
Entscheidend für gerechte Arbeitswelt sind ein funktionierendes Tarifvertragssystem und eine
wirkungsvolle Mitbestimmung. Sie ermöglichen faire Vereinbarungen zwischen
Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, zwischen dem Management und Beschäftigten –
passgenau je nach Branche, Region oder Betrieb. Deshalb wollen wir die Sozialpartnerschaft
und die Mitbestimmung wieder stärken und zukunftsfest machen. Die Lücken in der
Unternehmensmitbestimmung sollen geschlossen und die Gründung von Betriebsräten einfacher
werden. Mitbestimmung darf nicht durch Unternehmensverlagerungen oder -aufspaltungen
umgangen und in den Betrieben verhindert werden. Die Schwelle für die paritätische
Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat wollen wir von heute 2.000 auf 1.000 absenken. Die
Europäisierung der betrieblichen- und der Unternehmensmitbestimmung, zum Beispiel durch
europäische Betriebsräte, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er muss konsequent
weitergegangen werden. Weil die Arbeitswelt digitaler wird, wollen wir auch das
Betriebsverfassungsgesetz fit machen für die Zukunft und an die Digitalisierung anpassen. So
erhalten Betriebs- und Personalräte Mitbestimmungsrecht über die Menge der Arbeit bzw. über
Zielvorgaben, wenn durch Vertrauensarbeitszeit die Arbeit entgrenzt wird und Mehrarbeit
entsteht.
Neue Arbeitsversicherung
Die Arbeitswelt und die Erwerbsbiografien werden nicht zuletzt durch die Digitalisierung
immer bunter. Mit diesen Veränderungen hat die Arbeitslosenversicherung nicht Schritt
gehalten. Sie orientiert sich nach wie vor am Normalarbeitsverhältnis. Das führt u.a. dazu,
dass fast jeder vierte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, der seine Arbeit verliert,
trotz Beitragszahlungen sofort in das Hartz-IV-System fällt. Das wollen wir ändern: Wer
Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, der muss einen angemessen Anspruch auf
Arbeitslosengeld erhalten.
Wir wollen die Arbeitslosenversicherung so weiterentwickeln, dass alle Erwerbstätigen gut
abgesichert sind – ganz gleich, ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig sind, ob sie
auf Zeit, in Projekten oder an mehreren Stellen gleichzeitig arbeiten. Gerade wer flexibel
arbeitet oder ein Unternehmen aufbaut, braucht einen verlässlichen Schutz
Neben den Arbeitsformen wandeln sich auch die Arbeitsinhalte immer rascher. Deswegen wird
die kontinuierliche berufliche Weiterbildung beständig wichtiger. Hieraus ergeben sich auch
neue Aufgaben für Arbeitsagenturen und Jobcenter. Sie sollen Beschäftigte nicht erst im
„Versicherungsfall Arbeitslosigkeit“ unterstützen, sondern bereits vorbeugend qualifizieren,
um Arbeitslosigkeit vermeiden.
Wir wollen die heutige Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung perspektivisch zu
einer umfassenden Arbeitsversicherung umbauen, die für Beschäftigte und Selbständige da ist.
Sie soll Schutz bieten, beim Wiedereinstieg in Arbeit helfen und präventiv zur Vermeidung
von Arbeitslosigkeit beitragen.
Sicherheit in der Selbständigkeit
Für immer mehr Menschen ist die Selbständigkeit eine Option – auf Dauer, vorübergehend oder
neben einer abhängigen Beschäftigung. Um die notwendige soziale und ökologische
Modernisierung zu meistern, brauchen wir auch die innovative Kraft von Gründerinnen und
Gründern. Wir wollen darum alle, die den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit wagen,
dabei unterstützen, sich besser und einfacher abzusichern.
Gesetzlich versicherte Selbständige wollen wir bei den Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen mit geringeren Mindestbeiträgen entlasten. Die freiwillige
Arbeitslosenversicherung für Selbstständige soll wieder erschwinglicher werden, für alle
Selbstständigen geöffnet und gerechter ausgestaltet werden. Wahltarife sollen dabei mehr
Flexibilität für Selbstständige ermöglichen. Außerdem wollen wir alle nicht anderweitig
abgesicherten Selbständigen in die gesetzliche Rente einbeziehen und ihnen eine größere
Beitragsflexibilität als heute ermöglichen, etwa durch ein Vorauszahlen von Beiträgen in
guten und ein Nachzahlen in schlechten Zeiten. Wir stehen ohne Wenn und Aber zur
Künstlersozialkasse.
Nicht nur die digitale Arbeitswelt braucht eine klare Definition von Selbständigkeit. Immer
mehr Menschen arbeiten heute formal selbständig, aber ähnlich wie Angestellte auf Basis von
Dienst- oder Werkverträgen. Die einen genießen die damit verbundenen Freiheiten. In manchen
Fällen handelt es sich aber schlicht um Scheinselbständigkeit. Notwendig sind deshalb klare
- an eine moderne Arbeitswelt angepasste - Kriterien, die gezielt Scheinselbstständigkeit
verhindern, aber die echten Selbstständigen in ihrer Tätigkeit nicht behindern. So kann mehr
Sicherheit für die Selbstständigen und die Unternehmen entstehen und die Zahl der
Statusfeststellungsverfahren deutlich reduziert werden.
Dumpinghonorare dürfen in der modernen digitalen Arbeitswelt keinen Platz haben.
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind gleichermaßen gefordert,
Mindestarbeitsbedingungen und Honorare für Selbständige in ihre Tarifabschlüsse
einzubeziehen. Analog zu Mindestlöhnen, die nur abhängig Beschäftigten zustehen, wollen wir
auch branchenspezifische Mindesthonorare ermöglichen. Darüber hinaus wollen wir prüfen,
inwieweit ein Mindestlohn auf Selbständige übertragbar ist, zum Beispiel durch ein
Mindesthonorar für bestimmte Dienstleistungen. Auch für Online-Plattformen braucht es Regeln
für ein faires Miteinander durch bessere AGBs und durch eine Art Interessensvertretung für
die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Der Beschäftigtendatenschutz muss auch für
selbständig Erwerbstätige gelten, die für Unternehmen und in der Crowd arbeiten.
Zugänge schaffen
Trotz Beschäftigungsbooms ist die Zahl der Arbeitslosen weiterhin hoch. Gerade
Langzeitarbeitslose finden wegen eines fehlenden Berufsabschlusses keine neue Stelle. Wir
wollen Jobcenter und Agenturen so ausstatten, dass alle Arbeitslosen optimal betreut und
zusammen mit ihnen passgenaue Strategien entwickelt werden können, um die Arbeitslosigkeit
nachhaltig zu beenden. Dazu gehören vor allem Qualifizierungen, Sprachförderung,
Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse. So gelingen Zugänge in Arbeit - auch für Menschen
mit Behinderungen, Migranten und andere auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen.
Teilhabe ist für viele untrennbar mit Erwerbsarbeit verbunden. Es gibt aber Arbeitslose, die
absehbar keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie brauchen einen verlässlichen
Sozialen Arbeitsmarkt. Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, damit auch
Arbeitslose mit besonders schwerwiegenden Problemen wieder Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen
– schrittweise und nachhaltig.
Der Zugang von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist eine elementare Voraussetzung für eine
erfolgreiche Integration. Darum müssen wir die verbliebenen Hürden zügig abbauen und
Geflüchtete so früh wie möglich in Ausbildung und Arbeit bringen. Alle Asylsuchenden sollen
sofort nach ihrer Ankunft damit beginnen können Deutsch zu lernen und so früh wie möglich
einen Anspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen bekommen. Diesen Teilnahmeanspruch
müssen auch Geduldete unabhängig vom Duldungsgrund erhalten.
Wir kämpfen für eine armutsfeste Grundsicherung
Wir setzten uns für eine Grundsicherung ein, die das soziokulturelle Existenzminimum für
alle gewährleistet, damit niemand zurückgelassen wird. Eine Gesellschaft, die zusammenhalten
soll, muss zu aller erst darauf achten, dass denjenigen geholfen wird, die sich nicht selbst
helfen können. Soziale Sicherheit ist die Voraussetzung für gesellschaftliches Engagement.
Sie ist die Basis dafür, dass sich Menschen einmischen wollen und können.
Der ALG-II-Regelsatzmuss auf einer neuen Grundlage berechnet und erhöhtwerden, so dass man
menschenwürdig davon leben kann. Für Kinder und Jugendliche gilt, dass die Regelbedarfe so
anzusetzen sind, dass sie den tatsächlichen Bedarf decken, auch den zur Teilhabe an Bildung
und Kultur. Erforderlich ist auch eine einfache Lösung zur Deckung der Bedarfe von Kindern,
die zwischen den Haushalten ihrer getrennt lebenden Eltern wechseln.
Das Prinzip der Bedarfsgemeinschaften benachteiligt vor allem Frauen und zementiert ihre
finanzielle Abhängigkeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Grundsicherung zu einer
individuellen Leistung weiterentwickelt wird, indem die Einkommensanrechnung von
Partnerinnen und Partnern in Paarhaushalten bei der Grundsicherung wie bei der Sozialhilfe
erfolgt.
Die Sanktionen wollen wir bis zu ihrer umfassenden Evaluierung und der Stärkung der Rechte
der Arbeitsuchenden aussetzen. Die Sonderregeln bei den Sanktionen für unter 25-Jährige
wollen wir gänzlich abschaffen, sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung immer von
Sanktionen ausnehmen. Grundsätzlich müssen die Sanktionen so ausgestaltet werden, dass der
Grundbedarf unangetastet bleibt.
Wir wollen, dass das Grundrecht auf Existenzsicherung zuverlässiger wahrgenommen werden
kann. Es muss zudem verständlicher werden, auf welche Leistungen Personen in welcher
Situation Anspruch haben. Die Jobcenter müssen sich auf jene Bürgerinnen und Bürger
konzentrieren können, die tatsächlich die Beratung und Unterstützung benötigen. Dafür wollen
wir die Jobcenter von unnötiger Bürokratie befreien.
Wir wollen verhindern, dass Menschen allein deshalb bedürftig werden, weil sie Kinder haben,
sich ihre Wohnung nicht leisten können oder das BAföG nicht reicht. Deshalb stärken wir die
materielle Absicherung außerhalb der Grundsicherung, indem wir die materielle Absicherung
von Kindern, das Wohngeld, das BAföG und die Berufsausbildungshilfe verbessern.
Wir stärken unsere Kommunen und investieren in unsere
Infrastruktur
Gerechtigkeit bedeutet für uns, dass jede und jeder die gleiche Freiheit hat, etwas
erreichen zu können – unabhängig davon, wo die Menschen in Deutschland wohnen. Doch diese
Freiheit lebt von Voraussetzungen. Dazu gehört allem voran der Zugang zu guten öffentlichen
Einrichtungen. Gerade wer benachteiligt und arm ist, ist in besonderem Maße auf den Zugang
zu guten Kitas, Schulen, Bibliotheken, Jobcentern, Gesundheitsversorgung und einem
funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr angewiesen.
Doch unsere Städte und Gemeinden sind sehr verschieden. Steuereinnahmen, Museen und Theater,
sanierte Schulen und intakte Quartiere sorgen in vielen Orten für eine hohe Lebensqualität.
Marode Turnhallen, geschlossene Büchereien, schimmlige Schwimmbäder und Mangelverwaltung
konzentrieren sich in anderen. Der im Grundgesetz verankerte Grundsatz der Gleichwertigkeit
der Lebensverhältnisse kann im direkten Vergleich zwischen ausgewählten Regionen in Zweifel
gezogen werden. Hier wollen wir gegensteuern und Kommunen stärken. Unser Anspruch ist, dass
Städte und Gemeinden vor Ort die Lebensbedingungen aktiv gestalten können. Auch die aktuelle
Herausforderung der Integration von Geflüchteten verdeutlicht, dass wir die Orte stärken
müssen, wo Integration gelingen soll – vor Ort in unseren Städten und Gemeinden.
Deshalb wollen wir, dass unseren Städte und Gemeinden nicht weiter mit immer neuen Aufgaben
belastet werden, ohne dass dafür das notwendige Geld zur Verfügung gestellt wird. Wir
wollen, dass der Bund sich stärker bei den sozialen Pflichtaufgaben engagiert. Spürbare
Entlastungen von Sozialausgaben erleichtern gerade struktur- und finanzschwachen Kommunen
das tägliche Handeln. Die Einnahmen der Kommunen wollen wir mit der Weiterentwicklung der
Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer verlässlicher machen.
Finanzschwache Kommunen investieren bis zu einem Drittel weniger und es fällt ihnen
schwerer, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten. Der kommunale Investitionsstau im
dreistelligen Milliardenbereich konzentriert sich auf die finanziell Gebeutelten. Wir wollen
deshalb einen Investitionspaket für die Zukunft auf den Weg bringen, der die Auflösung des
Investitionsstaus, Gerechtigkeit und Ökologie zusammen denkt. Zusätzliche öffentliche
Aufträge für unsere Wirtschaft schaffen neue Arbeitsplätze und führen zusammen mit mehr
sozialer Teilhabe zu mehr Wohlstand und Lebensqualität. Auch für unsere Kinder, denen wir
eine gute Infrastruktur hinterlassen wollen.
Mit einem fünfjährigen Schulsanierungsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro wollen wir
den Investitionsstau in den Kommunen lösen und vor allem unsere Bildungsinfrastruktur
verbessern. Mit dem Grünen Wärmepaket fördern wir mit sieben Milliarden Euro jährlich die
Umstellung auf klimafreundliche Wärme. Wir investieren in nachhaltige öffentliche Mobilität:
Auf dem Land gewährleistet ein regelmäßiger Bus- und Bahnverkehr die Teilhabe am
öffentlichen Leben, in den Städten finanzieren wir sichere Radwege und einen zuverlässigen
Nahverkehr.
Wir wollen den Solidaritätszuschlag ab 2019 neu ausrichten. Ziel muss sein, finanzschwache
Länder und Regionen zu unterstützen – und zwar unabhängig von Himmelsrichtungen. Damit soll
der maroden Infrastruktur, sowie den hohen Schuldenständen und Zinslasten zahlreicher
Kommunen nachhaltig entgegengewirkt werden. Wir wollen dadurch auch eine nachhaltige Lösung
für bestehende kommunale Altschulden gewährleisten und ermöglichen so hochverschuldeten
Städten einen Neustart.
Wir schaffen bezahlbare Wohnungen
Unsere Wohnungen dürfen keine reinen Spekulationsobjekte sein. Sie sind unsere Heimat.
Bezahlbares Wohnen ist heute in vielen Städten zu einer der großen sozialen Herausforderung
geworden, vor allem für Geringverdiener*innen, Familien, Alleinerziehende oder Menschen mit
geringer Rente. Immer mehr Menschen benötigen staatliche Unterstützung, um sich ihre Wohnung
überhaupt leisten zu können. Andere werden ganz aus ihrem vertrauten Umfeld vertrieben. Es
gibt zu wenig bezahlbaren und günstigen Wohnungen. Investoren aber schauen auf eine
möglichst hohe Rendite, günstigen Wohnungen jedoch schaffen sie kaum. In den letzten zehn
Jahren haben wir über eine Million Sozialwohnungen an den freien Markt verloren, während der
Bedarf stetig steigt. Immer mehr Finanzinvestoren kontrollieren den Wohnraum in unseren
Städten und setzen ihre Macht gegen die Interessen der Mieter ein.
Wir Grüne begreifen Wohnen als Teil der Daseinsvorsorge und wollen den Negativ-Trend
umkehren. Dafür wollen wir binnen zehn Jahren eine Million dauerhaft günstige Wohnungen
schaffen. Deshalb muss der Bund zurück in die Verantwortung – mit der Wiedereinführung der
Wohnungsgemeinnützigkeit. Diese bietet Vorteile und Unterstützung für private Investoren,
kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die günstigen Wohnraum schaffen. Im
Gegenzug verpflichten sie sich dazu, diesen günstigen Wohnraum dauerhaft zu erhalten.
Zusätzlich fordern wir, die Mittel des Bundes für die Wohnraumförderung der Länder auf
mindestens zwei Milliarden Euro zu erhöhen.
Die Mietpreisbremse müssen wir scharf stellen, indem wir die vielen Ausnahmen streichen.
Denn die Mini-Mietpreisbremse der großen Koalition hat an explodierenden Mieten in
Großstädten nichts geändert. Sie ist lückenhaft und bietet keinen ausreichenden Schutz für
Mieterinnen und Mieter. Das Mietrecht, gedacht als Ausgleichsinstrument zwischen
Mieter*innen und Vermieter, hat seine Balance verloren. Deshalb bedarf es Änderungen, die
Mieterhöhungen begrenzen, den unverschuldeten Verlust der Wohnung verhindern und die
Mietpreisbremse zu einem robusten Schutzinstrument weiterentwickeln. Der Bund darf sich
nicht länger als Immobilienspekulant betätigen, sondern soll Liegenschaften vergünstigt
abgeben, wenn das städtebaulich oder wohnungspolitisch erforderlich ist.
Wir denken als Einzige energetische Sanierungen und soziale Fragen zusammen. Durch eine
energetische Sanierung können die Heizkosten spürbar gesenkt werden, denn ein unsanierter
70er-Jahre Bau verbraucht bis zum Dreifachen von einem Haus mit einem guten energetischen
Standard. Doch längst hat der Stillstand in der Wärmepolitik auch soziale Folgen und die
warme Wohnung wird für viele Menschen unbezahlbar.
Um die Umstellung auf klimafreundliche Wärme zu fördern, legen wir ein ambitioniertes
Investitionsprogramm auf. Ein großer Teil davon geht in die warmmietenneutrale energetische
Modernisierung von Wohnungen in Vierteln, in denen viele Menschen mit kleinen Einkommen
wohnen. Außerdem unterstützen wir durch dieses Grüne Wärmepaket weitere Energiesparmaßnahmen
und den Einsatz von erneuerbarer Wärme. So schaffen wir faire Wärme und gute Jobs.
Energetische Modernisierungen müssen sozialverträglich erfolgen. Mieterinnen und Mieter
dürfen nicht durch Luxussanierungen verdrängt werden. Deshalb wollen wir die sogenannte
Modernisierungsumlage, die es Vermietern erlaubt, die Kosten einer Sanierung auf ewig auf
die Mieter umzulegen, deutlich kappen. So wird vermieden, dass energetische Sanierungen als
Preistreiber missbraucht werden können.
Das Wohngeld wollen wir als ein der Grundsicherung und Sozialhilfe vorgelagertes System
stärken. Zudem wollen wir es um ein Klimawohngeld ergänzen, das Mieter*innen zusätzlich
unterstützt, die in klimafreundlichen Häusern wohnen. Außerdem fordern wir seit Jahren eine
automatische Anpassung des Wohngeldes, das sich an der Preissteigerung orientiert. Wir
prüfen die Möglichkeit, den Vermögensaufbau, Wohnungseigentum und die Altersvorsorge von
Menschen mit wenig Einkommen durch Teilhabe an Genossenschaften oder Bauvereinen zu
unterstützen.
Wir wollen, dass große Wohnungsgesellschaften und Investoren nicht länger die
Grunderwerbsteuer umgehen können, während der Käufer eines Eigenheims diese voll bezahlen
muss. Deshalb schaffen wir die steuerliche Privilegierung von Share Deals in ihrer
bisherigen Form ab.
Wir setzen auf das Prinzip Bürgerversicherung
Wir GRÜNE wollen die sozialen Sicherungssysteme verlässlich, solidarisch und gerecht
gestalten. Die Basis der sozialen Absicherung ist eine starke Sozialversicherung, die allen
Bürgerinnen und Bürgern nach den gleichen Regeln Schutz garantiert. Gegenwärtig ist die
soziale Absicherung in Deutschland in mehrere Einzelsysteme zergliedert. Im Ergebnis sind
viele Menschen im Alter nicht so abgesichert oder werden im Krankheitsfall nicht so
versorgt, wie es notwendig ist. Während in der Krankenversicherung eine Zweiklassenmedizin
herrscht, existieren in der Altersversorgung gleich mehrere Systeme mit ganz
unterschiedlichen Versorgungsniveaus parallel nebeneinander.
Beiträge zu den Sozialversicherungen fallen heutzutage fast ausschließlich auf Löhne,
Gehälter, Renten und Arbeitslosengeld an. Einkunftsarten wie Aktiengewinne und
Kapitalerträge, die eine zunehmende Bedeutung haben, werden hingegen nicht berücksichtigt.
Dadurch müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner aber auch
Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld eine immer größer werdende Last alleine
stemmen.
Mit dem Prinzip der Grünen Bürgerversicherung wollen wir die bestehenden Ungerechtigkeiten
bei der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung beenden. Die Idee der Bürgerversicherung
beinhaltet, dass alle Bürgerinnen und Bürger unter der Berücksichtigung aller Einkunftsarten
in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen werden. So sind sie gut abgesichert und
versorgt und können sich entsprechend ihres Einkommens an der Finanzierung beteiligen. Diese
breitere Basis führt dazu, dass auch die künftigen Generationen bezahlbare Beiträge und eine
gute Leistungen erwarten können. Das Prinzip der Bürgerversicherung ist somit nicht nur ein
Beitrag für Gerechtigkeit und Solidarität, sondern auch eine entscheidende Antwort auf die
Frage der stabilen und verlässlichen Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme.
Wir schaffen die Zwei-Klassen-Medizin ab
Wir wollen klasse Medizin für alle, so dass alle Versicherten die Versorgung bekommen, die
ihnen hilft. In einigen Regionen wird es bereits schwer, überhaupt einen Arzt oder eine
Ärztin zu finden, weil manche sich auf Grund eines ungerechten Systems eher dort
niederlassen, wo viele privat Versicherte leben. Auch schultern die Versicherten die
Kostensteigerungen im Gesundheitswesen über den Zusatzbeitrag derzeit alleine. Doch auch
Privatversicherte sind nicht immer besser dran. Alte und kranke Menschen zahlen hier mehr
als Junge und Gesunde. Kinder sind nicht automatisch mitversichert und gering Verdienende
zahlen genauso viel wie Versicherte mit hohen Einkommen. Die Konsequenz: Gerade für privat
Versicherte mit geringen Einkommen wie Rentnerinnen und Rentner oder Soloselbständige wird
ihre Versicherung zur Last. Wer sich die steigenden Beiträge nicht mehr leisten kann, muss
eine schlechtere Versorgung oder höhere Eigenbeteiligungen in Kauf nehmen. Versicherten der
privaten Krankenkassen werden häufig Behandlungen angedreht, die für sie gar keinen Nutzen
haben oder ihnen sogar schaden können. Dazu kommen die mangelnden Wechselmöglichkeiten.
Privatversicherte sind in der Regel wegen der Altersrückstellungen an ihre Kasse gebunden.
Kurzum: Die Zwei-Klassen Medizin trifft viele Menschen – gleich ob privat oder gesetzlich
versichert.
Wir wollen die gesetzliche und private Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung
weiterentwickeln. Die Stärken der heutigen Krankenversicherung werden bewahrt, ihre
Schwächen beseitigt. In der Bürgerversicherung stehen Starke für Schwächere ein, Gesunde für
weniger Gesunde und Junge für Alte – diese wichtigen Prinzipien wollen wir festigen. Mit der
Bürgerversicherung stärken wir den Zusammenhalt in unserem Land.
Wir wollen die ungerechten Zusatzbeiträge so schnell wie möglich abschaffen und die
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wieder zur Hälfte an den Krankenversicherungsbeiträgen
beteiligen. Bei den Arzthonoraren soll nicht mehr zwischen gesetzlichen und privaten
Versicherten unterschieden werden. Zuzahlungen für Medikamente und andere
Selbstbeteiligungen wollen wir abschaffen. Im Wartezimmer wird so es keine Rolle mehr
spielen, wo die Patientinnen und Patienten versichert sind. Termine werden dann nach der
Notwendigkeit und nicht nach dem Geldbeutel vergeben, so dass gute Qualität für alle da ist.
Nicht „Viel hilf viel“, sondern Qualität, die bei den Patientinnen und Patienten ankommt,
soll der Maßstab guter Versorgung werden.
Die Gesundheits-Bürgerversicherung gibt den Versicherten bessere Wahlmöglichkeiten und ist
ein treuer Begleiter für das ganze Leben. Sie passt sich den unterschiedlichen Lebensphasen
ihrer Versicherten an. Niemand muss bei Krankheit oder im Alter unbezahlbare Beiträge und
eine schlechtere Versorgung befürchten. Ist beispielsweise das Gehalt oder der Gewinn bei
Selbständigen nicht so hoch, fallen geringere Beiträge an. Werden Kinder geboren, sind diese
automatisch mitversichert. Ohne zusätzliche Beiträge. Und wenn etwa auf Grund zu pflegender
Angehöriger oder wegen der Kinder Ehe- oder Lebenspartner zu Hause bleiben, sind diese
ebenfalls kostenfrei mitversichert. Zwischen den Kassen gibt es Wettbewerb vor allem um die
beste Qualität. Stimmen Qualität und Service nicht mehr oder ist der Beitrag zu hoch können
Versicherte die Kasse einfach wechseln.
Wir setzen uns dafür ein, die Gesundheitsversorgung stärker vor Ort zu verankern, so dass
auch die Bürgerinnen und Bürger mehr Einfluss auf die Ausgestaltung erhalten. Die
Bedürfnisse der Menschen werden so besser erkannt und es wird klar, wo Gesundheit mehr
gefördert oder die Versorgung verbessert werden kann. Mit einem größeren Einfluss der
Kommunen und Regionen bei der Gesundheitsversorgung sehen wir die Chance, diesen Sektor
übergreifend zu organisieren und etwa Hürden zwischen ambulanten Einrichtungen und
Krankenhäusern zu überwinden. So erreichen wir, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und
Patienten und ihre Gesundheit zum bestimmenden Maßstab werden und aus der reinen
Krankenversorgung eine echte Gesundheitsversorgung wird.
Wir wollen, dass die Pflege menschlich bleibt
Die Zahl der Menschen wächst, die Unterstützung und Pflege brauchen. Prognosen gehen davon
aus, dass sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln
könnte. Gleichzeitig sinkt die Zahl potenzieller Pflegepersonen. Auf diese Entwicklung zu
reagieren ist nach unserer Auffassung keine private, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Im Mittelpunkt Grüner Pflegepolitik stehen dabei die Bedürfnisse der zu pflegenden Menschen.
Pflegende haben mehr Wertschätzung und Unterstützung verdient. Wir wollen, dass
Pfleger*innen besser bezahlt werden. Ein junger und frischer Ausbildungsberuf muss
entstehen, der es attraktiv macht, sich für die Pflege zu entscheiden. Denn die stark älter
werdende Gesellschaft verändert die Ansprüche, die eine professionelle Pflegekraft erfüllen
muss. Mit unserem Modell eines integrativ gestuften Ausbildungssystems bleibt der hohe Grad
an Fachlichkeit und Expertenwissen in den drei Pflegeberufen Kranken-, Alten- und
Kinderkrankenpflege erhalten.
Wir wollen Menschen besser unterstützen, die ihre Verwandten oder Freunde pflegen. Mit der
Grünen PflegezeitPlus ermöglichen wir eine bis zu dreimonatige Freistellung mit
Lohnersatzleistung für alle Menschen, die Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige,
Nachbarn oder Freund*innen übernehmen. Denn Familie ist da, wo Verantwortung übernommen
wird, auch im Alter.
Mit unserem Quartierskonzept ermöglichen wir Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf
ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Umfeld. Ein zentraler Baustein des Konzeptes ist
es, Formen gegenseitiger Unterstützung wie bürgerschaftliches Engagement und
Nachbarschaftshilfe mit professionellen Gesundheits- und Präventionsangeboten sinnvoll zu
kombinieren. Außerdem geht es darum, das Wohnumfeld generationengerecht zu gestalten und die
Versorgung mit Dienstleistungen und Gütern des alltäglichen Bedarfs auch für Menschen mit
Pflegebedarf sicher zu stellen. Damit liefern wir einen Gegenentwurf zu großen Heimanlagen,
Vereinzelung, Entfremdung, zuweilen auch Verödung des Wohnumfeldes.
Die Pflegeversicherung wollen wir auf eine solide finanzielle Grundlage stellen und sie
ebenso wie die Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung umwandeln. Die Pflege-
Bürgerversicherung ist solidarisch und gerecht und hält die Beitragsentwicklung bis weit in
die Zukunft überschaubar.
Wir bauen Barrieren für Menschen mit Behinderungen ab
Wir GRÜNEN möchten unsere Gesellschaft zu einer inklusiven Gesellschaft weiter entwickeln,
so dass auch Menschen mit Beeinträchtigung selbstbestimmt leben können. Menschen mit und
ohne Behinderung sollen gleichermaßen teilhaben können, am Arbeitsmarkt wie im Quartier, in
der Schule wie in der Freizeit. Das ist für uns eine zentrale Frage der Gerechtigkeit.
Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert durch Barrieren und Einschränkungen, die
wir als Gesellschaft aufbauen und entstehen lassen. Das reicht vom fehlenden Aufzug im Kino
bis hin zu großen Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Vielen Menschen mit Behinderung wird
ein selbstbestimmtes Leben auch im Umgang mit dem Staat schwer gemacht, wenn sie
beispielsweise mit Ämtern um Leistungen kämpfen müssen oder von einer Stelle zur nächsten
verwiesen werden, wenn sich niemand zuständig fühlt. Wer Pech hat, kann vom Amt sogar
aufgefordert werden, die eigene Wohnung zu verlassen und in ein Heim zu ziehen, weil das
billiger ist - ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Mit der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland verpflichtet,
Barrieren abzubauen und dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen ihre Menschenrechte
auch wahrnehmen können. An folgenden Punkten braucht es dafür Veränderungen.
Wir wollen den Mehrkostenvorbehalt abschaffen und die Rahmenbedingungen für den Ausbau des
selbständigen Wohnens mit Assistenz sowie des Betreuten Wohnens weiter verbessern, auch für
Menschen mit umfassendem Unterstützungsbedarf. Der Mehrkostenvorbehalt führt nach wie vor
dazu, dass vielerorts die Behörden über Wohnen und Lebensform der Menschen entscheiden.
Menschen mit Behinderung sollen selbst über ihre Wohn- und Lebensform entscheiden können.
Integrationsunternehmen als echte Alternative zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung
sollen ausgebaut und das „Budget für Arbeit“ für weit mehr Menschen als bisher geöffnet
werden. Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht in einer Werkstatt für behinderte
Menschen arbeiten möchte, muss die dafür notwendige Unterstützung erhalten. Durch die
Schaffung von weiteren inklusiven Ausbildungsstätten möchten wir den Start ins Berufsleben
für Menschen mit Behinderung erleichtern.
Wir wollen Menschen unabhängig von ihrem Alter und ihren Fähigkeiten stärken und setzen uns
daher dafür ein, dass Teilhabeleistungen unabhängig vom Alter erbracht werden.
Behinderungsbedingte Leistungen sollen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erfolgen.
Wir wollen eine nachhaltige und gerechte
Alterssicherung für alle
Das System der Altersvorsorge ist im Wandel. Neben dem klassischen Rentenbezug werden in
Zukunft die unterschiedlichsten Kombinationen aus Rentenbezug und Teilzeitarbeit,
ehrenamtlichem Engagement, Sorgearbeit für Partner*innen sowie Angehörige stehen. Grüne
Rentenpolitik gibt eine generationengerechte Antwort auf die Herausforderungen des
demografischen Wandels und bezieht dabei die sich verändernden Berufsbiografien und
Erwartungen der Versicherten sowie der Menschen im Altersruhestand ein. Dazu gehört, die
Alterssicherung nachhaltig aufzustellen und in der Breite zu stärken.
Dafür wollen wir in der nächsten Wahlperiode den ersten Schritt zur Bürgerversicherung
gehen. Selbständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden.
Perspektivisch streben wir eine Rentenversicherung für alle an, also auch für Abgeordnete,
Freiberufler*innen und Beamt*innen. Wir setzen auf ein umfassendes Konzept – sowohl für
Geringverdienende als auch für die Mittelschicht, für Frauen, Versicherte mit
gesundheitlichen Einschränkungen und für alle Berufsgruppen. Im Zentrum stehen ein
stabilisiertes Niveau der materiellen Absicherung, eine nachhaltige sowie gerechte
Finanzierung – auch zwischen den Generationen - und die Möglichkeit, den Übergang vom Beruf
ins Alter selbstbestimmt sowie angepasst an die eigenen Bedürfnisse zu vollziehen.
Rentenniveau stabilisieren - gesetzliche Rente stärken
Die Basis für eine umfassende Alterssicherung ist und bleibt die gesetzliche Rente. Diese
ist besser als ihr Ruf. In der Bankenkrise und während der Niedrigzinsphase bewies und
beweist die umlagefinanzierte Rentenversicherung ihre Stabilität. Jedoch steht das System
der Alterssicherung insgesamt vor erheblichen Herausforderungen. Während die Beitragssätze
zur gesetzlichen Rentenversicherung auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten gesunken
sind, sackte das Leistungsniveau im selben Zeitraum deutlich ab, wenn auch nicht so stark
wie prognostiziert. Die zusätzliche Altersvorsorge und dabei insbesondere die Riester-Rente
blieben hinter den Erwartungen zurück. Die kapitalgedeckten Säulen konnten die ihnen
zugedachte, ausgleichende Rolle sowohl in der Breite als auch in der Höhe nicht ausfüllen.
Eine Stabilisierung des Rentenniveaus ist vor diesem Hintergrund bereits heute dringend
notwendig.
Das heutige, gegenüber dem Jahr 1998 bereits erheblich abgesenkte Rentenniveau sollte nicht
weiter fallen. Zugleich wollen wir, dass Leistungen wie die Mütterrente aus Steuern bezahlt
und Rahmenbedingungen so verändert werden, dass es für Frauen, Ältere und gesundheitlich
beeinträchtige Personen leichter wird, erwerbstätig zu sein. Auch sollten schon kurzfristig
deutlich mehr Personen in die Rentenversicherung einbezogen werden, insbesondere jene, die
keine obligatorische Absicherung haben. So ist eine Stabilisierung des Rentenniveaus auch
ohne eine deutliche Anhebung der Rentenbeitragssätze möglich. Das ist finanziell nachhaltig
und führt zu einem gerechten Ausgleich zwischen den Generationen.
Die Zukunft der Renten entscheidet sich vor allem am Arbeitsmarkt. Wenn es uns gelingt, dass
Frauen sich beruflich genauso verwirklichen können wie Männer, dann stabilisiert dies die
Rentenversicherung und sichert den Frauen zudem eine eigenständige Alterssicherung. Die
geschlechtsspezifische Rentenlücke zwischen Frauen und Männern ist gewaltig. Bei den
heutigen Rentnerinnen und Rentnern liegt sie bei rund 60 Prozent. Sie ist in den vergangenen
Jahrzehnten zwar kleiner geworden. Würde es in diesem Tempo weitergehen, dürfte es jedoch
noch einmal siebzig Jahre dauern, bis die Lücke geschlossen ist. So viel Zeit haben wir
nicht. Wir wollen den Gender Pension Gap minimieren. Dazu müssen in erster Linie die
Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt beseitigt, sowie die bessere Vereinbarkeit von
Familien- und Erwerbsarbeit ermöglicht werden. Dies betrifft den Ausbau von
Kinderbetreuungs- und Bildungsinfrastruktur, die Einführung einer echten Pflegezeit, das
Rückkehrrecht auf Vollzeit, eine Reform der Minijobs, gleicher Lohn für gleiche und
gleichwertige Arbeit sowie die Abschaffung steuerlicher Negativanreize und die Einführung
eines obligatorischen Rentensplittings.
Zusätzlich wollen wir durch eine Garantierente für langjährig Versicherte gewährleisten,
dass alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet, Kinder erzogen, andere
Menschen gepflegt oder sonstige Anwartschaften in der Rentenversicherung erworben haben, im
Alter eine Rente beziehen, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Betriebliche und private
Altersvorsorge werden auf die Garantierente nicht angerechnet.
Betriebliche und geförderte private Altersvorsorge neu aufstellen
Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, das Drei-Säulen-System der Alterssicherung zu
revitalisieren. Die betriebliche Altersversorgung muss in Zukunft auch diejenigen erreichen,
die heute faktisch ausgeschlossen sind. Arbeitgeber sollen ihren Beschäftigten in jedem Fall
eine Betriebsrente anbieten und mit einem eigenen Arbeitgeberbeitrag unterstützen. Die
Riester-Rente ist in ihrer bisherigen Form gescheitert.
Wir wollen die geförderte private Altersvorsorge deshalb grundlegend reformieren und ein
einfaches, kostengünstiges und sicheres Basisprodukt einführen, das als öffentliches
verwaltetes Produkt neben die bereits bestehenden Altersvorsorgeprodukte tritt.
Zudem soll die öffentliche Förderung in Zukunft vor allem Geringverdienenden zugutekommen.
Dazu wollen wir die Grundzulage erhöhen, einen Zuschlag für Menschen im unteren
Einkommensbereich einführen und im Gegenzug die steuerliche Förderung über den
Sonderausgabenabzug streichen.
Selbstbestimmter Übergang in die Rente – leistungsgerecht und individuell
Grundsätzlich sollte jede Person selbst entscheiden können, wann und wie sie in den
Ruhestand wechselt. Wir halten am schrittweisen Anstieg der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre
fest. Diese soll allerdings keine starre Grenze mehr sein. Denn die Bedürfnisse der Menschen
unterscheiden sich. Manche Menschen wollen mit 60 ihre Arbeitszeit reduzieren, andere
bevorzugen den stufenlosen Wechsel in die Altersrente und wieder andere wollen auch über die
Regelaltersgrenze hinaus noch voll im Erwerbsleben stehen. Grüne Politik hat zum Ziel,
diesen Wünschen und Fähigkeiten gerecht zu werden, indem wir bestehende Hindernisse auf dem
Weg zu mehr Flexibilität beseitigen.
Wir wollen eine echte Altersteilzeit durch eine attraktivere Teilrente bereits ab 60
ermöglichen. Gerade besonders belastete Beschäftigte sollen sie in Anspruch nehmen können.
Hier wäre ein Ausgleich von Abschlägen denkbar, wenn neben einer Teilzeittätigkeit eine
Teilrente in Anspruch genommen wird. Wir wollen sicherstellen, dass den Beitragszahlungen
von arbeitenden Rentnerinnen und Rentnern auch Rentenleistungen gegenüberstehen. Wir setzen
uns dafür ein, dass Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente, die allein aus
gesundheitlichen Gründen erfolgen, abgeschafft werden.
Wir sorgen für mehr Steuergerechtigkeit
Grüne Steuerpolitik stärkt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sie setzt darauf,
Lebensqualität zu steigern und die ökologische Finanzreform vorantreiben,
Steuergerechtigkeit zu schaffen und Steuervermeidung zu bekämpfen sowie Kinder in den
Mittelpunkt der Familienförderung zu stellen. Grüne Steuerpolitik leistet auch einen Beitrag
zur ökologischen Modernisierung, indem wir die Lenkungswirkung von Steuern nutzen. Weniger
Folgekosten und weniger Umweltschäden gehen einher mit höheren umweltfreundlichen
Investitionen und bringen damit eine doppelte Dividende für uns alle.
Mit unserer Steuer- und Haushaltspolitik wollen wir die nötigen Mittel für die
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bereitstellen und den zu hohen Schuldenstand vieler
Gebietskörperschaften zurückführen. Außerdem wollen wir im Sinne von Umverteilung der
wachsenden Spreizung der Einkommens- und Vermögensverteilung und der mangelnden
Chancengleichheit in unserer Gesellschaft steuerpolitisch entgegenwirken. Dazu gehört auch
eine Entlastung von Bezieher*innen kleiner Einkommen über steuerfinanzierte Leistungen, etwa
für Familien oder den sozialen Wohnungsbau oder über Steuergutschriften. Solche Instrumente
sind zielgenauer als eine Veränderung im Tarifverlauf der Einkommensteuer, weil diese auch
für die höheren Einkommen Wirkung entfaltet. Wir stehen zu dem aus der Verfassung
abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, der eine umverteilende
Wirkung des Steuerrechtes ausdrücklich vorgibt.
Der soziale Ausgleich, der Bildungsaufbruch und die ökologische Modernisierung können nur
mit einem handlungsfähigen Staat gelingen. Die aktuell entspannte gesamtstaatliche
Haushaltssituation darf nicht darüber hinweg täuschen, dass strukturelle Risiken weiter
bestehen. Denn vor allem den historisch niedrigen Zinsen und dem demografisch wie
konjunkturell begünstigten hohen Beschäftigungsstand verdanken wir die gegenwärtige positive
Lage. Es braucht insgesamt ein Mehraufkommen, um vor dem Hintergrund der finanziellen Lage
der Kommunen und der Notwendigkeit, die Schuldenbremse einzuhalten, den Investitionsstau in
unserem Land aufzulösen.
Steuerhinterziehung bekämpfen und Steuergestaltung einschränken
Wir wollen, dass alle ihren fairen Beitrag zum Gemeinwesen beitragen. In unserer
Gesellschaft wächst das Unverständnis darüber, dass einige Wohlhabende ihre Vermögen
steuerfrei in Panama verstecken und sich der solidarischen Gemeinschaft entziehen. Viele
Menschen haben den Eindruck, dass wir nicht mehr in einer sozialen Marktwirtschaft, in der
man mit eigener Anstrengung und durch eine faire Unterstützung der Gemeinschaft vorankommen
kann, sondern längst in einer Machtwirtschaft leben, in der große Konzerne und ihre Lobbies
regieren und ihre Interessen auf Kosten des Gemeinwohls durchsetzen können. Das gefährdet
den sozialen Zusammenhalt und die Akzeptanz unserer Demokratie in unserer Gesellschaft. Mit
dem Ankauf von Steuerdaten und der Verhinderung des Abkommens mit der Schweiz haben wir
geholfen, das Ende des Bankgeheimnisses zu besiegeln, wo andere, wie Finanzminister
Schäuble, es noch schützen wollten. Aber auch nach Ende des Bankgeheimnisses bleibt viel zu
tun.
Anonyme Briefkastenfirmen sollen der Vergangenheit angehören. Steuersümpfe wollen wir
austrocknen, sie gehören auf eine schwarze Liste. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen
und Banken müssen sanktioniert werden, wenn sie Geschäfte in Staaten auf dieser schwarzen
Liste tätigen oder sie vermitteln. Zahlungen in solche Staaten dürfen steuerlich nicht
absetzbar sein und sollen mit einer Quellensteuer belegt werden. Menschen mit deutscher
Staatsangehörigkeit sollen sich nicht länger durch Wegzug ihrer Steuerpflicht entziehen
können. Wie in den USA sollen auch deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben hier
steuerpflichtig bleiben.
Die internationale Verschiebung der Gewinne der großen Konzerne mit dem Ziel, darauf keine
Steuern mehr zu bezahlen, muss endlich unterbunden werden. Wir wollen, dass Deutschland
vorangeht und eine Vorreiterrolle einnimmt. Die große Koalition hat hier nichts unternommen.
Aus Rücksicht auf Interessen deutscher Konzerne sucht sie ausschließlich internationale
Lösungen und schiebt das Problem auf die lange Bank.
Alle in Deutschland tätigen Unternehmen sollen ihre Gewinne, Steuerzahlungen und ihre
Geschäftstätigkeit nach Ländern vollständig offenlegen. Denn die Öffentlichkeit hat ein
Recht zu erfahren, falls Unternehmen ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in andere
Staaten verschieben, um hier weniger oder keine Steuern zahlen. Auch Ausgaben wie
Lizenzgebühren und Zinsen dürfen nicht dafür missbraucht werden. Auslandsgewinne deutscher
Unternehmen wollen wir nicht länger von der Steuer freistellen, sondern die bereits im
Ausland gezahlte Steuer in Deutschland anrechnen.
Wir wollen, dass die Anbieter von aggressiven Steuermodellen verpflichtet werden diese
offenzulegen. Denn es waren Banken und Steuerberater, die Geschäfte nach Panama vermitteln
und die immer wieder auffallen durch Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Was in
Großbritannien und anderen Ländern schon lange selbstverständlich ist, muss auch in
Deutschland endlich Realität werden. Damit beenden wir das Hase-und-Igel-Spiel zwischen
Steuerbetrügern und Finanzamt, bei dem das Finanzamt meist das Nachsehen hat. Auch
Whistleblower, die wichtige Hinweise auf kriminelle Finanzgeschäfte liefern, wollen wir
endlich besser schützen.
Die deutschen Finanzämter sind den großen Steuerabteilungen der Konzerne oft hoffnungslos
unterlegen. Zahlreiche Staaten haben darauf reagiert, indem sie in ihrer Steuerverwaltung
Spezialeinheiten für große multinationale Unternehmen und reiche Privatpersonen geschaffen
haben. Deswegen wollen wir die Zuständigkeit für diese Gruppen von den Ländern einer
Spezialeinheit auf Bundesebene übertragen. Diese bundesweite Steuerfahndung wollen wir in
technischer und personeller Ausstattung auf Augenhöhe bringen mit den Steuerabteilungen der
Konzerne und den großen Steuerberatungsgesellschaften.
Besteuerung von Einkommen
Ab 2017 wird bei der Einkommensteuer eine Anpassung des Grundfreibetrages notwendig sein.
Zur aufkommensneutralen Gegenfinanzierung schlagen wir eine stärkere Differenzierung und
Erhöhung des Spitzensteuersatzes im Sinne einer höheren Reichenbesteuerung vor, welche
allerdings erst oberhalb eines zu versteuerndem Single-Einkommens von 100.000 Euro einsetzen
soll.
Wir wollen die Abgeltungsteuer abschaffen und damit die steuerliche Bevorzugung von Kapital-
gegenüber Arbeitseinkommen beenden. Kapitaleinkünfte sollen wieder der individuellen
Einkommensteuer unterliegen. Wer in der Einkommensteuer den Spitzensteuersatz zahlt, soll
dies auch für seine Kapitaleinkünfte tun.
Wir wollen die Abzugsfähigkeit von Gehältern auf 500.000 Euro und von Abfindungen auf eine
Million Euro beschränken. So wird die Subventionierung von sehr hohen Vergütungen, Boni und
Abfindungen durch den Steuerzahler verhindert.
Millionen-Vermögen besteuern
Derzeit werden hohe Vermögen in Deutschland sehr gering besteuert. Das liegt zum einen
daran, dass die Vermögensteuer nicht mehr erhoben wird. Zum anderen wirkt die
Erbschaftsteuer in ihrer jetzigen Form regressiv – je höher die Erbschaft oder Schenkung, je
niedriger die effektive Steuerbelastung. Die Ursache liegt darin, dass hohe
Vermögensweitergaben häufig von der Steuer freigestellt werden, weil sie überproportional
oft aus der Weitergabe von Betriebsvermögen bestehen und sie damit von der Steuer
freigestellt werden können.
Wir sehen die Notwendigkeit, mit einer verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren
Vermögensbesteuerung einer sich verstärkenden Vermögensungleichheit entgegen zu wirken und
die Mittel zu erwirtschaften, die für die Finanzierung von Maßnahmen zu mehr
Chancengleichheit vor allem im Bildungsbereich notwendig sind. Bei der Reform der
Vermögensbesteuerung werden wir darauf achten, dass sie unternehmerische
Investitionsentscheidungen möglichst wenig beeinflusst und gleichermaßen Steuergestaltungen
weitgehend vermieden werden. Eine aus Verfassungs- und Gerechtigkeitsgründen problematische
Unterscheidung verschiedener Vermögensarten wollen wir vermeiden. Die durch ein Urteil des
Verfassungsgerichts veranlasste Reform der Erbschaftssteuer ändert daran so gut wie nichts.
Die große Koalition hat die Erbschaftsteuer noch komplizierter gemacht und die Ausnahmen für
die Erben von Betriebsvermögen im Millionenumfang weitgehend beibehalten. Wir finden das
nicht gerecht und bezweifeln, dass es verfassungsgemäß ist.
VARIANTE 1: Wir streben die Wiederbelebung der Vermögensteuer an. Eine gute Basis bietet
dabei die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Januar 2016, die
auch für mehrere Varianten von Steuersätzen und Freibeträgen das Aufkommen schätzt. Die
grüne Vermögensteuer soll als Millionärsteuer ausgestaltet werden mit einem persönlichen
Freibetrag von mindestens einer Million Euro. Der Steuersatz soll maximal 1 Prozent betragen
und das Aufkommen bei 10 Milliarden Euro liegen. Mit diesem Ansatz würden 99,8 Prozent des
Aufkommens vom reichsten 1 Prozent unserer Gesellschaft getragen werden. Steuerfrei bleiben
die gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorgevermögen sowie die Altersrückstellungen
im Rahmen von privaten Krankenversicherungen. Ausweichmöglichkeiten werden dadurch
eingeschränkt, dass die Steuerpflicht an der Staatsangehörigkeit ansetzt, eine Verlagerung
von Wohnsitz oder Vermögen ins Ausland reduziert deshalb die Steuerzahlung nicht.
VARIANTE 2: Für eine tatsächlich progressive Erbschaftsteuerbelastung halten wir eine
Erbschaftsteuer mit einer einheitlichen und breiten Bemessungsgrundlage für alle
Vermögensarten (synthetische Erbschaftsteuer) für notwendig, denn sie allein unterbindet die
Gestaltung über unterschiedliche Vermögensarten. Mit moderaten Steuersätzen (Größenordnung
15 Prozent) und unter Beibehalt der aktuellen Freibeträge wird eine verfassungsfeste,
progressive und für die Länderhaushalte ergiebige Vermögensbesteuerung erreicht. Mit einer
verbindlich einzuräumenden Stundungsoption über einen angemessenen Zeitraum kann diese
Steuer von jedem Unternehmenseigentümer getragen werden, ohne die Investitionsmöglichkeiten
des Unternehmens einzuschränken.
Steuergerechtigkeit durch Vereinfachung
Das deutsche Steuersystem ist nicht einfach zu durchschauen. Viele Bürger*innen erstellen
ihre Steuererklärung nur mit Hilfe einer kostenpflichtigen Steuerberatung oder verzichten
ganz auf den Aufwand und damit oft auch auf Rückzahlungen. Dazu kommt, dass sich gerade bei
großen Vermögen und hohen Einkommen durch legale Steuervermeidungstricks erhebliche
Einsparungen erzielen lassen. All dies trägt zu dem Ungerechtigkeitsempfinden bei, wenn es
ums Thema Steuern geht. Dem wollen wir etwas entgegenstellen. Vorausgefüllte
Steuererklärungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, um Bürger*innen die Abgabe der
Steuererklärung zu vereinfachen. Doch weitere müssen folgen, um die Anzahl der Formulare und
Fragen zu reduzieren. Unser Ziel ist, dass am Ende für alle ein möglichst einfaches und
verständliches Verfahren steht.
Auch viele Selbstständige und mittelständische Unternehmen leiden unter dem bürokratischen
Aufwand, der mit der deutschen Steuergesetzgebung verbunden ist. Diese kann reduziert
werden, zum Beispiel indem wir die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter
erhöhen. Auch steht eine Vereinfachung bei der Umsatzsteuer mit Blick auf die aufwändigen
Verfahren bei Handel innerhalb der EU an. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten,
schaffen wir Branchensubventionen wie zum Beispiel bei der Umsatzsteuer für die Hotelbranche
ab. Zur Steuervereinfachung von Selbständigen wollen wir zusätzlich die Abgrenzungskriterien
im Sozial-, Arbeits-, und Steuerrecht einheitlich regeln, so dass Doppel- oder
Dreifachprüfungen vermieden werden können.
Wir wollen ökologische Gerechtigkeit für uns und unsere
Kinder
Ungerechtigkeiten entstehen auch durch Umweltverschmutzung und ökologische Verfehlungen.
Daher gehören Gerechtigkeit und Ökologie untrennbar zusammen. Kommenden Generationen eine
lebenswerte Welt zu hinterlassen, ist eine Frage der Gerechtigkeit. Eine gute Zukunft wird
es nur dann geben, wenn wir innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten wirtschaften und
alle Menschen am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben können. Dabei haben wir keine Zeit zu
verlieren. Denn wenn wir so weiter machen, benötigen wir im Jahr 2030 eine zweite Erde, um
den Bedarf der Menschheit an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Deshalb kämpfen wir
Grüne für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und gegen den Raubbau an
begrenzten Ressourcen.
Umweltzerstörung und Klimakrise sind Treiber von Ungerechtigkeit und Armut weltweit. Dabei
sind es meist die Ärmsten, die am stärksten unter Umweltzerstörung leiden, zu der sie selbst
wenig dazu beigetragen haben. Das erleben wir, wenn Ernten verdorren und Menschen durch
steigende Meeresspiegel zur Flucht gezwungen werden. Oder wenn die Rodung von Regenwald für
den Soja-Anbau als Futter für die industrielle Landwirtschaft indigenen Kleinbauern die
Existenzgrundlage entzieht. Deshalb ist es auch ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn wir Grüne
für Klimaschutz und eine intakte Natur für alle streiten. Wir wissen: Ohne globale
Gerechtigkeit wird es auch keine internationale Solidarität gegen Klimakrise und
Artensterben geben – und ohne den Kampf gegen die Klimakrise keinen Fortschritt hin zu einer
gerechteren Welt.
Auch in unserem Land schafft eine Politik, die sozial und ökologisch ausgerichtet ist,
gerechtere Verhältnisse. Durch einen starken Umwelt- und Verbraucherschutz sorgen wir Grüne
dafür, dass saubere Luft, reines Wasser und giftfreies Essen kein Privileg für wenige
werden. Mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien treffen wir Vorsorge, dass Strom, Wärme und
Mobilität dauerhaft bezahlbar bleiben, auch wenn die fossilen Energiereserven knapper
werden.
Durch eine gute Umweltpolitik profitieren langfristig alle. Wir wollen, dass Preise
zunehmend die ökologische Wahrheit sagen, damit wir nicht weiter auf Kosten künftiger
Generationen wirtschaften. Uns ist zugleich die Herausforderung bewusst, die kurzfristigen
sozialen Folgen umweltpolitischer Maßnahmen abzufedern. Der dringend notwendige Einstieg in
den Kohleausstieg führt zu Strukturbrüchen in Regionen. Den Übergang zu neuen Industrien und
Arbeitsplätzen wollen wir aktiv fördern. Neben dem Klimawohngeld entlasten auch Vorgaben und
Förderprogramme für effiziente Elektrogeräte und spritsparende Fahrzeuge gerade Haushalte
mit kleinen Einkommen.
Zu einer ökologisch gerechten Politik gehört auch, dass wir umweltschädliche Subventionen
konsequent abbauen. Laut Umweltbundesamt betragen diese derzeit 52 Milliarden jährlich. Das
mindert den Umweltverbrauch, verbessert die Finanzierung unseres Gemeinwesens und setzt
Mittel frei, um die sozial und ökologisch gerechte Modernisierung unseres Landes
voranzubringen.
Wir kämpfen für eine gerechtere Welt
Gerechtigkeit endet für uns Grüne nicht an Grenzen. Wir wollen, dass alle Menschen in allen
Regionen dieser Welt in Frieden und Würde leben können. In einer globalisierten Welt müssen
alle Länder eine faire Chance auf Entwicklung erhalten und es liegt auch in der
Verantwortung Deutschlands dies zu ermöglichen.
Unser Ziel ist es im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele Hunger und Armut weltweit zu
verringern, die Menschenrechte umzusetzen, Wohlstand gerechter zu verteilen und so zu
wirtschaften, dass die Lebensgrundlagen aller erhalten bleiben. An diesen Zielen wollen wir
die Politik hierzulande ebenso ausrichten wie die Außen- und Entwicklungspolitik. Dazu
gehört, internationale Zusagen auch einzuhalten. Die Industriestaaten haben versprochen,
ihre Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auf mindestens 0,7 Prozent ihrer
Wirtschaftsleistung zu erhöhen und zusätzlich jährlich 100 Millionen für den globalen
Klimaschutz auszugeben. Wir streiten dafür, dass Deutschland seinen Teil dieser
Verpflichtungen bis 2020 umsetzt.
Weltweit sehen wir, dass ein Prozent der Weltbevölkerung fast die Hälfte des weltweiten
Vermögens besitzt. In vielen Ländern bereichern sich korrupte Eliten. Viele multinationale
Konzerne zahlen kaum Steuern, da sie ihre Gewinne in Steuersümpfe verschieben. Globale
Regulierung hinkt dabei oft meilenweit hinterher. In den letzten 20 Jahren konnte die Anzahl
der Menschen, die in extremer Armut leben müssen, halbiert werden, doch noch immer haben 80
Prozent der Weltbevölkerung keine angemessene soziale Absicherung. Selbst Arbeit schützt
nicht vor Armut, gefährliche Arbeitsbedingungen und Ausbeutung sind weit verbreitet – von
den Textilfabriken Südostasiens oder auf den Kakaoplantagen Westafrikas. Um das zu ändern,
wollen wir die Globalisierung gerecht und nachhaltig gestalten. In Ländern wie China und
Indien, aber auch zunehmend in Afrika, hat sie bereits dazu beigetragen, dass breite
Bevölkerungsschichten extreme Armut überwinden konnten. Sie beschleunigt Innovation und
sorgt nicht zuletzt für einen Zuwachs an politischem und kulturellem Austausch.
Wir stehen für eine internationale Wirtschaftsordnung, die dazu beiträgt, die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN zu erreichen. Dafür reichen Selbstverpflichtungen der international
agierenden Unternehmen nicht aus. Es braucht gesetzlich verbindliche Transparenz- und
Offenlegungspflichten für die gesamte Lieferkette. Wir wollen, dass für Lieferketten auch
gesetzlich verbindliche Umwelt- und Sozialstandards gelten.
Hunger und Unterernährung wollen wir mit einer umfassenden Strategie bekämpfen, deren
Herzstück eine globalen Agrarwende ist. Wir wollen weg von einer hoch subventionierten
industriellen Landwirtschaft, die die Märkte in Entwicklungsländern mit billigen
Hähnchenflügeln flutet oder von Fangflotten, die die Meere vor Afrika leer fischen und hin
zu einer stärkeren Förderung von Kleinbäuer*innen und von Kleinfischer*innen in
Entwicklungsländern.
Deutschland hat als führendes Industrieland eine besondere Verantwortung. Wir wollen die
Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch forcieren in dem wir zum Beispiel
Kreislaufwirtschaft und Recycling fördern. Außerdem braucht es bessere Rahmenbedingungen für
fairen, ökologischen und sozialen Konsum. Damit Fairtrade-Produkte aus der Nische kommen,
fordern wir mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung. Außerdem wollen wir, dass die
öffentliche Hand bei der öffentlichen Beschaffung konsequent mit gutem Beispiel vorangeht.
Rohstoffe müssen unter fairen Bedingungen abgebaut und gehandelt werden.
Mit fairem Handel können wir die Globalisierung ökologisch und sozial gerecht gestalten.
Dafür wollen wir die Handelsbeziehungen Europas neu ausrichten, so dass sie die
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstützen. Die EU-Kommission darf nicht
länger Druck auf Entwicklungsländer ausüben ihre Märkte weiter zu öffnen. TTIP und CETA
schließen die ärmsten Länder bei der Gestaltung der Regeln des Welthandels aus. Wir werden
uns weiterhin dafür einsetzen, diese Abkommen zu stoppen. Gleiches gilt für die
entwicklungsschädlichen Partnerschaftsabkommen (EPAs), die die europäische Union derzeit mit
den afrikanischen Staaten verhandelt. Stattdessen verfolgen wir einen multilateralen Ansatz,
der auf die selbstbestimmte Entwicklung in den Ländern des Südens abzielt.
[1] Eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit braucht eine wirtschaftliche Basis. In
unserem Beschluss „Grüner Wirtschaften für eine lebenswerte Zukunft“ haben wir 2015
dargelegt, wie wir unseren Wohlstand mit klaren ökologischen und sozialen Leitplanken
erwirtschaften und unsere Wirtschaft zugleich wettbewerbsfähiger machen können.
Weitere Antragsteller*innen
- Hannah Jaberg (KV Frankfurt)
- Ralf Napierski (KV Frankfurt)
- Thomas Schlimme (KV Frankfurt)
- Daniel Brenner (KV Frankfurt)
- Torsten Leveringhaus (KV Darmstadt-Dieburg)
- Bernd Kraft (KV Main-Kinzig)
- Patrick Voye (KV Marburg-Biedenkopf)
- Beate Schmidt-Dickopf (KV Frankfurt)
- Jan Schierkolk (KV Frankfurt)
- Heike Strobel (KV Frankfurt)
- Nina Eisenhardt (KV Frankfurt)
- Edetraud Damerow (KV Frankfurt)
- Thomas Demel (KV Frankfurt)
- Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (KV Frankfurt)
- Odette Barbosa de Lima (GJ Frankfurt)
- Ben Seel (KV Frankfurt)
- Joachim Schaefer (KV Frankfurt)
- Simon Lissner (KV Limburg-Weilburg)
- Angela Hanisch (KV Frankfurt)
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Bildungssystem mag besser sein als das vieler anderer Staaten, doch für echte ChancengleichheitChancengerechtigkeit sorgt es nicht. Immer noch entscheiden die familiäre Herkunft, Einkommen und Vermögen hierzulande maßgeblich über die Aufstiegschancen, und nicht primär Talent, Fleiß oder Ehrgeiz. Es sind mehr Männer und Frauen erwerbstätig als je zuvor. Doch zu viele von ihnen – vor allem Frauen – arbeiten schlecht bezahlt, befristet oder unfreiwillig in
Wir Grüne kämpfen für ein gerechtes Land, in dem jeder Mensch ein selbstbestimmtes Leben
führen kann. Ein Land, in dem sich jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft entfaltet und
dessen Wohlstand allen zugutekommt. In der Gesellschaft, die wir wollen, dient die
Wirtschaft dem Menschen und nicht umgekehrt. Unternehmen wirtschaften nachhaltig und zahlen
faire Löhne. Kein Mensch muss finanzielle Ängste vor Krankheit und Alter haben – ganz egal,
wie er versichert ist. Frauen haben die gleichen Rechte und Chancen wie Männer und Familien
haben Zeit füreinander. Der öffentliche Raum genießt höchste Wertschätzung, die öffentliche
Hand hat ausreichende Mittel für Kitas, Schulen und Universitäten; Spielplätze, Theater und
Sportanlagen; Straßen, Radwege und öffentlichen Nahverkehr. Um diesen Zielen näher zu
kommen, haben wir ein Programm für nachhaltige Investitionen, gezielte Entlastungen, soziale
Sicherung und gerechte Verteilung entwickelt.
Deutschland ist ein wohlhabendes Land – im Durchschnitt. Es gibt eine große Mittelschicht,
die weder arm noch reich ist und in Kommunen wohnt, die zwar nicht in Luxus schwimmen, aber
in der Lage sind, öffentliche Einrichtungen in guter Qualität vorzuhalten. Deutschland ist
aber auch ein ungleiches Land. Wohlstand und Chancen hängen zu sehr vom Elternhaus ab. Unser
Bildungssystem mag besser sein als das vieler anderer Staaten, doch für echte ChancengleichheitChancengerechtigkeit sorgt es nicht. Immer noch entscheiden die familiäre Herkunft, Einkommen
und Vermögen hierzulande maßgeblich über die Aufstiegschancen, und nicht primär Talent, . Es sind mehr Männer und Frauen erwerbstätig als je zuvor. Doch zu viele
Fleiß oder Ehrgeiz
von ihnen – vor allem Frauen – arbeiten schlecht bezahlt, befristet oder unfreiwillig in
Teilzeit.
Reiches, armes Land
Arm und Reich driften in den letzten Jahren weiter auseinander und haben im Alltag immer
weniger Berührungspunkte. Die privaten Vermögen einiger sind enorm angestiegen. In kaum
einem Land der Euro-Zone ist die Vermögensungleichheit größer. Die breite Mehrheit steht
wirtschaftlich da, wo sie vor 20 Jahren auch schon stand. Viele Geringverdiener haben sogar
verloren. Die Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau, obwohl die Reallöhne seit
2010 steigen. Wir erleben eine Rückkehr zu überwunden geglaubten Zuständen. Die soziale
Mobilität nimmt ab und die Unterschiede zwischen „oben und unten“ verfestigen sich. Die
eingeschränkte Teilhabe von Vielen und eine enorme Konzentration des Wohlstandes bei Wenigen
werden zu einer sich verschärfenden strukturellen Machtfrage. Zu viel Reichtum in den Händen
weniger Leute gefährdet die wirtschaftliche Dynamik und nährt Fehlinvestitionen und
Preisblasen auf den Finanzmärkten.
Unser Land hat die wirtschaftlichen Möglichkeiten, allen, die hier leben, gleiche Chancen
und eine faire Teilhabe an Wohlstand und Lebensqualität zu bieten. Doch gefühlte und erlebte
Ungerechtigkeiten gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie. Es
sind auch unsichtbare Mauern in und zwischen den Wohnvierteln, die unsere Gesellschaft
spalten. Hier die Problemschule im sozialen Brennpunkt, da das Elitegymnasium in bevorzugter
Lage. In manchen Regionen sind die öffentlichen Gebäude frisch saniert und das Internet
kommt in Spitzengeschwindigkeit überall an. Ein paar Kilometer weiter zerfällt die
Infrastruktur, sind Schulen in einem jämmerlichen Zustand und das Stadtbad bereits seit
Jahren geschlossen. Die Erzieherin, der Pfleger oder die Polizistin müssen trotz ihrer
gesellschaftlich wertvollen Arbeit mit vergleichsweise niedrigen Einkommen über die Runden
kommen. Investmentbanker und Spitzenmanager streichen dagegen Millionen an Gehältern und
Boni ein, selbst wenn sie Werte vernichten.
Gerechtigkeit ist zentraler Grundsatz für uns GRÜNE. Dieser Anspruch strahlt für uns in alle
Politikbereiche aus. Wie wir leben, hat Auswirkungen auf die Chancen der Menschen in anderen
Teilen der Welt. Deshalb entspricht es unserem Verständnis von Gerechtigkeit, dass Menschen
nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt eine Chance auf eine lebenswerte Gegenwart
und Zukunft haben. Gerechtigkeit bedeutet für uns, auch künftigen Generationen eine intakte
und lebenswerte Welt zu übergeben, in der sie selbstbestimmt leben können. In der vernetzen
Welt des 21. Jahrhunderts kann und sollte soziale Sicherung nicht ausschließlich im
nationalen Rahmen gedacht werden. Soziale Gerechtigkeit ist auch ein zentrales Thema für die
Solidargemeinschaft der Europäischen Union. In dem Antrag “Ja zu Europa, Mut zur
Veränderung“ führen wir auf, wie wir mit einem sozialen Europa, einem europäischen
Steuerpakt und einem Green New Deal das Leben auf unserem Kontinent besser gestalten können
als mit nationalen Alleingängen oder mit einer einseitigen Austeritätspolitik, die ohne die
notwendigen Reformen und Investitionen durchgesetzt wird.
Investieren, entlasten, teilen
Chancengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit sind für uns zwei Seiten derselben
Medaille, wenn wir die Teilhabe aller erreichen und verbessern wollen. Drei Ziele sind uns
besonders wichtig, um dieses Land für uns und für unsere Kinder lebenswerter zu machen.
Erstens wollen wir mehr in eine gute Zukunft unseres Landes investieren: In
Chancengerechtigkeit, in einen Bildungsaufbruch und in gute öffentlichen Einrichtungen. Wir
wollen jedes Kind bestmöglich fördern und echte Aufstiegschancen für alle ermöglichen. Dafür
brauchen wir vor allem handlungsfähige Kommunen. Dort müssen wir den Investitionsstau in
dreistelliger Milliardenhöhe auflösen und unsere Städte und Gemeinden in die Lage versetzen,
Kita-Plätze zu schaffen, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, Schwimmbäder, Theater und
Jugendzentren zu unterhalten.
Zweitens wollen wir Familien und Alleinerziehende gezielt finanziell entlasten und
unterstützen. Kinderarmut darf in einem reichen Land wie Deutschland ebenso wenig einen
Platz haben wie Armut im Alter. Wir brauchen ein soziales Sicherungsnetz, das wirkungsvoll
vor Armut schützt, ein gutes Leben im Alter ermöglicht und niemanden durchs Raster fallen
lässt. Wir stehen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes und
solidarisches Leben von Frauen und Männern ermöglicht. Wir wollen die großen Aufgaben
anpacken: eine wirklich solidarische Finanzierung der Renten- und Krankenkassen und eine
Modernisierung der sozialen Sicherungsnetze in Zeiten der Digitalisierung.
Drittens wollen wir, dass der gemeinsam erwirtschaftete Wohlstand in unserem Land fairer
geteiltwird.[1] Wir arbeiten für ein gerechtes Land und eine solidarische Gesellschaft. Dazu
müssen alle einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Wir kämpfen für
mehr Steuerehrlichkeit und eine gerechtere Besteuerung von sehr vermögenden Menschen. Wir
setzen uns dafür ein, dass Chancen und Vermögen gerechter verteilt und möglichst alle
Arbeitsverhältnisse gut und sicher ausgestaltet und fair entlohnt werden.
Wir investieren in gute Bildung
Der Zugang zu guter Bildung ist eine Voraussetzung, um allen Menschen die gleiche Teilhabe
und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ein gutes Bildungssystem, von den
Kindertagesstätten über die Schulen bis zu den Hochschulen und den
Weiterbildungsinstitutionen, ist daher eine Schlüsselfrage für Chancengleichheit in der
Zukunft. Das betrifft im Fall von Kitas und Schulen nicht nur die Kinder, sondern auch deren
Eltern, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Dabei sind insbesondere
Alleinerziehende auf gute öffentliche Einrichtungen angewiesen.
Der aktuelle Bildungsbericht von Bund und Ländern zeigt, dass Kinder, die es schwer haben,
in Kita und Schule immer mehr mit Kindern zusammen sind, die es ebenfalls schwer haben. Kita
und Schule müssen daher immer mehr ausgleichen, um Chancengerechtigkeit und gleiche
Startchancen zu ermöglichen. Dabei müssten gerade in Stadtteilen, in denen viele sozial
benachteiligte Menschen leben, Kitas und Schulen besonders gut ausgestattet werden. Nur so
schaffen wir es, dass Benachteiligte eine faire Chance bekommen und Mittelschichtsfamilien
nicht wegziehen, sobald ihre Kinder das schulpflichtige Alter erreichen. Doch Bund, Länder
und Kommunen investieren insgesamt zu wenig in ihre Bildungseinrichtungen. Die öffentlichen
Bildungsausgaben liegen unter dem OECD-Schnitt. Was die Förderung von Kindern und
Jugendlichen angeht, hinkt unser Land hinterher. Das wollen wir ändern. Wir halten an den
Zielen fest, 7 Prozent des BIP in die allgemeine Bildung und 3,5 Prozent in Forschung und
Entwicklung zu investieren.
Wir wollen das Kooperationsverbot im Bildungsbereich abschaffen. So wollen wir es dem Bund
wieder ermöglichen, gemeinsam mit den Ländern stärker und zielgenau in Bildung zu
investieren. Denn momentan darf der Bund die Bundesländer in der Bildungspolitik nicht
unterstützen. Das wollen wir korrigieren. Kitas und Schulen in Gebieten mit schwacher
Einkommensstruktur wollen wir vorrangig fördern. Die Schulsozialarbeit wollen wir ausbauen.
Ein bundesweites Kitaqualitätsgesetz soll sicherstellen, dass gute Startchancen nicht vom
Wohnort des Kindes abhängen und schon bei der frühkindlichen Bildung die Qualität gesteigert
wird. Unser Anspruch ist, dass Erzieherinnen und Erziehern tatsächlich genügend Zeit für die
Betreuung und Förderung jedes Kindes haben. Die Fachkraft-Kind-Relation sollte sich deshalb
an der Maximalgröße 1:4 für unter Dreijährige und 1:10 für über Dreijährige orientieren. Wir
wollen neuen Schwung für flächendeckend qualitativ hochwertige Ganztagsschulen. Dafür legen
wir ein neues bundesfinanziertes Schulsanierungsprogramm auf. Solange das Kooperationsverbot
besteht, entlasten wir die Kommunen 5 Jahre lang mit jährlich 2 Milliarden Euro, damit sie
das Geld in den Ganztagsschulausbau stecken können.
Echte Teilhabe braucht neben Lernförderung auch Sport, Musik und Kultur. Das aktuell
geltende Bildungs- und Teilhabepaket ist bürokratisch und wird gerade einmal von einem
Fünftel der berechtigten Kinder in Anspruch genommen. Bei der Lernförderung ist es sogar nur
jedes zehnte Kind. Darum wollen wir einen Teil des Bildungs- und Teilhabepakets durch frei
zugängliche sowie bundesweit garantierte Angebote an Kitas, Schulen, Musikschulen und
Vereinen ersetzen und den anderen Teil der Leistungen in den Regelsatz überführen, um
Familien nicht weiter mit bürokratischen Antragshürden von gesellschaftlicher Teilhabe
auszuschließen.
Unsere Schulen und Hochschulen brauchen eine soziale Öffnung. Wir wollen das Studieren
gerade für junge Menschen aus benachteiligten Familien und aus Nicht-Akademiker-Haushalten
erleichtern. Dazu wollen wir das BAföG erhöhen und es zum Zwei-Säulen-Modell
weiterentwickeln. Damit die Studienbedingungen besser werden und die Abbruchzahlen sinken,
statten wir den Hochschulpakt besser aus. Wir lehnen Studiengebühren ab und wollen das
Deutschlandstipendium abschaffen.
Wir wollen den Übergang von der Schule in die Ausbildung verbessern. Dazu gehört eine
Ausbildungsgarantie, um zu verhindern, dass junge Menschen weiter ziel- und planlos von
Maßnahme zu Maßnahme verschoben werden. Alle bekommen individuelle Angebote. Wer trotzdem
keine Lehrstelle findet, startet mit einer überbetrieblichen Ausbildung, die zu einem
anerkannten Berufsabschluss führt.
Regelmäßige Weiterbildung wird immer wichtiger, auch weil die Digitalisierung immer mehr
Arbeitsbereiche durchdringt. Wir wollen, dass alle ihr Wissen und ihre Kompetenzen
regelmäßig erweitern und auffrischen können. Deshalb können wir nicht hinnehmen, dass die
Hälfte der Erwachsenen in Deutschland – vor allem gering Qualifizierte,
Teilzeitbeschäftigte, Ältere und Menschen mit Einwanderungsgeschichte – bei der beruflichen
Weiterbildung außen vor bleiben. Wir wollen die berufliche Weiterbildung aller mit dem
Modell BildungsZeitPlus, einem individuellen Mix aus Zuschuss und Darlehen, finanziell
gezielt unterstützen. Wir wollen in allen Bildungseinrichtungen die digitale Teilhabe
verbessern.
Wir kämpfen für Lohngleichheit und eine eigenständige
Existenzsicherung von Frauen
Gerechtigkeit meint für uns GRÜNE auch immer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Wir
wollen eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes und solidarisches
Leben ermöglicht. Hier hat grüne Politik viel erreicht. Aber solange es ein Gefälle in der
Verteilung von Machtpositionen, Einkommen und Zeit zu Lasten von Frauen gibt, bleibt diese
Gerechtigkeitslücke bestehen.
Wir wollen die Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen beenden. Frauen verdienen im
Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Das ist nicht nur zutiefst ungerecht – damit ist
Deutschland auch europaweites Schlusslicht. Minijobs und ein fehlendes Rückkehrrecht auf
Vollzeit und vorherigen Stundenumfang sind weitere Hürden auf dem Weg zur
Gleichberechtigung. Dazu gehört für uns auch eine gerechte Bewertung von Arbeit und eine
gesellschaftliche Aufwertung von Berufen mit hohem Frauenanteil – also all jener Berufe, die
sich direkt um Menschen kümmern, sei es in der Pflege, in der Kita oder in sozialen
Projekten. Entgeltregelungen müssen überprüft werden, Entgeltdiskriminierungen wollen wir
beseitigen. Außerdem fordern wir ein Verbandsklagerecht, beispielsweise für Gewerkschaften,
damit Verbände stellvertretend für die Beschäftigten klagen können. Es muss sich für Frauen
insbesondere lohnen, mehr als nur geringfügig arbeiten, damit sie den Schutz der
Sozialversicherungen erhalten. Dafür wollen wir den gesamten Niedriglohnsektor reformieren,
prekäre Beschäftigung zurückdrängen und Minijobs durch sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse ersetzen.
Wir wollen Frauen und Männer in ihrem Wunsch unterstützen, sich die Sorge für ihre Kinder
und eine Erwerbstätigkeit partnerschaftlich zu teilen. Die ungleiche steuerliche Behandlung
von heute gelebten Familienformen wollen wir beenden. Unser Steuersystem soll kein Hindernis
dafür sein, dass Frauen sich eine eigenständige Existenzsicherung aufbauen und sich
beruflich so verwirklichen können, wie sie es wünschen.
Das Ehegattensplitting steht diesen Zielen im Weg. Es ist ungerecht, denn es erlaubt nur
einem Teil der Familien, Lebensphasen abzufedern, in denen eine Person weniger oder nichts
verdient. Das Ehegattensplitting ist nicht nachhaltig. Alleinerziehende oder Paare, die sich
den Verzicht auf ein zweites Einkommen nicht leisten können, haben nichts davon. Hinzu
kommt, dass die mit dem Ehegattensplitting geförderte Arbeitsteilung vor allem für Frauen
erhebliche Armutsrisiken birgt und langfristig alles andere als eine Absicherung ist. Eine
Frau, die keiner oder nur einer geringfügigen Erwerbsarbeit nachgeht und in dieser Zeit
zusammen mit ihrem Partner vom Splitting profitiert, steht nach der Scheidung oder Verlust
des Partners oft ohne eigene Alterssicherung da. Aus diesen Gründen wollen zur individuellen
Besteuerung übergehen und das Ehegattensplitting durch eine gezielte Förderung von Familien
mit Kindern und Alleinerziehenden ersetzen.
VARIANTE 1: Dabei soll für Paare, die nach einer Reform heiraten oder sich verpartnern, das
neue Recht gelten. Für Paare, die bereits verheiratet oder verpartnert sind, bleibt das alte
Recht mit Ehegattensplitting bestehen.
VARIANTE 2: Dabei soll für Paare, die nach einer Reform heiraten oder sich verpartnern, das
neue Recht gelten. Für Paare, die bereits verheiratet sind, wird die Individualbesteuerung
schrittweise in einem Übergangszeitraum von 10 bis 20 Jahren eingeführt.
Die Reform des Ehegattensplittings wird mit Verbesserungen bei den Leistungen für Familien
mit Kindern und Alleinerziehenden verknüpft, die sicherstellen, dass Ehen mit Kindern keine
Nachteile erfahren.
Wir wollen weiterhin anerkennen, dass Paare, sei es in der Ehe oder in einer
Lebenspartnerschaft oder einfach zu zweit, in vielfältiger Weise Verantwortung füreinander
übernehmen. Aufwendungen für den Lebensunterhalt sollen daher zumindest in Höhe des
Grundfreibetrags steuerfrei gestellt werden. Wenn beide Eltern arbeiten, entstehen
beispielsweise Kosten für die Betreuung der Kinder. Auch diese gemeinsamen Aufwendungen
sollen zugunsten beider Eltern steuerlich absetzbar sein. Es könnte darüber hinaus sinnvoll
sein, auch freiwillige Beiträge für die Altersvorsorge oder die Krankenversicherung
anzuerkennen.
Wir stärken Familien, unterstützen Alleinerziehende und
fördern Kinder
Wir wollen, dass alle Kinder gut aufwachsen und ihre Talente verwirklichen können. Doch
aktuell leben fast drei Millionen Kinder in Deutschland in Armut oder sind von Armut
bedroht. Jedes zweite davon lebt in einem Alleinerziehenden-Haushalt. Deutschland schafft es
nicht, Chancengerechtigkeit und echte Teilhabe aller von Anfang an zu ermöglichen. Das ist
zutiefst ungerecht. Dafür braucht es eine effektive Strategie, die unterstützende und
befähigende Infrastruktur und Geldleistungen klug miteinander kombiniert.
Alleinerziehende tragen heute das größte Armutsrisiko. Dabei gehören sie zu den
Leistungsträger*innen in unserem Land. Wir wollen, dass sie besser dabei unterstützt werden,
Erwerbsarbeit und Familie miteinander zu vereinbaren und ihre Kinder zu unterstützen. Allen
voran bedeutet das für uns, Kinderarmut effektiv zu bekämpfen. Die Regelbedarfe für Kinder
(und ihre Eltern) sollen so erhöht werden, dass sie deren Bedarf tatsächlich decken.
VARIANTE 1: Kindergrundsicherung. Wir stehen für die Familienvielfalt und eine gerechte
Familienförderung. Wir wollen die Benachteiligung von Alleinerziehenden und unverheirateten
Paaren abschaffen und Familien mit Kindern entlasten. Alle Kinder sollen künftig Anspruch
auf die gleiche materielle Förderung in Höhe des höchsten Regelsatzes für Jugendliche
(derzeit 306 Euro) haben – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Eltern mit höheren Einkommen
erhalten derzeit über die Kinderfreibeträge vom Staat eine höhere Unterstützung für ihr Kind
als Eltern mit Anspruch auf Kindergeld. Durch die Kindergrundsicherung sollen Kindergeld,
Kinderfreibeträge und Kinderregelsatz zu einer unbürokratischen Leistung zusammenfasst
werden. Diese Reform gilt für alle Neu-Ehen, alle Alleinerziehenden und unverheirateten
Paare. Die Kindergrundsicherung kombinieren wir mit der Reform des Ehegattensplittings.
Bestehende Ehen erhalten eine Günstigerprüfung vom Finanzamt und können die für sie bessere
Variante wählen: entweder das alte Ehegattensplitting inklusive Kinderfreibeträgen und
Kindergeld oder die Individualbesteuerung mit neuer Kindergrundsicherung. So wird keine
Familie schlechter, aber insbesondere Familien mit kleinen und mittleren
Einkommendeutlichbesser gestellt. Insbesondere Alleinerziehende profitieren von unserer
Kindergrundsicherung.
VARIANTE 2: Jedes Kind ist uns gleich viel wert, ganz gleich, in welcher Familienform es
aufwächst. Wir sorgen dafür, dass alle Kinder ein gesichertes Existenzminimum haben. Wir
bekämpfen effektiv Kinderarmut. Wir entlasten die Familien der Mittelschicht. Wir stärken
Alleinerziehende. Wir erreichen dieses Ziel durch einen einkommensabhängigen Bonus zum
Kindergeld (KindergeldBonus), so dass im Ergebnis bei allen Kindern ihr Existenzminimum
gedeckt ist. Aktuell hat der Bund diesen Mindestbedarf mit 384 Euro definiert. Wir bekämpfen
Kinderarmut, indem Familien mit kleinem Einkommen den Bonus in voller Höhe erhalten. Das ist
nicht nur eine eindeutige finanzielle Verbesserung, sondern auch unbürokratisch, da diese
Hilfe direkt geleistet wird. Damit Eltern nicht wegen ihrer Kinder in den Hartz IV Bezug
rutschen, gibt es bisher Hilfe nur auf Antrag. Diese Hürde nimmt heute aber nicht mal ein
Drittel der Berechtigten. Der Rest lebt de facto unter dem Existenzminimum in verdeckter
Armut. Damit ist in Zukunft Schluss. Wir bekämpfen Kinderarmut, indem wir zudem den
Kinderregelsatz so erhöhen, dass er die Bedarfe von Kindern für ein gutes Aufwachsen
wirklich deckt. Wir entlasten Familien der Mittelschicht, da der KindergeldBonus mit
steigendem Einkommen nur schrittweise und geringfügig sinkt. Kinder zu haben darf kein
Armutsrisiko mehr sein. Wir stärken Alleinerziehende, indem sie durch den KindergeldBonus
eine gerechte Absicherung ohne zeitliche Begrenzung erhalten. Alleinerziehende, die keinen
oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder erhalten, sind heute auf den Unterhaltsvorschuss
angewiesen. Den gibt es aber nur maximal 6 Jahre und nur bis die Kinder 12 Jahre alt sind.
Außerdem wird ihnen das Kindergeld voll abgezogen. All diese Ungerechtigkeiten werden durch
den KindergeldBonus beendet. Mit diesem Einstieg in die grüne Kindergrundsicherung wird
jedem Kind endlich sein Grundrecht auf eine würdige Existenz ermöglicht.
Der eigene, existenzsichernde Job ist immer noch die beste Absicherung gegen Armut. Häufig
ist der Weg dorthin aber für Alleinerziehende und gering verdienende Eltern sehr schwierig.
Deswegen sind sie in besonderem Maße auf verlässliche und gute Betreuungs- und
Bildungsangebote für ihre Kinder angewiesen. Aus- und Weiterbildungen in Teilzeit können ein
Weg für Alleinerziehende sein, wieder einen existenzsichernden Arbeitsplatz zu finden. Dabei
muss gewährleistet sein, dass in diesen Phasen das Existenzminimum von Alleinerziehenden und
ihren Kindern ohne großen bürokratischen Aufwand durch lückenlose Leistungen gesichert ist.
Wiedereinstiegshilfen nach der Babypause oder einer längeren Elternzeit wollen wir
verbessern.
Daneben bleibt eine finanzielle staatliche Absicherung für den Fall notwendig, dass kein
oder nur unvollständiger Kindesunterhalt geleistet wird. Wir wollen die Eltern nach einer
Trennung aber nicht aus der Verantwortung für ihre Kinder entlassen. Es ist wichtig, dass
die staatliche Unterstützung im Fall von ausbleibendem Kindesunterhalt vom
unterhaltspflichtigen Elternteil wirksam zurückgefordert wird.
Wir wollen es zudem Familien erleichtern, Kinder und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Zeitliche Engpässe ergeben sich nicht nur bei Familien mit Kleinkindern, sondern begleiten
Familien und Alleinerziehende bis die Kinder auf eigenen Füßen stehen. Wir wollen für mehr
Flexibilität und Entscheidungsspielräume sorgen, so dass Eltern und Alleinerziehende mit der
KinderzeitPlus partnerschaftliche Anreize für die Kinderbetreuung erhalten.
Wir wollen gute Arbeit und faire Löhne für alle
Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat zugenommen und die Nachfrage nach
Beschäftigten ist weiterhin hoch. Aber längst nicht alle Menschen wurden von dieser guten
Entwicklung mitgenommen. Vor allem Arbeitsuchende und Langzeitarbeitslose haben kaum
profitiert.
Auch andere Probleme am Arbeitsmarkt sind ungelöst. Ein Viertel der Beschäftigten sind in
Deutschland atypisch beschäftigt, darunter fast dreimal so viele Frauen wie Männer. Das sind
nahezu acht Millionen Menschen, die entweder in kleinen Teilzeitjobs, Leiharbeit,
befristeter Beschäftigung oder in Minijobs arbeiten. Dazu kommen Scheinselbständige und
Abrufkräfte. Nicht alle diese Jobs sind problematisch. Allerdings zeigt sich, dass diese
Beschäftigungsverhältnisse oft unsicher sind, schlecht entlohnt werden, zu Altersarmut
führen und viel zu selten Brücken in auskömmliche, sichere Beschäftigung darstellen. Daneben
stehen wir vor neuen Herausforderungen. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Neue
Arbeitsformen wie Cloud- oder Crowdworking sind entstanden, unsere Arbeit wird insgesamt
vernetzter und mobiler und flexibler. Diesen Prozess wollen wir gestalten. Wir wollen faire
Arbeit schaffen, Selbständigkeit unterstützen, Zugänge und Teilhabe sichern, die sozialen
Netze für die neuen Erwerbsbiografien fit machen und Rahmenbedingungen schaffen, die es
Frauen und Männern ermöglichen, Arbeit und Familie besser und gleichberechtigter in Einklang
zu bringen. Außerdem wollen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, so dass
Unternehmen auch in Zukunft gute Arbeitsplätze schaffen können und setzten dabei
insbesondere auf fairen Wettbewerb.
Faire Löhne und sichere Beschäftigung
Der allgemeine Mindestlohn ist ein Meilenstein, für den wir lange gekämpft haben. Von der
Lohnuntergrenze sind Langzeitarbeitslose und Jugendliche allerdings immer noch
ausgeschlossen. Wir setzen uns dafür ein, dass diese diskriminierenden und ungerechten
Ausnahmen abgeschafft werden.
Mit einem Gesetz für mehr Entgeltgleichheit, das Unternehmen, Tarifpartner und Staat in die
Pflicht nimmt, wollen wir das ändern. Leiharbeit darf nicht länger dazu missbraucht werden,
geltende Tarifverträge zu umgehen und Lohnkosten einzusparen. Deshalb fordern wir für
Leiharbeitskräfte ab dem ersten Tag die gleiche Bezahlung wie für die Stammbelegschaft plus
eine Flexibilitätsprämie. Damit wird Leiharbeit auf ihre eigentliche Aufgabe – die
Abfederung von Auftragsspitzen – zurückgeführt und dies ohne eine bürokratische
Höchstüberlassungsdauer. Gleichzeitig muss Leiharbeit klar von echten Werk- oder
Dienstverträgen abgegrenzt und Scheinselbstständigkeit mit nachvollziehbaren und
rechtssicheren Kriterien wirkungsvoll unterbunden werden. Notwendig sind auch mehr
Mitbestimmungsrechte für die Betriebsrätinnen und Betriebsräte, wenn Fremdpersonal in ihren
Betrieben eingesetzt wird, denn zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen dürfen tariflich gut
bezahlte Arbeit nicht ersetzen.
Viele befristet Beschäftigte können sich ihrer Vertragsverlängerung oder Entfristung nicht
sicher sein und vor allem junge Menschen müssen zu oft mit einer befristeten Beschäftigung
vorliebnehmen. So wird die Probezeit verlängert und der Kündigungsschutz umgangen. Darum
wollen wir Befristungen ohne sachlichen Grund abschaffen.
Minijobs sind keine Brücke in reguläre Beschäftigung und haben sich vor allem für Frauen oft
zur berufliche Sackgasse entwickelt. Wir wollen den Niedriglohnsektor reformieren, prekäre
Beschäftigung zurückdrängen und Minijobs durch sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse ersetzen.
In Deutschland gibt es nach wie vor einen geschlechtsspezifisch geteilten Arbeitsmarkt, in
dem Tätigkeiten im Pflege-, Sorge- und Sozialbereich, schlechter bezahlt werden. Die
Aufwertung typischer Frauenberufe in diesem Care-Sektor ist ein wichtiger Baustein hin zur
Lohngleichheit. Auf der strukturellen Ebene bedeutet das eine deutlich bessere Entlohnung,
Qualifizierung sowie bessere Arbeitsbedingungen, die die Selbstachtung der zu Versorgenden
respektieren und die Selbstausbeutung der Beschäftigten vermeiden. Hierzu gehört auch, dass
mehr Personal im Pflege- und Sorgebereich eingestellt wird. Wir fordern ein
bundeseinheitliches, verbindliches Personalbemessungsinstrument und die gleichwertige
Vergütung von Ausbildungen in diesen Berufen von Anfang an. Gut finanzierte Sorgearbeit
sichert unsere Zukunft und macht das Land (geschlechter-)gerechter.
Erwerbsarbeit muss sich lohnen. Gerade kleine Einkommen sind aber überproportional von den
Sozialabgaben betroffen. Damit besonders Geringverdienende mehr im Geldbeutel haben, wollen
wir sie bei den Sozialabgaben entlasten, ohne damit Leistungseinschränkungen zu verbinden.
Insgesamt wollen wir Steuern, Abgaben und soziale Leistungen so aufeinander abstimmen, dass
sich Erwerbsarbeit immer rechnet.
Mehr Selbstbestimmung, damit Arbeit gut ins Leben passt
Bisher haben vor allem die Arbeitgeber Ansprüche an die Flexibilität ihrer Beschäftigten
gestellt. Jetzt aber fordern die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität, um Erwerbsarbeit und
Privatleben besser unter einen Hut zu bekommen. Dafür brauchen sie mehr Mitspracherechte
über den Umfang, die Lage und den Ort ihrer Arbeit. Durch Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40
Wochenstunden wollen wir Vollzeit neu definieren und zu einem flexiblen Arbeitszeitkorridor
umgestalten. Auch Betriebsräte sollen mehr Möglichkeiten erhalten, Betriebsvereinbarungen zu
Vereinbarkeitsfragen und für mehr Zeitsouveränität zu verhandeln. Damit können Frauen
leichter als bisher ihre Beschäftigung ausweiten und Männer in Teilzeit gehen, ohne
Karriereeinschnitte und andere Nachteile fürchten zu müssen. Auch das Rückkehrrecht auf
Vollzeit muss endlich kommen, und das Arbeiten im Home-Office als Ergänzung zum Arbeitsplatz
soll leichter werden. Arbeitszeitreduzierungen wegen Kindererziehung (KinderZeitPlus), der
Pflege von Angehörigen (PflegeZeitPlus) und für eine Weiterbildung (BildungsZeitPlus) wollen
wir finanziell unterstützen.
Gesunde Arbeitsplätze fördern, Mitbestimmung stärken
Gut ist Arbeit nur dann, wenn sie nicht krank macht. Zu einer neuen Arbeitszeitkultur gehört
ein wirksamer Schutz vor Stress, Mobbing, psychischen Belastungen und Entgrenzung der
Arbeit. Zeitsouveränität darf nicht zu unbezahlter Mehrarbeit und Burnout führen. Dafür
braucht es einen modernen Arbeitsschutz und eine wirksame betriebliche Mitbestimmung, um
gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor dem Hintergrund einer verlängerten
Lebensarbeitszeit sowie des wachsenden Fachkräftebedarfs setzen wir und dafür ein,
Arbeitsplätze alters- und alternsgerecht auszugestalten.
Entscheidend für gerechte Arbeitswelt sind ein funktionierendes Tarifvertragssystem und eine
wirkungsvolle Mitbestimmung. Sie ermöglichen faire Vereinbarungen zwischen
Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, zwischen dem Management und Beschäftigten –
passgenau je nach Branche, Region oder Betrieb. Deshalb wollen wir die Sozialpartnerschaft
und die Mitbestimmung wieder stärken und zukunftsfest machen. Die Lücken in der
Unternehmensmitbestimmung sollen geschlossen und die Gründung von Betriebsräten einfacher
werden. Mitbestimmung darf nicht durch Unternehmensverlagerungen oder -aufspaltungen
umgangen und in den Betrieben verhindert werden. Die Schwelle für die paritätische
Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat wollen wir von heute 2.000 auf 1.000 absenken. Die
Europäisierung der betrieblichen- und der Unternehmensmitbestimmung, zum Beispiel durch
europäische Betriebsräte, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er muss konsequent
weitergegangen werden. Weil die Arbeitswelt digitaler wird, wollen wir auch das
Betriebsverfassungsgesetz fit machen für die Zukunft und an die Digitalisierung anpassen. So
erhalten Betriebs- und Personalräte Mitbestimmungsrecht über die Menge der Arbeit bzw. über
Zielvorgaben, wenn durch Vertrauensarbeitszeit die Arbeit entgrenzt wird und Mehrarbeit
entsteht.
Neue Arbeitsversicherung
Die Arbeitswelt und die Erwerbsbiografien werden nicht zuletzt durch die Digitalisierung
immer bunter. Mit diesen Veränderungen hat die Arbeitslosenversicherung nicht Schritt
gehalten. Sie orientiert sich nach wie vor am Normalarbeitsverhältnis. Das führt u.a. dazu,
dass fast jeder vierte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, der seine Arbeit verliert,
trotz Beitragszahlungen sofort in das Hartz-IV-System fällt. Das wollen wir ändern: Wer
Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, der muss einen angemessen Anspruch auf
Arbeitslosengeld erhalten.
Wir wollen die Arbeitslosenversicherung so weiterentwickeln, dass alle Erwerbstätigen gut
abgesichert sind – ganz gleich, ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig sind, ob sie
auf Zeit, in Projekten oder an mehreren Stellen gleichzeitig arbeiten. Gerade wer flexibel
arbeitet oder ein Unternehmen aufbaut, braucht einen verlässlichen Schutz
Neben den Arbeitsformen wandeln sich auch die Arbeitsinhalte immer rascher. Deswegen wird
die kontinuierliche berufliche Weiterbildung beständig wichtiger. Hieraus ergeben sich auch
neue Aufgaben für Arbeitsagenturen und Jobcenter. Sie sollen Beschäftigte nicht erst im
„Versicherungsfall Arbeitslosigkeit“ unterstützen, sondern bereits vorbeugend qualifizieren,
um Arbeitslosigkeit vermeiden.
Wir wollen die heutige Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung perspektivisch zu
einer umfassenden Arbeitsversicherung umbauen, die für Beschäftigte und Selbständige da ist.
Sie soll Schutz bieten, beim Wiedereinstieg in Arbeit helfen und präventiv zur Vermeidung
von Arbeitslosigkeit beitragen.
Sicherheit in der Selbständigkeit
Für immer mehr Menschen ist die Selbständigkeit eine Option – auf Dauer, vorübergehend oder
neben einer abhängigen Beschäftigung. Um die notwendige soziale und ökologische
Modernisierung zu meistern, brauchen wir auch die innovative Kraft von Gründerinnen und
Gründern. Wir wollen darum alle, die den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit wagen,
dabei unterstützen, sich besser und einfacher abzusichern.
Gesetzlich versicherte Selbständige wollen wir bei den Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen mit geringeren Mindestbeiträgen entlasten. Die freiwillige
Arbeitslosenversicherung für Selbstständige soll wieder erschwinglicher werden, für alle
Selbstständigen geöffnet und gerechter ausgestaltet werden. Wahltarife sollen dabei mehr
Flexibilität für Selbstständige ermöglichen. Außerdem wollen wir alle nicht anderweitig
abgesicherten Selbständigen in die gesetzliche Rente einbeziehen und ihnen eine größere
Beitragsflexibilität als heute ermöglichen, etwa durch ein Vorauszahlen von Beiträgen in
guten und ein Nachzahlen in schlechten Zeiten. Wir stehen ohne Wenn und Aber zur
Künstlersozialkasse.
Nicht nur die digitale Arbeitswelt braucht eine klare Definition von Selbständigkeit. Immer
mehr Menschen arbeiten heute formal selbständig, aber ähnlich wie Angestellte auf Basis von
Dienst- oder Werkverträgen. Die einen genießen die damit verbundenen Freiheiten. In manchen
Fällen handelt es sich aber schlicht um Scheinselbständigkeit. Notwendig sind deshalb klare
- an eine moderne Arbeitswelt angepasste - Kriterien, die gezielt Scheinselbstständigkeit
verhindern, aber die echten Selbstständigen in ihrer Tätigkeit nicht behindern. So kann mehr
Sicherheit für die Selbstständigen und die Unternehmen entstehen und die Zahl der
Statusfeststellungsverfahren deutlich reduziert werden.
Dumpinghonorare dürfen in der modernen digitalen Arbeitswelt keinen Platz haben.
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind gleichermaßen gefordert,
Mindestarbeitsbedingungen und Honorare für Selbständige in ihre Tarifabschlüsse
einzubeziehen. Analog zu Mindestlöhnen, die nur abhängig Beschäftigten zustehen, wollen wir
auch branchenspezifische Mindesthonorare ermöglichen. Darüber hinaus wollen wir prüfen,
inwieweit ein Mindestlohn auf Selbständige übertragbar ist, zum Beispiel durch ein
Mindesthonorar für bestimmte Dienstleistungen. Auch für Online-Plattformen braucht es Regeln
für ein faires Miteinander durch bessere AGBs und durch eine Art Interessensvertretung für
die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Der Beschäftigtendatenschutz muss auch für
selbständig Erwerbstätige gelten, die für Unternehmen und in der Crowd arbeiten.
Zugänge schaffen
Trotz Beschäftigungsbooms ist die Zahl der Arbeitslosen weiterhin hoch. Gerade
Langzeitarbeitslose finden wegen eines fehlenden Berufsabschlusses keine neue Stelle. Wir
wollen Jobcenter und Agenturen so ausstatten, dass alle Arbeitslosen optimal betreut und
zusammen mit ihnen passgenaue Strategien entwickelt werden können, um die Arbeitslosigkeit
nachhaltig zu beenden. Dazu gehören vor allem Qualifizierungen, Sprachförderung,
Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse. So gelingen Zugänge in Arbeit - auch für Menschen
mit Behinderungen, Migranten und andere auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen.
Teilhabe ist für viele untrennbar mit Erwerbsarbeit verbunden. Es gibt aber Arbeitslose, die
absehbar keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie brauchen einen verlässlichen
Sozialen Arbeitsmarkt. Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, damit auch
Arbeitslose mit besonders schwerwiegenden Problemen wieder Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen
– schrittweise und nachhaltig.
Der Zugang von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist eine elementare Voraussetzung für eine
erfolgreiche Integration. Darum müssen wir die verbliebenen Hürden zügig abbauen und
Geflüchtete so früh wie möglich in Ausbildung und Arbeit bringen. Alle Asylsuchenden sollen
sofort nach ihrer Ankunft damit beginnen können Deutsch zu lernen und so früh wie möglich
einen Anspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen bekommen. Diesen Teilnahmeanspruch
müssen auch Geduldete unabhängig vom Duldungsgrund erhalten.
Wir kämpfen für eine armutsfeste Grundsicherung
Wir setzten uns für eine Grundsicherung ein, die das soziokulturelle Existenzminimum für
alle gewährleistet, damit niemand zurückgelassen wird. Eine Gesellschaft, die zusammenhalten
soll, muss zu aller erst darauf achten, dass denjenigen geholfen wird, die sich nicht selbst
helfen können. Soziale Sicherheit ist die Voraussetzung für gesellschaftliches Engagement.
Sie ist die Basis dafür, dass sich Menschen einmischen wollen und können.
Der ALG-II-Regelsatzmuss auf einer neuen Grundlage berechnet und erhöhtwerden, so dass man
menschenwürdig davon leben kann. Für Kinder und Jugendliche gilt, dass die Regelbedarfe so
anzusetzen sind, dass sie den tatsächlichen Bedarf decken, auch den zur Teilhabe an Bildung
und Kultur. Erforderlich ist auch eine einfache Lösung zur Deckung der Bedarfe von Kindern,
die zwischen den Haushalten ihrer getrennt lebenden Eltern wechseln.
Das Prinzip der Bedarfsgemeinschaften benachteiligt vor allem Frauen und zementiert ihre
finanzielle Abhängigkeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Grundsicherung zu einer
individuellen Leistung weiterentwickelt wird, indem die Einkommensanrechnung von
Partnerinnen und Partnern in Paarhaushalten bei der Grundsicherung wie bei der Sozialhilfe
erfolgt.
Die Sanktionen wollen wir bis zu ihrer umfassenden Evaluierung und der Stärkung der Rechte
der Arbeitsuchenden aussetzen. Die Sonderregeln bei den Sanktionen für unter 25-Jährige
wollen wir gänzlich abschaffen, sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung immer von
Sanktionen ausnehmen. Grundsätzlich müssen die Sanktionen so ausgestaltet werden, dass der
Grundbedarf unangetastet bleibt.
Wir wollen, dass das Grundrecht auf Existenzsicherung zuverlässiger wahrgenommen werden
kann. Es muss zudem verständlicher werden, auf welche Leistungen Personen in welcher
Situation Anspruch haben. Die Jobcenter müssen sich auf jene Bürgerinnen und Bürger
konzentrieren können, die tatsächlich die Beratung und Unterstützung benötigen. Dafür wollen
wir die Jobcenter von unnötiger Bürokratie befreien.
Wir wollen verhindern, dass Menschen allein deshalb bedürftig werden, weil sie Kinder haben,
sich ihre Wohnung nicht leisten können oder das BAföG nicht reicht. Deshalb stärken wir die
materielle Absicherung außerhalb der Grundsicherung, indem wir die materielle Absicherung
von Kindern, das Wohngeld, das BAföG und die Berufsausbildungshilfe verbessern.
Wir stärken unsere Kommunen und investieren in unsere
Infrastruktur
Gerechtigkeit bedeutet für uns, dass jede und jeder die gleiche Freiheit hat, etwas
erreichen zu können – unabhängig davon, wo die Menschen in Deutschland wohnen. Doch diese
Freiheit lebt von Voraussetzungen. Dazu gehört allem voran der Zugang zu guten öffentlichen
Einrichtungen. Gerade wer benachteiligt und arm ist, ist in besonderem Maße auf den Zugang
zu guten Kitas, Schulen, Bibliotheken, Jobcentern, Gesundheitsversorgung und einem
funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr angewiesen.
Doch unsere Städte und Gemeinden sind sehr verschieden. Steuereinnahmen, Museen und Theater,
sanierte Schulen und intakte Quartiere sorgen in vielen Orten für eine hohe Lebensqualität.
Marode Turnhallen, geschlossene Büchereien, schimmlige Schwimmbäder und Mangelverwaltung
konzentrieren sich in anderen. Der im Grundgesetz verankerte Grundsatz der Gleichwertigkeit
der Lebensverhältnisse kann im direkten Vergleich zwischen ausgewählten Regionen in Zweifel
gezogen werden. Hier wollen wir gegensteuern und Kommunen stärken. Unser Anspruch ist, dass
Städte und Gemeinden vor Ort die Lebensbedingungen aktiv gestalten können. Auch die aktuelle
Herausforderung der Integration von Geflüchteten verdeutlicht, dass wir die Orte stärken
müssen, wo Integration gelingen soll – vor Ort in unseren Städten und Gemeinden.
Deshalb wollen wir, dass unseren Städte und Gemeinden nicht weiter mit immer neuen Aufgaben
belastet werden, ohne dass dafür das notwendige Geld zur Verfügung gestellt wird. Wir
wollen, dass der Bund sich stärker bei den sozialen Pflichtaufgaben engagiert. Spürbare
Entlastungen von Sozialausgaben erleichtern gerade struktur- und finanzschwachen Kommunen
das tägliche Handeln. Die Einnahmen der Kommunen wollen wir mit der Weiterentwicklung der
Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer verlässlicher machen.
Finanzschwache Kommunen investieren bis zu einem Drittel weniger und es fällt ihnen
schwerer, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten. Der kommunale Investitionsstau im
dreistelligen Milliardenbereich konzentriert sich auf die finanziell Gebeutelten. Wir wollen
deshalb einen Investitionspaket für die Zukunft auf den Weg bringen, der die Auflösung des
Investitionsstaus, Gerechtigkeit und Ökologie zusammen denkt. Zusätzliche öffentliche
Aufträge für unsere Wirtschaft schaffen neue Arbeitsplätze und führen zusammen mit mehr
sozialer Teilhabe zu mehr Wohlstand und Lebensqualität. Auch für unsere Kinder, denen wir
eine gute Infrastruktur hinterlassen wollen.
Mit einem fünfjährigen Schulsanierungsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro wollen wir
den Investitionsstau in den Kommunen lösen und vor allem unsere Bildungsinfrastruktur
verbessern. Mit dem Grünen Wärmepaket fördern wir mit sieben Milliarden Euro jährlich die
Umstellung auf klimafreundliche Wärme. Wir investieren in nachhaltige öffentliche Mobilität:
Auf dem Land gewährleistet ein regelmäßiger Bus- und Bahnverkehr die Teilhabe am
öffentlichen Leben, in den Städten finanzieren wir sichere Radwege und einen zuverlässigen
Nahverkehr.
Wir wollen den Solidaritätszuschlag ab 2019 neu ausrichten. Ziel muss sein, finanzschwache
Länder und Regionen zu unterstützen – und zwar unabhängig von Himmelsrichtungen. Damit soll
der maroden Infrastruktur, sowie den hohen Schuldenständen und Zinslasten zahlreicher
Kommunen nachhaltig entgegengewirkt werden. Wir wollen dadurch auch eine nachhaltige Lösung
für bestehende kommunale Altschulden gewährleisten und ermöglichen so hochverschuldeten
Städten einen Neustart.
Wir schaffen bezahlbare Wohnungen
Unsere Wohnungen dürfen keine reinen Spekulationsobjekte sein. Sie sind unsere Heimat.
Bezahlbares Wohnen ist heute in vielen Städten zu einer der großen sozialen Herausforderung
geworden, vor allem für Geringverdiener*innen, Familien, Alleinerziehende oder Menschen mit
geringer Rente. Immer mehr Menschen benötigen staatliche Unterstützung, um sich ihre Wohnung
überhaupt leisten zu können. Andere werden ganz aus ihrem vertrauten Umfeld vertrieben. Es
gibt zu wenig bezahlbaren und günstigen Wohnungen. Investoren aber schauen auf eine
möglichst hohe Rendite, günstigen Wohnungen jedoch schaffen sie kaum. In den letzten zehn
Jahren haben wir über eine Million Sozialwohnungen an den freien Markt verloren, während der
Bedarf stetig steigt. Immer mehr Finanzinvestoren kontrollieren den Wohnraum in unseren
Städten und setzen ihre Macht gegen die Interessen der Mieter ein.
Wir Grüne begreifen Wohnen als Teil der Daseinsvorsorge und wollen den Negativ-Trend
umkehren. Dafür wollen wir binnen zehn Jahren eine Million dauerhaft günstige Wohnungen
schaffen. Deshalb muss der Bund zurück in die Verantwortung – mit der Wiedereinführung der
Wohnungsgemeinnützigkeit. Diese bietet Vorteile und Unterstützung für private Investoren,
kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die günstigen Wohnraum schaffen. Im
Gegenzug verpflichten sie sich dazu, diesen günstigen Wohnraum dauerhaft zu erhalten.
Zusätzlich fordern wir, die Mittel des Bundes für die Wohnraumförderung der Länder auf
mindestens zwei Milliarden Euro zu erhöhen.
Die Mietpreisbremse müssen wir scharf stellen, indem wir die vielen Ausnahmen streichen.
Denn die Mini-Mietpreisbremse der großen Koalition hat an explodierenden Mieten in
Großstädten nichts geändert. Sie ist lückenhaft und bietet keinen ausreichenden Schutz für
Mieterinnen und Mieter. Das Mietrecht, gedacht als Ausgleichsinstrument zwischen
Mieter*innen und Vermieter, hat seine Balance verloren. Deshalb bedarf es Änderungen, die
Mieterhöhungen begrenzen, den unverschuldeten Verlust der Wohnung verhindern und die
Mietpreisbremse zu einem robusten Schutzinstrument weiterentwickeln. Der Bund darf sich
nicht länger als Immobilienspekulant betätigen, sondern soll Liegenschaften vergünstigt
abgeben, wenn das städtebaulich oder wohnungspolitisch erforderlich ist.
Wir denken als Einzige energetische Sanierungen und soziale Fragen zusammen. Durch eine
energetische Sanierung können die Heizkosten spürbar gesenkt werden, denn ein unsanierter
70er-Jahre Bau verbraucht bis zum Dreifachen von einem Haus mit einem guten energetischen
Standard. Doch längst hat der Stillstand in der Wärmepolitik auch soziale Folgen und die
warme Wohnung wird für viele Menschen unbezahlbar.
Um die Umstellung auf klimafreundliche Wärme zu fördern, legen wir ein ambitioniertes
Investitionsprogramm auf. Ein großer Teil davon geht in die warmmietenneutrale energetische
Modernisierung von Wohnungen in Vierteln, in denen viele Menschen mit kleinen Einkommen
wohnen. Außerdem unterstützen wir durch dieses Grüne Wärmepaket weitere Energiesparmaßnahmen
und den Einsatz von erneuerbarer Wärme. So schaffen wir faire Wärme und gute Jobs.
Energetische Modernisierungen müssen sozialverträglich erfolgen. Mieterinnen und Mieter
dürfen nicht durch Luxussanierungen verdrängt werden. Deshalb wollen wir die sogenannte
Modernisierungsumlage, die es Vermietern erlaubt, die Kosten einer Sanierung auf ewig auf
die Mieter umzulegen, deutlich kappen. So wird vermieden, dass energetische Sanierungen als
Preistreiber missbraucht werden können.
Das Wohngeld wollen wir als ein der Grundsicherung und Sozialhilfe vorgelagertes System
stärken. Zudem wollen wir es um ein Klimawohngeld ergänzen, das Mieter*innen zusätzlich
unterstützt, die in klimafreundlichen Häusern wohnen. Außerdem fordern wir seit Jahren eine
automatische Anpassung des Wohngeldes, das sich an der Preissteigerung orientiert. Wir
prüfen die Möglichkeit, den Vermögensaufbau, Wohnungseigentum und die Altersvorsorge von
Menschen mit wenig Einkommen durch Teilhabe an Genossenschaften oder Bauvereinen zu
unterstützen.
Wir wollen, dass große Wohnungsgesellschaften und Investoren nicht länger die
Grunderwerbsteuer umgehen können, während der Käufer eines Eigenheims diese voll bezahlen
muss. Deshalb schaffen wir die steuerliche Privilegierung von Share Deals in ihrer
bisherigen Form ab.
Wir setzen auf das Prinzip Bürgerversicherung
Wir GRÜNE wollen die sozialen Sicherungssysteme verlässlich, solidarisch und gerecht
gestalten. Die Basis der sozialen Absicherung ist eine starke Sozialversicherung, die allen
Bürgerinnen und Bürgern nach den gleichen Regeln Schutz garantiert. Gegenwärtig ist die
soziale Absicherung in Deutschland in mehrere Einzelsysteme zergliedert. Im Ergebnis sind
viele Menschen im Alter nicht so abgesichert oder werden im Krankheitsfall nicht so
versorgt, wie es notwendig ist. Während in der Krankenversicherung eine Zweiklassenmedizin
herrscht, existieren in der Altersversorgung gleich mehrere Systeme mit ganz
unterschiedlichen Versorgungsniveaus parallel nebeneinander.
Beiträge zu den Sozialversicherungen fallen heutzutage fast ausschließlich auf Löhne,
Gehälter, Renten und Arbeitslosengeld an. Einkunftsarten wie Aktiengewinne und
Kapitalerträge, die eine zunehmende Bedeutung haben, werden hingegen nicht berücksichtigt.
Dadurch müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner aber auch
Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld eine immer größer werdende Last alleine
stemmen.
Mit dem Prinzip der Grünen Bürgerversicherung wollen wir die bestehenden Ungerechtigkeiten
bei der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung beenden. Die Idee der Bürgerversicherung
beinhaltet, dass alle Bürgerinnen und Bürger unter der Berücksichtigung aller Einkunftsarten
in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen werden. So sind sie gut abgesichert und
versorgt und können sich entsprechend ihres Einkommens an der Finanzierung beteiligen. Diese
breitere Basis führt dazu, dass auch die künftigen Generationen bezahlbare Beiträge und eine
gute Leistungen erwarten können. Das Prinzip der Bürgerversicherung ist somit nicht nur ein
Beitrag für Gerechtigkeit und Solidarität, sondern auch eine entscheidende Antwort auf die
Frage der stabilen und verlässlichen Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme.
Wir schaffen die Zwei-Klassen-Medizin ab
Wir wollen klasse Medizin für alle, so dass alle Versicherten die Versorgung bekommen, die
ihnen hilft. In einigen Regionen wird es bereits schwer, überhaupt einen Arzt oder eine
Ärztin zu finden, weil manche sich auf Grund eines ungerechten Systems eher dort
niederlassen, wo viele privat Versicherte leben. Auch schultern die Versicherten die
Kostensteigerungen im Gesundheitswesen über den Zusatzbeitrag derzeit alleine. Doch auch
Privatversicherte sind nicht immer besser dran. Alte und kranke Menschen zahlen hier mehr
als Junge und Gesunde. Kinder sind nicht automatisch mitversichert und gering Verdienende
zahlen genauso viel wie Versicherte mit hohen Einkommen. Die Konsequenz: Gerade für privat
Versicherte mit geringen Einkommen wie Rentnerinnen und Rentner oder Soloselbständige wird
ihre Versicherung zur Last. Wer sich die steigenden Beiträge nicht mehr leisten kann, muss
eine schlechtere Versorgung oder höhere Eigenbeteiligungen in Kauf nehmen. Versicherten der
privaten Krankenkassen werden häufig Behandlungen angedreht, die für sie gar keinen Nutzen
haben oder ihnen sogar schaden können. Dazu kommen die mangelnden Wechselmöglichkeiten.
Privatversicherte sind in der Regel wegen der Altersrückstellungen an ihre Kasse gebunden.
Kurzum: Die Zwei-Klassen Medizin trifft viele Menschen – gleich ob privat oder gesetzlich
versichert.
Wir wollen die gesetzliche und private Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung
weiterentwickeln. Die Stärken der heutigen Krankenversicherung werden bewahrt, ihre
Schwächen beseitigt. In der Bürgerversicherung stehen Starke für Schwächere ein, Gesunde für
weniger Gesunde und Junge für Alte – diese wichtigen Prinzipien wollen wir festigen. Mit der
Bürgerversicherung stärken wir den Zusammenhalt in unserem Land.
Wir wollen die ungerechten Zusatzbeiträge so schnell wie möglich abschaffen und die
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wieder zur Hälfte an den Krankenversicherungsbeiträgen
beteiligen. Bei den Arzthonoraren soll nicht mehr zwischen gesetzlichen und privaten
Versicherten unterschieden werden. Zuzahlungen für Medikamente und andere
Selbstbeteiligungen wollen wir abschaffen. Im Wartezimmer wird so es keine Rolle mehr
spielen, wo die Patientinnen und Patienten versichert sind. Termine werden dann nach der
Notwendigkeit und nicht nach dem Geldbeutel vergeben, so dass gute Qualität für alle da ist.
Nicht „Viel hilf viel“, sondern Qualität, die bei den Patientinnen und Patienten ankommt,
soll der Maßstab guter Versorgung werden.
Die Gesundheits-Bürgerversicherung gibt den Versicherten bessere Wahlmöglichkeiten und ist
ein treuer Begleiter für das ganze Leben. Sie passt sich den unterschiedlichen Lebensphasen
ihrer Versicherten an. Niemand muss bei Krankheit oder im Alter unbezahlbare Beiträge und
eine schlechtere Versorgung befürchten. Ist beispielsweise das Gehalt oder der Gewinn bei
Selbständigen nicht so hoch, fallen geringere Beiträge an. Werden Kinder geboren, sind diese
automatisch mitversichert. Ohne zusätzliche Beiträge. Und wenn etwa auf Grund zu pflegender
Angehöriger oder wegen der Kinder Ehe- oder Lebenspartner zu Hause bleiben, sind diese
ebenfalls kostenfrei mitversichert. Zwischen den Kassen gibt es Wettbewerb vor allem um die
beste Qualität. Stimmen Qualität und Service nicht mehr oder ist der Beitrag zu hoch können
Versicherte die Kasse einfach wechseln.
Wir setzen uns dafür ein, die Gesundheitsversorgung stärker vor Ort zu verankern, so dass
auch die Bürgerinnen und Bürger mehr Einfluss auf die Ausgestaltung erhalten. Die
Bedürfnisse der Menschen werden so besser erkannt und es wird klar, wo Gesundheit mehr
gefördert oder die Versorgung verbessert werden kann. Mit einem größeren Einfluss der
Kommunen und Regionen bei der Gesundheitsversorgung sehen wir die Chance, diesen Sektor
übergreifend zu organisieren und etwa Hürden zwischen ambulanten Einrichtungen und
Krankenhäusern zu überwinden. So erreichen wir, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und
Patienten und ihre Gesundheit zum bestimmenden Maßstab werden und aus der reinen
Krankenversorgung eine echte Gesundheitsversorgung wird.
Wir wollen, dass die Pflege menschlich bleibt
Die Zahl der Menschen wächst, die Unterstützung und Pflege brauchen. Prognosen gehen davon
aus, dass sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln
könnte. Gleichzeitig sinkt die Zahl potenzieller Pflegepersonen. Auf diese Entwicklung zu
reagieren ist nach unserer Auffassung keine private, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.
Im Mittelpunkt Grüner Pflegepolitik stehen dabei die Bedürfnisse der zu pflegenden Menschen.
Pflegende haben mehr Wertschätzung und Unterstützung verdient. Wir wollen, dass
Pfleger*innen besser bezahlt werden. Ein junger und frischer Ausbildungsberuf muss
entstehen, der es attraktiv macht, sich für die Pflege zu entscheiden. Denn die stark älter
werdende Gesellschaft verändert die Ansprüche, die eine professionelle Pflegekraft erfüllen
muss. Mit unserem Modell eines integrativ gestuften Ausbildungssystems bleibt der hohe Grad
an Fachlichkeit und Expertenwissen in den drei Pflegeberufen Kranken-, Alten- und
Kinderkrankenpflege erhalten.
Wir wollen Menschen besser unterstützen, die ihre Verwandten oder Freunde pflegen. Mit der
Grünen PflegezeitPlus ermöglichen wir eine bis zu dreimonatige Freistellung mit
Lohnersatzleistung für alle Menschen, die Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige,
Nachbarn oder Freund*innen übernehmen. Denn Familie ist da, wo Verantwortung übernommen
wird, auch im Alter.
Mit unserem Quartierskonzept ermöglichen wir Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf
ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Umfeld. Ein zentraler Baustein des Konzeptes ist
es, Formen gegenseitiger Unterstützung wie bürgerschaftliches Engagement und
Nachbarschaftshilfe mit professionellen Gesundheits- und Präventionsangeboten sinnvoll zu
kombinieren. Außerdem geht es darum, das Wohnumfeld generationengerecht zu gestalten und die
Versorgung mit Dienstleistungen und Gütern des alltäglichen Bedarfs auch für Menschen mit
Pflegebedarf sicher zu stellen. Damit liefern wir einen Gegenentwurf zu großen Heimanlagen,
Vereinzelung, Entfremdung, zuweilen auch Verödung des Wohnumfeldes.
Die Pflegeversicherung wollen wir auf eine solide finanzielle Grundlage stellen und sie
ebenso wie die Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung umwandeln. Die Pflege-
Bürgerversicherung ist solidarisch und gerecht und hält die Beitragsentwicklung bis weit in
die Zukunft überschaubar.
Wir bauen Barrieren für Menschen mit Behinderungen ab
Wir GRÜNEN möchten unsere Gesellschaft zu einer inklusiven Gesellschaft weiter entwickeln,
so dass auch Menschen mit Beeinträchtigung selbstbestimmt leben können. Menschen mit und
ohne Behinderung sollen gleichermaßen teilhaben können, am Arbeitsmarkt wie im Quartier, in
der Schule wie in der Freizeit. Das ist für uns eine zentrale Frage der Gerechtigkeit.
Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert durch Barrieren und Einschränkungen, die
wir als Gesellschaft aufbauen und entstehen lassen. Das reicht vom fehlenden Aufzug im Kino
bis hin zu großen Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Vielen Menschen mit Behinderung wird
ein selbstbestimmtes Leben auch im Umgang mit dem Staat schwer gemacht, wenn sie
beispielsweise mit Ämtern um Leistungen kämpfen müssen oder von einer Stelle zur nächsten
verwiesen werden, wenn sich niemand zuständig fühlt. Wer Pech hat, kann vom Amt sogar
aufgefordert werden, die eigene Wohnung zu verlassen und in ein Heim zu ziehen, weil das
billiger ist - ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Mit der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland verpflichtet,
Barrieren abzubauen und dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen ihre Menschenrechte
auch wahrnehmen können. An folgenden Punkten braucht es dafür Veränderungen.
Wir wollen den Mehrkostenvorbehalt abschaffen und die Rahmenbedingungen für den Ausbau des
selbständigen Wohnens mit Assistenz sowie des Betreuten Wohnens weiter verbessern, auch für
Menschen mit umfassendem Unterstützungsbedarf. Der Mehrkostenvorbehalt führt nach wie vor
dazu, dass vielerorts die Behörden über Wohnen und Lebensform der Menschen entscheiden.
Menschen mit Behinderung sollen selbst über ihre Wohn- und Lebensform entscheiden können.
Integrationsunternehmen als echte Alternative zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung
sollen ausgebaut und das „Budget für Arbeit“ für weit mehr Menschen als bisher geöffnet
werden. Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht in einer Werkstatt für behinderte
Menschen arbeiten möchte, muss die dafür notwendige Unterstützung erhalten. Durch die
Schaffung von weiteren inklusiven Ausbildungsstätten möchten wir den Start ins Berufsleben
für Menschen mit Behinderung erleichtern.
Wir wollen Menschen unabhängig von ihrem Alter und ihren Fähigkeiten stärken und setzen uns
daher dafür ein, dass Teilhabeleistungen unabhängig vom Alter erbracht werden.
Behinderungsbedingte Leistungen sollen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erfolgen.
Wir wollen eine nachhaltige und gerechte
Alterssicherung für alle
Das System der Altersvorsorge ist im Wandel. Neben dem klassischen Rentenbezug werden in
Zukunft die unterschiedlichsten Kombinationen aus Rentenbezug und Teilzeitarbeit,
ehrenamtlichem Engagement, Sorgearbeit für Partner*innen sowie Angehörige stehen. Grüne
Rentenpolitik gibt eine generationengerechte Antwort auf die Herausforderungen des
demografischen Wandels und bezieht dabei die sich verändernden Berufsbiografien und
Erwartungen der Versicherten sowie der Menschen im Altersruhestand ein. Dazu gehört, die
Alterssicherung nachhaltig aufzustellen und in der Breite zu stärken.
Dafür wollen wir in der nächsten Wahlperiode den ersten Schritt zur Bürgerversicherung
gehen. Selbständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden.
Perspektivisch streben wir eine Rentenversicherung für alle an, also auch für Abgeordnete,
Freiberufler*innen und Beamt*innen. Wir setzen auf ein umfassendes Konzept – sowohl für
Geringverdienende als auch für die Mittelschicht, für Frauen, Versicherte mit
gesundheitlichen Einschränkungen und für alle Berufsgruppen. Im Zentrum stehen ein
stabilisiertes Niveau der materiellen Absicherung, eine nachhaltige sowie gerechte
Finanzierung – auch zwischen den Generationen - und die Möglichkeit, den Übergang vom Beruf
ins Alter selbstbestimmt sowie angepasst an die eigenen Bedürfnisse zu vollziehen.
Rentenniveau stabilisieren - gesetzliche Rente stärken
Die Basis für eine umfassende Alterssicherung ist und bleibt die gesetzliche Rente. Diese
ist besser als ihr Ruf. In der Bankenkrise und während der Niedrigzinsphase bewies und
beweist die umlagefinanzierte Rentenversicherung ihre Stabilität. Jedoch steht das System
der Alterssicherung insgesamt vor erheblichen Herausforderungen. Während die Beitragssätze
zur gesetzlichen Rentenversicherung auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten gesunken
sind, sackte das Leistungsniveau im selben Zeitraum deutlich ab, wenn auch nicht so stark
wie prognostiziert. Die zusätzliche Altersvorsorge und dabei insbesondere die Riester-Rente
blieben hinter den Erwartungen zurück. Die kapitalgedeckten Säulen konnten die ihnen
zugedachte, ausgleichende Rolle sowohl in der Breite als auch in der Höhe nicht ausfüllen.
Eine Stabilisierung des Rentenniveaus ist vor diesem Hintergrund bereits heute dringend
notwendig.
Das heutige, gegenüber dem Jahr 1998 bereits erheblich abgesenkte Rentenniveau sollte nicht
weiter fallen. Zugleich wollen wir, dass Leistungen wie die Mütterrente aus Steuern bezahlt
und Rahmenbedingungen so verändert werden, dass es für Frauen, Ältere und gesundheitlich
beeinträchtige Personen leichter wird, erwerbstätig zu sein. Auch sollten schon kurzfristig
deutlich mehr Personen in die Rentenversicherung einbezogen werden, insbesondere jene, die
keine obligatorische Absicherung haben. So ist eine Stabilisierung des Rentenniveaus auch
ohne eine deutliche Anhebung der Rentenbeitragssätze möglich. Das ist finanziell nachhaltig
und führt zu einem gerechten Ausgleich zwischen den Generationen.
Die Zukunft der Renten entscheidet sich vor allem am Arbeitsmarkt. Wenn es uns gelingt, dass
Frauen sich beruflich genauso verwirklichen können wie Männer, dann stabilisiert dies die
Rentenversicherung und sichert den Frauen zudem eine eigenständige Alterssicherung. Die
geschlechtsspezifische Rentenlücke zwischen Frauen und Männern ist gewaltig. Bei den
heutigen Rentnerinnen und Rentnern liegt sie bei rund 60 Prozent. Sie ist in den vergangenen
Jahrzehnten zwar kleiner geworden. Würde es in diesem Tempo weitergehen, dürfte es jedoch
noch einmal siebzig Jahre dauern, bis die Lücke geschlossen ist. So viel Zeit haben wir
nicht. Wir wollen den Gender Pension Gap minimieren. Dazu müssen in erster Linie die
Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt beseitigt, sowie die bessere Vereinbarkeit von
Familien- und Erwerbsarbeit ermöglicht werden. Dies betrifft den Ausbau von
Kinderbetreuungs- und Bildungsinfrastruktur, die Einführung einer echten Pflegezeit, das
Rückkehrrecht auf Vollzeit, eine Reform der Minijobs, gleicher Lohn für gleiche und
gleichwertige Arbeit sowie die Abschaffung steuerlicher Negativanreize und die Einführung
eines obligatorischen Rentensplittings.
Zusätzlich wollen wir durch eine Garantierente für langjährig Versicherte gewährleisten,
dass alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet, Kinder erzogen, andere
Menschen gepflegt oder sonstige Anwartschaften in der Rentenversicherung erworben haben, im
Alter eine Rente beziehen, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Betriebliche und private
Altersvorsorge werden auf die Garantierente nicht angerechnet.
Betriebliche und geförderte private Altersvorsorge neu aufstellen
Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, das Drei-Säulen-System der Alterssicherung zu
revitalisieren. Die betriebliche Altersversorgung muss in Zukunft auch diejenigen erreichen,
die heute faktisch ausgeschlossen sind. Arbeitgeber sollen ihren Beschäftigten in jedem Fall
eine Betriebsrente anbieten und mit einem eigenen Arbeitgeberbeitrag unterstützen. Die
Riester-Rente ist in ihrer bisherigen Form gescheitert.
Wir wollen die geförderte private Altersvorsorge deshalb grundlegend reformieren und ein
einfaches, kostengünstiges und sicheres Basisprodukt einführen, das als öffentliches
verwaltetes Produkt neben die bereits bestehenden Altersvorsorgeprodukte tritt.
Zudem soll die öffentliche Förderung in Zukunft vor allem Geringverdienenden zugutekommen.
Dazu wollen wir die Grundzulage erhöhen, einen Zuschlag für Menschen im unteren
Einkommensbereich einführen und im Gegenzug die steuerliche Förderung über den
Sonderausgabenabzug streichen.
Selbstbestimmter Übergang in die Rente – leistungsgerecht und individuell
Grundsätzlich sollte jede Person selbst entscheiden können, wann und wie sie in den
Ruhestand wechselt. Wir halten am schrittweisen Anstieg der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre
fest. Diese soll allerdings keine starre Grenze mehr sein. Denn die Bedürfnisse der Menschen
unterscheiden sich. Manche Menschen wollen mit 60 ihre Arbeitszeit reduzieren, andere
bevorzugen den stufenlosen Wechsel in die Altersrente und wieder andere wollen auch über die
Regelaltersgrenze hinaus noch voll im Erwerbsleben stehen. Grüne Politik hat zum Ziel,
diesen Wünschen und Fähigkeiten gerecht zu werden, indem wir bestehende Hindernisse auf dem
Weg zu mehr Flexibilität beseitigen.
Wir wollen eine echte Altersteilzeit durch eine attraktivere Teilrente bereits ab 60
ermöglichen. Gerade besonders belastete Beschäftigte sollen sie in Anspruch nehmen können.
Hier wäre ein Ausgleich von Abschlägen denkbar, wenn neben einer Teilzeittätigkeit eine
Teilrente in Anspruch genommen wird. Wir wollen sicherstellen, dass den Beitragszahlungen
von arbeitenden Rentnerinnen und Rentnern auch Rentenleistungen gegenüberstehen. Wir setzen
uns dafür ein, dass Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente, die allein aus
gesundheitlichen Gründen erfolgen, abgeschafft werden.
Wir sorgen für mehr Steuergerechtigkeit
Grüne Steuerpolitik stärkt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sie setzt darauf,
Lebensqualität zu steigern und die ökologische Finanzreform vorantreiben,
Steuergerechtigkeit zu schaffen und Steuervermeidung zu bekämpfen sowie Kinder in den
Mittelpunkt der Familienförderung zu stellen. Grüne Steuerpolitik leistet auch einen Beitrag
zur ökologischen Modernisierung, indem wir die Lenkungswirkung von Steuern nutzen. Weniger
Folgekosten und weniger Umweltschäden gehen einher mit höheren umweltfreundlichen
Investitionen und bringen damit eine doppelte Dividende für uns alle.
Mit unserer Steuer- und Haushaltspolitik wollen wir die nötigen Mittel für die
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bereitstellen und den zu hohen Schuldenstand vieler
Gebietskörperschaften zurückführen. Außerdem wollen wir im Sinne von Umverteilung der
wachsenden Spreizung der Einkommens- und Vermögensverteilung und der mangelnden
Chancengleichheit in unserer Gesellschaft steuerpolitisch entgegenwirken. Dazu gehört auch
eine Entlastung von Bezieher*innen kleiner Einkommen über steuerfinanzierte Leistungen, etwa
für Familien oder den sozialen Wohnungsbau oder über Steuergutschriften. Solche Instrumente
sind zielgenauer als eine Veränderung im Tarifverlauf der Einkommensteuer, weil diese auch
für die höheren Einkommen Wirkung entfaltet. Wir stehen zu dem aus der Verfassung
abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, der eine umverteilende
Wirkung des Steuerrechtes ausdrücklich vorgibt.
Der soziale Ausgleich, der Bildungsaufbruch und die ökologische Modernisierung können nur
mit einem handlungsfähigen Staat gelingen. Die aktuell entspannte gesamtstaatliche
Haushaltssituation darf nicht darüber hinweg täuschen, dass strukturelle Risiken weiter
bestehen. Denn vor allem den historisch niedrigen Zinsen und dem demografisch wie
konjunkturell begünstigten hohen Beschäftigungsstand verdanken wir die gegenwärtige positive
Lage. Es braucht insgesamt ein Mehraufkommen, um vor dem Hintergrund der finanziellen Lage
der Kommunen und der Notwendigkeit, die Schuldenbremse einzuhalten, den Investitionsstau in
unserem Land aufzulösen.
Steuerhinterziehung bekämpfen und Steuergestaltung einschränken
Wir wollen, dass alle ihren fairen Beitrag zum Gemeinwesen beitragen. In unserer
Gesellschaft wächst das Unverständnis darüber, dass einige Wohlhabende ihre Vermögen
steuerfrei in Panama verstecken und sich der solidarischen Gemeinschaft entziehen. Viele
Menschen haben den Eindruck, dass wir nicht mehr in einer sozialen Marktwirtschaft, in der
man mit eigener Anstrengung und durch eine faire Unterstützung der Gemeinschaft vorankommen
kann, sondern längst in einer Machtwirtschaft leben, in der große Konzerne und ihre Lobbies
regieren und ihre Interessen auf Kosten des Gemeinwohls durchsetzen können. Das gefährdet
den sozialen Zusammenhalt und die Akzeptanz unserer Demokratie in unserer Gesellschaft. Mit
dem Ankauf von Steuerdaten und der Verhinderung des Abkommens mit der Schweiz haben wir
geholfen, das Ende des Bankgeheimnisses zu besiegeln, wo andere, wie Finanzminister
Schäuble, es noch schützen wollten. Aber auch nach Ende des Bankgeheimnisses bleibt viel zu
tun.
Anonyme Briefkastenfirmen sollen der Vergangenheit angehören. Steuersümpfe wollen wir
austrocknen, sie gehören auf eine schwarze Liste. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen
und Banken müssen sanktioniert werden, wenn sie Geschäfte in Staaten auf dieser schwarzen
Liste tätigen oder sie vermitteln. Zahlungen in solche Staaten dürfen steuerlich nicht
absetzbar sein und sollen mit einer Quellensteuer belegt werden. Menschen mit deutscher
Staatsangehörigkeit sollen sich nicht länger durch Wegzug ihrer Steuerpflicht entziehen
können. Wie in den USA sollen auch deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben hier
steuerpflichtig bleiben.
Die internationale Verschiebung der Gewinne der großen Konzerne mit dem Ziel, darauf keine
Steuern mehr zu bezahlen, muss endlich unterbunden werden. Wir wollen, dass Deutschland
vorangeht und eine Vorreiterrolle einnimmt. Die große Koalition hat hier nichts unternommen.
Aus Rücksicht auf Interessen deutscher Konzerne sucht sie ausschließlich internationale
Lösungen und schiebt das Problem auf die lange Bank.
Alle in Deutschland tätigen Unternehmen sollen ihre Gewinne, Steuerzahlungen und ihre
Geschäftstätigkeit nach Ländern vollständig offenlegen. Denn die Öffentlichkeit hat ein
Recht zu erfahren, falls Unternehmen ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in andere
Staaten verschieben, um hier weniger oder keine Steuern zahlen. Auch Ausgaben wie
Lizenzgebühren und Zinsen dürfen nicht dafür missbraucht werden. Auslandsgewinne deutscher
Unternehmen wollen wir nicht länger von der Steuer freistellen, sondern die bereits im
Ausland gezahlte Steuer in Deutschland anrechnen.
Wir wollen, dass die Anbieter von aggressiven Steuermodellen verpflichtet werden diese
offenzulegen. Denn es waren Banken und Steuerberater, die Geschäfte nach Panama vermitteln
und die immer wieder auffallen durch Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Was in
Großbritannien und anderen Ländern schon lange selbstverständlich ist, muss auch in
Deutschland endlich Realität werden. Damit beenden wir das Hase-und-Igel-Spiel zwischen
Steuerbetrügern und Finanzamt, bei dem das Finanzamt meist das Nachsehen hat. Auch
Whistleblower, die wichtige Hinweise auf kriminelle Finanzgeschäfte liefern, wollen wir
endlich besser schützen.
Die deutschen Finanzämter sind den großen Steuerabteilungen der Konzerne oft hoffnungslos
unterlegen. Zahlreiche Staaten haben darauf reagiert, indem sie in ihrer Steuerverwaltung
Spezialeinheiten für große multinationale Unternehmen und reiche Privatpersonen geschaffen
haben. Deswegen wollen wir die Zuständigkeit für diese Gruppen von den Ländern einer
Spezialeinheit auf Bundesebene übertragen. Diese bundesweite Steuerfahndung wollen wir in
technischer und personeller Ausstattung auf Augenhöhe bringen mit den Steuerabteilungen der
Konzerne und den großen Steuerberatungsgesellschaften.
Besteuerung von Einkommen
Ab 2017 wird bei der Einkommensteuer eine Anpassung des Grundfreibetrages notwendig sein.
Zur aufkommensneutralen Gegenfinanzierung schlagen wir eine stärkere Differenzierung und
Erhöhung des Spitzensteuersatzes im Sinne einer höheren Reichenbesteuerung vor, welche
allerdings erst oberhalb eines zu versteuerndem Single-Einkommens von 100.000 Euro einsetzen
soll.
Wir wollen die Abgeltungsteuer abschaffen und damit die steuerliche Bevorzugung von Kapital-
gegenüber Arbeitseinkommen beenden. Kapitaleinkünfte sollen wieder der individuellen
Einkommensteuer unterliegen. Wer in der Einkommensteuer den Spitzensteuersatz zahlt, soll
dies auch für seine Kapitaleinkünfte tun.
Wir wollen die Abzugsfähigkeit von Gehältern auf 500.000 Euro und von Abfindungen auf eine
Million Euro beschränken. So wird die Subventionierung von sehr hohen Vergütungen, Boni und
Abfindungen durch den Steuerzahler verhindert.
Millionen-Vermögen besteuern
Derzeit werden hohe Vermögen in Deutschland sehr gering besteuert. Das liegt zum einen
daran, dass die Vermögensteuer nicht mehr erhoben wird. Zum anderen wirkt die
Erbschaftsteuer in ihrer jetzigen Form regressiv – je höher die Erbschaft oder Schenkung, je
niedriger die effektive Steuerbelastung. Die Ursache liegt darin, dass hohe
Vermögensweitergaben häufig von der Steuer freigestellt werden, weil sie überproportional
oft aus der Weitergabe von Betriebsvermögen bestehen und sie damit von der Steuer
freigestellt werden können.
Wir sehen die Notwendigkeit, mit einer verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren
Vermögensbesteuerung einer sich verstärkenden Vermögensungleichheit entgegen zu wirken und
die Mittel zu erwirtschaften, die für die Finanzierung von Maßnahmen zu mehr
Chancengleichheit vor allem im Bildungsbereich notwendig sind. Bei der Reform der
Vermögensbesteuerung werden wir darauf achten, dass sie unternehmerische
Investitionsentscheidungen möglichst wenig beeinflusst und gleichermaßen Steuergestaltungen
weitgehend vermieden werden. Eine aus Verfassungs- und Gerechtigkeitsgründen problematische
Unterscheidung verschiedener Vermögensarten wollen wir vermeiden. Die durch ein Urteil des
Verfassungsgerichts veranlasste Reform der Erbschaftssteuer ändert daran so gut wie nichts.
Die große Koalition hat die Erbschaftsteuer noch komplizierter gemacht und die Ausnahmen für
die Erben von Betriebsvermögen im Millionenumfang weitgehend beibehalten. Wir finden das
nicht gerecht und bezweifeln, dass es verfassungsgemäß ist.
VARIANTE 1: Wir streben die Wiederbelebung der Vermögensteuer an. Eine gute Basis bietet
dabei die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Januar 2016, die
auch für mehrere Varianten von Steuersätzen und Freibeträgen das Aufkommen schätzt. Die
grüne Vermögensteuer soll als Millionärsteuer ausgestaltet werden mit einem persönlichen
Freibetrag von mindestens einer Million Euro. Der Steuersatz soll maximal 1 Prozent betragen
und das Aufkommen bei 10 Milliarden Euro liegen. Mit diesem Ansatz würden 99,8 Prozent des
Aufkommens vom reichsten 1 Prozent unserer Gesellschaft getragen werden. Steuerfrei bleiben
die gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorgevermögen sowie die Altersrückstellungen
im Rahmen von privaten Krankenversicherungen. Ausweichmöglichkeiten werden dadurch
eingeschränkt, dass die Steuerpflicht an der Staatsangehörigkeit ansetzt, eine Verlagerung
von Wohnsitz oder Vermögen ins Ausland reduziert deshalb die Steuerzahlung nicht.
VARIANTE 2: Für eine tatsächlich progressive Erbschaftsteuerbelastung halten wir eine
Erbschaftsteuer mit einer einheitlichen und breiten Bemessungsgrundlage für alle
Vermögensarten (synthetische Erbschaftsteuer) für notwendig, denn sie allein unterbindet die
Gestaltung über unterschiedliche Vermögensarten. Mit moderaten Steuersätzen (Größenordnung
15 Prozent) und unter Beibehalt der aktuellen Freibeträge wird eine verfassungsfeste,
progressive und für die Länderhaushalte ergiebige Vermögensbesteuerung erreicht. Mit einer
verbindlich einzuräumenden Stundungsoption über einen angemessenen Zeitraum kann diese
Steuer von jedem Unternehmenseigentümer getragen werden, ohne die Investitionsmöglichkeiten
des Unternehmens einzuschränken.
Steuergerechtigkeit durch Vereinfachung
Das deutsche Steuersystem ist nicht einfach zu durchschauen. Viele Bürger*innen erstellen
ihre Steuererklärung nur mit Hilfe einer kostenpflichtigen Steuerberatung oder verzichten
ganz auf den Aufwand und damit oft auch auf Rückzahlungen. Dazu kommt, dass sich gerade bei
großen Vermögen und hohen Einkommen durch legale Steuervermeidungstricks erhebliche
Einsparungen erzielen lassen. All dies trägt zu dem Ungerechtigkeitsempfinden bei, wenn es
ums Thema Steuern geht. Dem wollen wir etwas entgegenstellen. Vorausgefüllte
Steuererklärungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, um Bürger*innen die Abgabe der
Steuererklärung zu vereinfachen. Doch weitere müssen folgen, um die Anzahl der Formulare und
Fragen zu reduzieren. Unser Ziel ist, dass am Ende für alle ein möglichst einfaches und
verständliches Verfahren steht.
Auch viele Selbstständige und mittelständische Unternehmen leiden unter dem bürokratischen
Aufwand, der mit der deutschen Steuergesetzgebung verbunden ist. Diese kann reduziert
werden, zum Beispiel indem wir die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter
erhöhen. Auch steht eine Vereinfachung bei der Umsatzsteuer mit Blick auf die aufwändigen
Verfahren bei Handel innerhalb der EU an. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten,
schaffen wir Branchensubventionen wie zum Beispiel bei der Umsatzsteuer für die Hotelbranche
ab. Zur Steuervereinfachung von Selbständigen wollen wir zusätzlich die Abgrenzungskriterien
im Sozial-, Arbeits-, und Steuerrecht einheitlich regeln, so dass Doppel- oder
Dreifachprüfungen vermieden werden können.
Wir wollen ökologische Gerechtigkeit für uns und unsere
Kinder
Ungerechtigkeiten entstehen auch durch Umweltverschmutzung und ökologische Verfehlungen.
Daher gehören Gerechtigkeit und Ökologie untrennbar zusammen. Kommenden Generationen eine
lebenswerte Welt zu hinterlassen, ist eine Frage der Gerechtigkeit. Eine gute Zukunft wird
es nur dann geben, wenn wir innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten wirtschaften und
alle Menschen am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben können. Dabei haben wir keine Zeit zu
verlieren. Denn wenn wir so weiter machen, benötigen wir im Jahr 2030 eine zweite Erde, um
den Bedarf der Menschheit an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Deshalb kämpfen wir
Grüne für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und gegen den Raubbau an
begrenzten Ressourcen.
Umweltzerstörung und Klimakrise sind Treiber von Ungerechtigkeit und Armut weltweit. Dabei
sind es meist die Ärmsten, die am stärksten unter Umweltzerstörung leiden, zu der sie selbst
wenig dazu beigetragen haben. Das erleben wir, wenn Ernten verdorren und Menschen durch
steigende Meeresspiegel zur Flucht gezwungen werden. Oder wenn die Rodung von Regenwald für
den Soja-Anbau als Futter für die industrielle Landwirtschaft indigenen Kleinbauern die
Existenzgrundlage entzieht. Deshalb ist es auch ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn wir Grüne
für Klimaschutz und eine intakte Natur für alle streiten. Wir wissen: Ohne globale
Gerechtigkeit wird es auch keine internationale Solidarität gegen Klimakrise und
Artensterben geben – und ohne den Kampf gegen die Klimakrise keinen Fortschritt hin zu einer
gerechteren Welt.
Auch in unserem Land schafft eine Politik, die sozial und ökologisch ausgerichtet ist,
gerechtere Verhältnisse. Durch einen starken Umwelt- und Verbraucherschutz sorgen wir Grüne
dafür, dass saubere Luft, reines Wasser und giftfreies Essen kein Privileg für wenige
werden. Mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien treffen wir Vorsorge, dass Strom, Wärme und
Mobilität dauerhaft bezahlbar bleiben, auch wenn die fossilen Energiereserven knapper
werden.
Durch eine gute Umweltpolitik profitieren langfristig alle. Wir wollen, dass Preise
zunehmend die ökologische Wahrheit sagen, damit wir nicht weiter auf Kosten künftiger
Generationen wirtschaften. Uns ist zugleich die Herausforderung bewusst, die kurzfristigen
sozialen Folgen umweltpolitischer Maßnahmen abzufedern. Der dringend notwendige Einstieg in
den Kohleausstieg führt zu Strukturbrüchen in Regionen. Den Übergang zu neuen Industrien und
Arbeitsplätzen wollen wir aktiv fördern. Neben dem Klimawohngeld entlasten auch Vorgaben und
Förderprogramme für effiziente Elektrogeräte und spritsparende Fahrzeuge gerade Haushalte
mit kleinen Einkommen.
Zu einer ökologisch gerechten Politik gehört auch, dass wir umweltschädliche Subventionen
konsequent abbauen. Laut Umweltbundesamt betragen diese derzeit 52 Milliarden jährlich. Das
mindert den Umweltverbrauch, verbessert die Finanzierung unseres Gemeinwesens und setzt
Mittel frei, um die sozial und ökologisch gerechte Modernisierung unseres Landes
voranzubringen.
Wir kämpfen für eine gerechtere Welt
Gerechtigkeit endet für uns Grüne nicht an Grenzen. Wir wollen, dass alle Menschen in allen
Regionen dieser Welt in Frieden und Würde leben können. In einer globalisierten Welt müssen
alle Länder eine faire Chance auf Entwicklung erhalten und es liegt auch in der
Verantwortung Deutschlands dies zu ermöglichen.
Unser Ziel ist es im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele Hunger und Armut weltweit zu
verringern, die Menschenrechte umzusetzen, Wohlstand gerechter zu verteilen und so zu
wirtschaften, dass die Lebensgrundlagen aller erhalten bleiben. An diesen Zielen wollen wir
die Politik hierzulande ebenso ausrichten wie die Außen- und Entwicklungspolitik. Dazu
gehört, internationale Zusagen auch einzuhalten. Die Industriestaaten haben versprochen,
ihre Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auf mindestens 0,7 Prozent ihrer
Wirtschaftsleistung zu erhöhen und zusätzlich jährlich 100 Millionen für den globalen
Klimaschutz auszugeben. Wir streiten dafür, dass Deutschland seinen Teil dieser
Verpflichtungen bis 2020 umsetzt.
Weltweit sehen wir, dass ein Prozent der Weltbevölkerung fast die Hälfte des weltweiten
Vermögens besitzt. In vielen Ländern bereichern sich korrupte Eliten. Viele multinationale
Konzerne zahlen kaum Steuern, da sie ihre Gewinne in Steuersümpfe verschieben. Globale
Regulierung hinkt dabei oft meilenweit hinterher. In den letzten 20 Jahren konnte die Anzahl
der Menschen, die in extremer Armut leben müssen, halbiert werden, doch noch immer haben 80
Prozent der Weltbevölkerung keine angemessene soziale Absicherung. Selbst Arbeit schützt
nicht vor Armut, gefährliche Arbeitsbedingungen und Ausbeutung sind weit verbreitet – von
den Textilfabriken Südostasiens oder auf den Kakaoplantagen Westafrikas. Um das zu ändern,
wollen wir die Globalisierung gerecht und nachhaltig gestalten. In Ländern wie China und
Indien, aber auch zunehmend in Afrika, hat sie bereits dazu beigetragen, dass breite
Bevölkerungsschichten extreme Armut überwinden konnten. Sie beschleunigt Innovation und
sorgt nicht zuletzt für einen Zuwachs an politischem und kulturellem Austausch.
Wir stehen für eine internationale Wirtschaftsordnung, die dazu beiträgt, die nachhaltigen
Entwicklungsziele der UN zu erreichen. Dafür reichen Selbstverpflichtungen der international
agierenden Unternehmen nicht aus. Es braucht gesetzlich verbindliche Transparenz- und
Offenlegungspflichten für die gesamte Lieferkette. Wir wollen, dass für Lieferketten auch
gesetzlich verbindliche Umwelt- und Sozialstandards gelten.
Hunger und Unterernährung wollen wir mit einer umfassenden Strategie bekämpfen, deren
Herzstück eine globalen Agrarwende ist. Wir wollen weg von einer hoch subventionierten
industriellen Landwirtschaft, die die Märkte in Entwicklungsländern mit billigen
Hähnchenflügeln flutet oder von Fangflotten, die die Meere vor Afrika leer fischen und hin
zu einer stärkeren Förderung von Kleinbäuer*innen und von Kleinfischer*innen in
Entwicklungsländern.
Deutschland hat als führendes Industrieland eine besondere Verantwortung. Wir wollen die
Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch forcieren in dem wir zum Beispiel
Kreislaufwirtschaft und Recycling fördern. Außerdem braucht es bessere Rahmenbedingungen für
fairen, ökologischen und sozialen Konsum. Damit Fairtrade-Produkte aus der Nische kommen,
fordern wir mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung. Außerdem wollen wir, dass die
öffentliche Hand bei der öffentlichen Beschaffung konsequent mit gutem Beispiel vorangeht.
Rohstoffe müssen unter fairen Bedingungen abgebaut und gehandelt werden.
Mit fairem Handel können wir die Globalisierung ökologisch und sozial gerecht gestalten.
Dafür wollen wir die Handelsbeziehungen Europas neu ausrichten, so dass sie die
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstützen. Die EU-Kommission darf nicht
länger Druck auf Entwicklungsländer ausüben ihre Märkte weiter zu öffnen. TTIP und CETA
schließen die ärmsten Länder bei der Gestaltung der Regeln des Welthandels aus. Wir werden
uns weiterhin dafür einsetzen, diese Abkommen zu stoppen. Gleiches gilt für die
entwicklungsschädlichen Partnerschaftsabkommen (EPAs), die die europäische Union derzeit mit
den afrikanischen Staaten verhandelt. Stattdessen verfolgen wir einen multilateralen Ansatz,
der auf die selbstbestimmte Entwicklung in den Ländern des Südens abzielt.
[1] Eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit braucht eine wirtschaftliche Basis. In
unserem Beschluss „Grüner Wirtschaften für eine lebenswerte Zukunft“ haben wir 2015
dargelegt, wie wir unseren Wohlstand mit klaren ökologischen und sozialen Leitplanken
erwirtschaften und unsere Wirtschaft zugleich wettbewerbsfähiger machen können.
Weitere Antragsteller*innen
- Hannah Jaberg (KV Frankfurt)
- Ralf Napierski (KV Frankfurt)
- Thomas Schlimme (KV Frankfurt)
- Daniel Brenner (KV Frankfurt)
- Torsten Leveringhaus (KV Darmstadt-Dieburg)
- Bernd Kraft (KV Main-Kinzig)
- Patrick Voye (KV Marburg-Biedenkopf)
- Beate Schmidt-Dickopf (KV Frankfurt)
- Jan Schierkolk (KV Frankfurt)
- Heike Strobel (KV Frankfurt)
- Nina Eisenhardt (KV Frankfurt)
- Edetraud Damerow (KV Frankfurt)
- Thomas Demel (KV Frankfurt)
- Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (KV Frankfurt)
- Odette Barbosa de Lima (GJ Frankfurt)
- Ben Seel (KV Frankfurt)
- Joachim Schaefer (KV Frankfurt)
- Simon Lissner (KV Limburg-Weilburg)
- Angela Hanisch (KV Frankfurt)
Kommentare
Hubert R. Schübel (KV Stuttgart):
Es geht aus meiner Sicht um zwei Kernfragen:
Die eine Kernfrage ist, ob unser politische Anspruch darin besteht, Individuen mit hoher Begabung eine relative Chancenverschlechterung angedeihen zu lassen - mit gravierenden motivationalen und gesellschaftlichen Folgen!
Die andere Kernfrage ist, ob bei Individuen mit gleicher Begabung der soziale/ökonomische Stand des sozialen Nahumfeldes über Wohl und Wehe der Bildungskarriere entscheidet. Ebenfalls mit gravierenden motivationalen und gesellschaftlichen Folgen.
Chancengleichheit bezieht sich insofern auf die von sozialen/ökonomischen Situationendes Nahumfeldes unabhängige Zugänglichkeit von Bildungsmöglichkeiten, Chancengerechtigkeit - so wie sie hier begründet ist - auf das Ergebnis der Bildungskarriere, das weder von sozialen/ökonomischen noch von Begabungsunterschieden ausdifferenzieren soll. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass das Bildungssystem so ausgestaltet werden solle, dass allen die Chance ermöglicht wird, z. B. Hochschulprofessor*in zu werden - auch Individuen, die dafür nur sehr geringe Begabung haben.