Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Katharina Dröge (KV Köln) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.09.2016, 21:27 |
V-58: Meine Daten, mein Leben – Datenmacht der Konzerne beschränken!
Antragstext
Seit Jahren verändern große Internetkonzerne wie Google, Facebook, Amazon und Co. die Art
und Weise, wie wir leben und unsere Wirtschaft funktioniert. Sie stellen Geschäftsmodelle in
Frage, überspringen mühelos die Grenzen von Märkten und Rechtsordnungen und führen nebenbei
noch eine neue Form der Bezahlung ein. Auf dem digitalen Markt wird zunehmend nicht mehr mit
Geld bezahlt, sondern mit der Offenlegung unseres (digitalen) Lebens, im Tausch gegen
vermeintlich kostenfreie Dienste. Mit diesen Daten und Informationen über unser Alltagsleben
verdienen die Unternehmen nicht nur viel Geld, sie werden zum Türsteher eines riesigen
Marktes, auf dem sie ihren Wettbewerbern und Kunden Bedingungen diktieren können. Mit
Verweis auf die eigene Multinationalität sehen sie sich oftmals nicht an gesetzliche
Vorgaben gebunden.
Durch Daten kommen Unternehmen in den Besitz teils sehr persönlicher Informationen. Sie
erfahren wo, was und wann wir einkaufen, nach welchen Informationen wir suchen, mit wem wir
wie oft kommunizieren und ob wir lieber Aufzug fahren oder Treppen steigen. Durch die
Verknüpfung der gesammelten Daten können die Unternehmen Rückschlüsse darüber ziehen, ob
jemand gerne Sport treibt, sich gesund ernährt oder was er bzw. sie verdient. All diese
Informationen können Unternehmen zu höchst aussagekräftigen Profilen verknüpfen und zu Geld
machen. Bisher vor allem durch immer passgenauere Werbung, zunehmend aber auch durch das
passende Produkt, individuell zugeschnittene Ansprache oder Preisangebote.
Immer häufiger wird diese – für die Verbraucher*innen meist vollkommen intransparente –
Individualisierung auf Basis nicht offengelegter Algorithmen Diskriminierungseffekte mit
sich bringen. Wenn jemand auf Grundlage von Big Data einen höheren Preis für ein Produkt
zahlen muss, weil er einer bestimmten Religionsgruppe zugehört oder eine bestimmte sexuelle
Orientierung hat, ist das ein Eingriff in die Privatsphäre, von dem die Verbraucher*innen
noch nicht einmal erfahren. Sie können nicht mehr nachvollziehen, in was für einer
Geschäftsbeziehung sie stehen, anders als beim Kauf eines Brotes oder beim Frisör. Es fehlt
also eine grundlegende Voraussetzung für einen fairen Deal. Der wahre Preis der Freigabe
persönlicher Daten und Informationen wird sich so für die Verbraucher*innen erst in einigen
Jahren zeigen.
Das nehmen wir nicht einfach hin. Datenschutz und faire Wettbewerbsregeln gelten auch für
die globalen IT-Konzerne. Wir Grünen haben in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge
gemacht, wie man fairen und gleichberechtigten Wettbewerb im digitalen Zeitalter gestalten
könnte. Wir stehen ein für Vielfalt, Offenheit und wirkliche Verbrauchersouveränität und
wollen Markt- und Datenmacht global dort begrenzen, wo die wirtschaftliche, politische oder
persönliche Freiheit Schaden nimmt und Geschäftsmodelle an Grenzen der Sittenwidrigkeit
stoßen – in der digitalen Wirtschaft und darüber hinaus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und auch EU-
Digitalkommissar Günther Oettinger haben es jedoch viel zu lange verpasst, hier klare
Grenzen aufzuzeigen. Dies gilt vor allem für datenschutzrechtliche Vorgaben. Aber auch
wettbewerbs- und fusionsrechtliche Reformen wurden verschlafen, um die Kartellbehörden
angemessen für neue Formen der Marktkonzentration zu rüsten. Immer wieder mussten Gerichte
als Korrektiv der aus einer falsch verstandenen Wirtschaftsnähe agierenden,
regulierungsscheuenden Bundesregierung und EU-Kommission eingreifen. Ihnen verdanken wir es,
dass Grundrechten Geltung verschafft wurde und zumindest ein Mindestmaß an Rechtssicherheit
für die Unternehmen besteht. Statt auf Wettbewerb, setzen Merkel, Gabriel und Oettinger
weiterhin auf große Dinosaurier, statt auf wirksamen Datenschutz setzen sie auf
Datenkapitalismus. Doch was schon im letzten Jahrhundert nicht funktionierte, funktioniert
auch nicht in der modernen, digitalen Welt.
Aus unserer Sicht braucht es ein Wettbewerbs- und Datenschutzrecht, das den besonderen
Herausforderungen der Digitalwirtschaft gerecht wird. Das gilt insbesondere für Märkte, die
von großen Plattformen wie Facebook dominiert werden. Hier wirken so genannte
„Netzwerkeffekte“. Die Plattformen sind umso attraktiver, je mehr Freunde und Bekannte dort
sind. Irgendwann ist die Plattform so groß, dass ein Wechsel nicht mehr sinnvoll ist. Damit
wird der Wettbewerb nahezu ausgeschaltet und die Marktmacht des Unternehmens gegenüber den
Verbraucher*innen ist extrem groß. Ähnliches gilt für Produkt- und Preisvergleichsportale –
auch hier begünstigt eine bestimmte Größe und Anzahl an Produkten – seien es Flüge oder
Hotels – die Qualität des Suchergebnisses. Gleichzeitig bleibt für die Verbraucher*innen
oftmals intransparent, nach welchen Kriterien Produkte oben gelistet werden und aus welchem
Pool von Produkten gefischt wird. Wo solche Intransparenz fairem Wettbewerb schadet, muss
die Politik Vorgaben machen. Und wo bestimmte Plattformen eine „Infrastruktur des Internets“
darstellen, müssen wir darüber diskutieren, ob eine staatliche Regulierung notwendig ist.
Doch auch etablierte Unternehmen treten immer stärker als datenhungrige Akteure auf, seien
es Versicherungen, Finanzdienstleister, Telekommunikationsanbieter oder Autobauer. Die
Grenzen zwischen Internetwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen verschwimmen zunehmend,
viele neue Geschäftsmodelle bauen auch auf Geschäften außerhalb des Internets auf.
Entscheidend ist, wer seinen Datenschatz zum Ausbau der eigenen Marktmacht und der Eroberung
neuer Märkte nutzen kann.
Die Politik ist hier gefordert. Sie kann und sie muss einen fairen Ausgleich der Interessen
schaffen.
Moderner Datenschutz sichert die Ressource Freiheit
Für einen faireren Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher*innen und den
Interessen der Wirtschaft sorgt die europäische Datenschutz-Grundverordnung. Sie ist ein
Erfolg grüner Politik. Sie gilt es nun entschlossen in nationales Recht umzusetzen und
bestehende Handlungsspielräume zu nutzen, zum Beispiel beim Schutz von Arbeitnehmer*innen.
Denn mit der Datensammelwut betreiben sowohl der Staat als auch einige Unternehmen seit
Jahren Raubbau an der Ressource Freiheit. Die Bundesregierung untergräbt grundlegende,
mühsam erkämpfte Prinzipien des Datenschutzrechts und fordert beispielsweise, das Prinzip
der Datensparsamkeit aufzugeben – ohne irgendeine Unterscheidung bezüglich der Datenart
vorzunehmen. So untergräbt sie das grundrechtlich garantierte Recht der informationellen
Selbstbestimmung und die Entscheidung der Bürger*innen, was mit ihren persönlichen Daten
geschieht, wer sie sammelt, speichert, weiterverarbeitet, verknüpft und an Dritte
weitergibt. Diesem Ausverkauf an Bürgerrechten stellen wir uns als Bündnis 90/Die Grünen
auch weiterhin mit aller Entschlossenheit entgegen und kämpfen für die Souveränität der
Verbraucher*innen beim Umgang mit ihren Daten und Informationen. Wenn meine Daten und
Informationen erst einmal in den Datenbanken großer Unternehmen in Nicht-EU-Staaten
gespeichert, gerastert und zu höchst aussagekräftigen Profilen verknüpft sind, haben wir die
Kontrolle hierüber bereits verloren. Dies gilt umso mehr, als dass eine maßgebliche
Erkenntnis der Aufklärung um die Veröffentlichungen von Edward Snowden die ist, dass diese
Datenbestände oftmals auch Geheimdiensten offenstehen. Die vormals geltende Trennung von
privaten und staatlichen Datensammlungen gilt damit heute in der Realität nicht mehr. Die
informationelle Selbstbestimmung muss jetzt zurückerkämpft werden!
Daher müssen wir jetzt auf allen politischen Ebenen entschlossen handeln und immer weiter
ausufernden Datensammlungen einen Riegel vorschieben. Für uns ist innovativer Daten- und
Verbraucherschutz zur Sicherung der Ressource Freiheit genauso wichtig wie Umweltschutz zur
Sicherung der natürlichen Ressourcen. Spätestens wenn unser Solidarsystem bedroht wird, darf
die Bundesregierung nicht länger tatenlos zusehen. Facebook hat ein Patent angemeldet, um
die Kreditwürdigkeit von Menschen auf Grundlage ihrer Aktivitäten im sozialen Netzwerk zu
bewerten. Autoversicherer bieten heute schon Verträge an, wo das individuelle Fahrverhalten
als Grundlage dient den Preis festzusetzen. Krankenversicherer subventionieren Healthtracker
durch Zusatz- oder Bonusprogramme, damit sie die Daten der Kund*innen sammeln können.
Verlierer dieser Entwicklung drohen die zu werden, die nicht so leistungsfähig sind wie
andere oder diejenigen, die ihre informationelle Selbstbestimmung hochhalten. Wo Risiken
nicht mehr solidarisch übernommen, sondern künftig jedem individuell zugeordnet werden, wird
der Schwächere zum Leidtragenden. Dies gefährdet unser hart erkämpftes gesellschaftliches
Solidarsystem und nicht weniger als den sozialen Zusammenhalt.
Ein effektiver Daten- und Verbraucherschutz ist aber auch wirtschaftspolitisch äußerst
wichtig. Er schafft gerade für hiesige Unternehmen Rechtssicherheit und die Chance, mit
innovativen, datenschutzfreundlichen und sicheren Anwendungen in den vergangenen Jahren
massiv verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Innovative Datenschutzkonzepte
„Made in Germany“ könnten, sofern sie von der Bundesregierung unterstützt würden, drei Jahre
nach den ersten Enthüllungen Edward Snowdens, ein wahrer Exportschlager sein. Zudem schafft
ein starker Daten- und Verbraucherschutz auch Chancengleichheit zwischen den Unternehmen und
verzerrt nicht den Wettbewerb, da alle auf Basis der gleichen Standards und Gesetze ihre
Angebote anbieten müssen und sich nicht Kontrollen entziehen können durch die Wahl des
Unternehmensstandortes.
Das Wettbewerbsrecht braucht ein Update
Das Kartellrecht in der EU und in Deutschland könnte ein scharfes Schwert bei der
Durchsetzung der Rechte von Verbraucher*innen sein. Seine originäre Aufgabe ist es, fairen
Wettbewerb zwischen Unternehmen zu garantieren, übermäßige Marktmacht einzuschränken und
faire Bedingungen für Verbraucher*innen und Unternehmen zu garantieren. Das traditionelle
Kartellrecht ist jedoch für das digitale Zeitalter nur noch bedingt geeignet. Die
Bundesregierung hat die Herausforderungen viel zu lange verschlafen. Der neue Entwurf zum
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geht nun erstmals in die richtige Richtung. Doch die
Initiative kommt spät und sie reicht bei weitem nicht aus.
Wenn Fusionen zwischen zwei Giganten wie Facebook und WhatsApp von den Kartellbehörden
einfach durchgewunken werden, zeigt dies, dass die Wettbewerbspolitik in Deutschland und der
EU dringend reformiert werden muss. Wir Grünen fordern sowohl eine Reform der klassischen
Fusionskontrolle, als auch eine Neubewertung von Marktmacht und dessen Missbrauch. Aus
unserer Sicht muss auch die in Unternehmen konzentrierte Informations- und Datenmacht als
Prüf- und Genehmigungskriterium berücksichtigt werden, sowie der Umgang eines Unternehmens
mit diesen Informationen.
Bislang schauen die Kartellbehörden bei Fusionen zunächst vor allem auf die Umsätze, die
gerade in der Anfangsphase datenbasierter Dienste sehr gering sein können. Die Fusion von
Facebook und WhatsApp lief so unter dem Radar von Bundeskartellamt und EU-Kommission, obwohl
der Kaufpreis 19 Mrd. Dollar betrug. Wir Grünen fordern daher, dass bei einer Fusion auch
berücksichtigt wird, ob mit einem Unternehmenszusammenschluss Daten und Informationen über
die Kund*innen zusammengeführt werden, die zu Wettbewerbsverzerrungen oder
Datenschutzproblemen führen können. Auch die Zahl der Nutzer*innen eines Angebots und der
Kaufpreis müssen als Prüfkriterien bei Fusionen und für die Bewertung von Marktmacht
etabliert werden. Und schließlich muss der Zugang eines Unternehmens zu exklusiven
Analysemethoden und Patenten von den Kartellbehörden berücksichtigt werden. Dadurch können
Konkurrenten für viele Jahre komplett aus Märkten ausgeschlossen werden – zum Schaden der
Verbraucher*innen und des Wettbewerbs.
Woraus sich Marktmacht speist und wie diese missbraucht werden kann, verändert sich im
digitalen Zeitalter. Auch hierauf müssen Politik und Wettbewerbshüter reagieren. Bislang
heißt Marktmachtmissbrauch vor allem überhöhte Preise oder Knebelverträge für
Geschäftspartner. In Märkten, in denen die Kunden im Tausch für ihre Daten und Informationen
(nur vermeintlich kostenlose) Dienste erhalten, sind aber auch eine Verschlechterung des
Datenschutzes und beschnittene Rechte der Verbraucher*innen ein Missbrauch von Marktmacht.
In Folge der Fusion von Facebook mit WhatsApp Ende 2014 kam es Anfang 2015 zu einer
Verschlechterung der AGBs von Facebook, ohne dass die EU-Kommission tätig wurde. Auch das
Bundeskartellamt prüft erst jetzt, zwei Jahre später, die Verschlechterung der
Geschäftsbedingungen, ohne konkreten Bezug zur längst vollzogenen Fusion. Eine Prüfung des
Marktmachtmissbrauchs mit Bezug zur Fusion ist jedoch wichtig, denn nur so kann ggf. auch
über eine Rückabwicklung der Fusion entschieden werden. Wir Grünen fordern deshalb, dass
Qualitätsverschlechterungen für Verbraucher*innen, die aus einer marktbeherrschenden
Stellung heraus entstehen, stärker in den Fokus der Kartellbehörden rücken.
Zunehmend stellen wir zudem fest, dass die klassische Marktabgrenzung der Wettbewerbshüter
ein Problem darstellt. Vielfach wird der Markt, auf dem ein Unternehmen agiert, zu eng
definiert. Doch klassische Marktabgrenzungen oder Ressortzuteilungen funktionieren im
digitalen Zeitalter nicht mehr. Datenschützer und Wettbewerbshüter müssen hier sehr viel
enger als bisher zusammenarbeiten. Markt- und Datenmacht, die daraus resultiert, dass ein
Unternehmen auf verschiedenen Märkten operiert, gerät sonst aus dem Fokus. Die EU-Kommission
ist zum Beispiel zu dem Schluss gekommen, dass Facebook und WhatsApp keine Konkurrenten
sind, obwohl beide Kommunikationsplattformen mit direkten Netzwerkeffekten sind. Zweifel an
dem Deal hat Facebook mit dem unverbindlichen Versprechen ausgeräumt, die WhatsApp-Daten von
Facebook zu trennen. Jetzt prüft die Kommission, dass Facebook die Daten nun doch
zusammenführt. Eine Verschmelzung hätte sie aber am besten mit einer Untersagung der Fusion
verhindern können. Dies zeigt: die Kriterien für die Marktabgrenzung bei Fusionen müssen
geändert werden, damit die Kartellbehörden auch die Zusammenführung von Daten, die Wirkung
von Netzwerkeffekten und die Wettbewerbsbeschränkungen auf vor- und nachgelagerten Märkten
erfassen.
Als Ultima Ratio wollen wir eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit im
Kartellrecht verankern. Eine solche Regelung wollen wir auch auf europäischer Ebene
einführen und so gegebenenfalls durch Aufspaltung der Unternehmen sicherstellen, dass sich
eine übergroße Marktmacht, etwa bei Suchmaschinen, Handels- oder Kommunikationsplattformen,
nicht von einem Bereich auf weitere ausweiten kann.
Schließlich wollen wir die Wahlfreiheit für Verbraucher*innen stärken. Das in der EU-
Datenschutzgrundverordnung verankerte Recht auf Daten-Portabilität ist ein guter Ansatz zur
Stärkung der Rechte der Verbraucher*innen und des Wettbewerbs. Wir wollen prüfen, wie man
zudem die Interoperabilität zwischen digitalen Netzwerken gewährleisten kann, indem offene
Standards und Schnittstellen gestärkt werden. Wettbewerb würde zum Beispiel dann entstehen,
wenn Messenger-Dienste genauso untereinander kommunizieren müssten wie Email-Dienste oder
Telekommunikationsanbieter. Kommunikationsplattformen mit direkten Netzwerkeffekten wie
Facebook, WhatsApp, Instagram oder Snapchat werden sonst immer größer, so lange sie
geschlossene Systeme bleiben.
Plattformen regulieren, Verbraucher*innen online schützen
Für eine neue Art der Wirtschaft brauchen wir neue Regeln im Datenschutz- und
Wettbewerbsrecht und grundsätzlich eine bessere Verzahnung der verschiedenen Rechtsbereiche.
Viele alltägliche Marktverzerrungen und verbraucherfeindliches Verhalten durch Unternehmen
werden bislang nicht rechtzeitig oder gar nicht erfasst. Mit ihren Gesetzgebungsvorschlägen
zum Europäischen digitalen Binnenmarkt hat die Europäische Kommission einen wichtigen ersten
Schritt hin zu besseren und einheitlicheren Regeln für den digitalen Markt gemacht. Wir
Grüne fordern allerdings deutlich mehr.
So fehlen noch immer konkrete Vorschläge zur Plattformregulierung, um etwa bei App-Stores
und Online-Shoppingportalen sicher zu stellen, dass die Plattformbetreiber ihre
Mittlerfunktion auf dem zweiseitigen Markt zwischen Verbraucher*innen und Anbietern nicht
ausnutzen. Unser Ziel ist eine Plattformneutralität, die ihren Namen tatsächlich verdient.
Es geht nicht nur darum, dass eine große Suchmaschine eigene Dienste vor allen anderen bei
den Suchergebnissen anzeigt. Es geht auch darum, dass App-Stores systematisch eigene
Produkte bevorzugen, konkurrierende Produkte teurer machen und damit fairen Wettbewerb
ausbremsen.
Ungerechtfertigte Preisaufschläge auf Angebote anderer Anbieter müssen verboten und die
Kostenstruktur den Verbraucher*innen nachvollziehbar offengelegt werden. Dies gilt nicht nur
für die Anbieter aus dem Silicon Valley, sondern auch für europäische Firmen. So kam vor
kurzem heraus, dass der Buchungsdienst HRS solche Hotels weiter oben anzeigt, die an ihn
einen Aufschlag gezahlt haben, und nicht etwa die mit den besten Bewertungen oder
günstigsten Preisen, wie suggeriert wurde. Solche erpresserischen und in der Tendenz
monopolistischen Plattform-Geschäftsmodelle brauchen starke Regeln – nach der
Netzneutralität muss jetzt auch eine Plattformneutralität her. Wir wollen Betreiber von
Buchungs- und Vergleichsportale aller Branchen gesetzlich verpflichten, anhand eines
standardisierten Kriterienkatalogs eindeutige, verständliche und mit anderen Portalen
vergleichbare Informationen über das Portal zu veröffentlichen. Es muss insbesondere
erkennbar sein, ob das Portal den gesamten Markt abbildet oder nur eine vorbestimmte Auswahl
von Anbietern. Die Inhalte des Portals müssen unmissverständlich von platzierter Werbung
abgegrenzt und nach objektiven und für die Verbraucher*innen relevanten Kriterien angeordnet
werden.
Zudem ist es zwar richtig, dass bei der geplanten EU-Richtlinie für digitale Inhalte der
Schutz von Verbraucherrechten mit Blick auf Gewährleistungs- und Haftungsansprüche endlich
auch auf digitale Angebote ausgeweitet wird. So sollen Online-Inhalte und Software mit
spezifischen Anforderungen wie einer Update-Pflicht angereichert werden, was insbesondere
auch der IT-Sicherheit zu Gute kommen kann. Wir fordern auch dort verbindliche
Mindeststandards, die auch dann gelten, wenn der Anbieter in seinen Geschäftsbedingungen
einen Ausschluss von etwaigen Gewährleistungspflichten oder Sicherheitsstandards mit dem
Kunden vereinbaren will. Ein kompletter Haftungsausschluss per Endnutzer-Vereinbarung, wie
er bei Software seit Jahren üblich ist, egal wie schludrig es um die Funktionsfähigkeit oder
die IT-Sicherheit bestellt ist, darf nicht mehr möglich sein.
Die neuen Rechte müssen auch dann gelten, wenn ein vermeintlich kostenfreier Dienst
angeboten wird. Oft ist nämlich die Gegenleistung dort nicht Geld, sondern die Daten der
Nutzer*innen. Daher muss der Grundsatz gelten, dass, wer personenbezogene Daten freigibt, um
in den Genuss eines vermeintlich kostenfreien Dienstes zu kommen, dies nur unter den
Voraussetzungen der Datenschutz-Grundverordnung tun kann. So darf man nicht zur Herausgabe
von Daten genötigt werden, wenn sie für den angefragten Dienst funktional gar nicht relevant
sind, und es muss jederzeit möglich sein, eine erteilte Einwilligung zurückzuziehen, so dass
freigegebene Daten auch wieder gelöscht werden.
Weitere Antragsteller*innen
- Konstantin von Notz (KV Hrzgt. Lauenburg)
- Malte Spitz (KV Unna)
- Jan Philipp Albrecht (KV Wolfenbüttel)
- Renate Künast (KV Tempelhof-Schöneberg)
- Dieter Janecek (KV München)
- Sven Giegold (KV Düsseldorf)
- Ramona Pop (KV Berlin-Mitte)
- Matthi Bolte (KV Bielefeld)
- Farid Müller (KV Hamburg-Mitte)
- Tabea Rößner (KV Mainz)
- Kerstin Andreae (KV Freiburg)
- Thomas Gambke (KV Landshut-Stadt)
- Nicole Maisch (KV Kassel)
- Gerhard Schick (KV Mannheim)
- Pia Schellhammer (KV Mainz-Bingen)
- Madeleine Henfling (KV Ilm-Kreis)
- Max Löffler (KV Köln)
- Richard Ralfs (KV Rhein-Sieg)
- Verena Osgyan (KV Nürnberg)
Kommentare