Veranstaltung: | 40. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Oliver Powalla (KV Berlin Kreisfrei) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.11.2016, 16:06 |
V-55/V-31: Neustart für den fairen Handel – CETA-Vertrag nicht zustimmen (Zusammenführung V-55 und V-31)
Antragstext
Die europäische Bewegung gegen die Handelsabkommen CETA und TTIP gehört zu den Sternstunden
der europäischen Demokratie. Sie hat es geschafft, weitestgehend intransparente
Verhandlungen öffentlich zu machen und eine breite Diskussion über die komplizierten und
vielschichtigen Handelsbeziehungen zwischen Europa, den USA und Kanada zu erzeugen. Wir
Grüne teilen das Anliegen der Zivilgesellschaft, das von Hunderttausenden auf die Straße
getragen wurde, und von über 2000 europäischen Regionen und Kommunen, den internationalen
Handel fair und ökologisch zu gestalten. In der Konsequenz haben wir uns von Beginn an der
kritischen Auseinandersetzung mit CETA und TTIP beteiligt und unsere politischen Ziele in
anspruchsvolle Kriterien für gute Handelsabkommen übersetzt. Zumindest der CETA-Vertragstext
liegt nun in fertiger Form vor. Wallonien und andere belgische Regionen haben mit der
zwischenzeitlichen Blockade im Handelsministerrat demonstriert, dass die Ratfizierung des
Abkommens in einem demokratischen Europa offen und kein Selbstläufer ist, trotz des enormen
wirtschaftlichen und politischen Drucks. Dennoch haben auch diese Nachverhandlungen den
CETA-Vertragstext nicht substanziell verändert. Um den Schaden für Belgien und seine
Wirtschaft zu begrenzen, wurden von europäischer Seite weitere Auslegungserklärungen
hinzugefügt, deren ökonomische Wirksamkeit und rechtliche Verbindlichkeit unsicher sind.
Hilfreich könnten die Klarstellungen sein, dass die Investitionsschiedsgerichte nicht
vorläufig angewandt werden und Belgien weiterhin aus dem Abkommen aussteigen kann. Zunächst
wurde mit der erfolgten Zustimmung des Handelsministerrats aber der Weg geebnet für den
weiteren Abstimmungsprozess auf europäischer und nationaler Ebene. Durch die Einstufung von
CETA als gemischtes Abkommen werden wir Grüne im Europäischen Parlament und im Bundestag
über den Vertrag abstimmen. Im Bundesrat werden Landesregierungen mit Grüner
Regierungsbeteiligung über die Ratifizierung entscheiden. Nach Jahren der Aufklärung, des
Protests und der politischen Kontroverse kommt nun der Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen, die
von uns definierten Kriterien anzulegen und den Vertragstext als Partei zu bewerten.
I Grüne Kriterien für fairen Handel
Internationale Handelsabkommen können globale Standards positiv prägen und sinnvoll
harmonisieren. Die Vorteile von multilateralen Verträgen, die von einer großen Gruppe von
Vertragspartner*innen geschlossen werden, überwiegen in dieser Hinsicht die von bilateralen
Vereinbarungen, wie sie derzeit zwischen der EU und vielen anderen Staaten, darunter Kanada
oder die USA, angestrebt werden. Nicht zuletzt nach dem Abschluss des Pariser Klimavertrags
muss der internationale Wirtschaftsverkehr dringend reformiert und entlang der Ziele einer
nachhaltigen Transformation verändert werden. Für Handelsverträge, die diesen Ansprüchen
genügen, haben wir Grüne deshalb umfangreiche Kriterien definiert:
- Multilaterale Lösungen haben für uns immer Vorrang vor bilateralen Abkommen, die immer
nur die zweitbeste Lösung sein können.
- Das bestehende Schutzniveau darf nicht abgesenkt werden, indem Standards in den
- Bereichen Verbraucher*innenschutz, Arbeitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, soziale
Sicherheit, kommunale Daseinsvorsorge, Kultur und Bildung angefochten oder aufgeweicht
werden. Stattdessen müssen Stärkung und Ausbau von Standards Maxime der Handelspolitik
werden.
- Es dürfen keine Sonderklagerechte für Investoren geschaffen werden.
- Die Verhandlungen sollten unter größtmöglicher Transparenz stattfinden. Dazu gehört
auch die umfassende und frühestmögliche Unterrichtung von Europaparlament, Bundestag
und Bundesrat.
- Das europäische Vorsorgeprinzip muss gewahrt bleiben. Seine Stellung in der
internationalen Handelspolitik sollte gestärkt werden. Daraus folgt unter anderem der
Erhalt von Zulassungs- und Einfuhrregeln für gentechnisch veränderte Organismen und
das Anwendungsverbot von Hormonen zu Mastzwecken.
- Die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft und Tierhaltung darf nicht
beeinträchtigt werden. Dazu gehört der Schutz regionaler Erzeugnisse,
Qualitätssicherung in der Lebensmittelkette und keine weitere Monopolisierung der
landwirtschaftlichen Strukturen.
- Handelsabkommen müssen die Ziele des Pariser Weltklimavertrags und den Umstieg von
fossilen auf erneuerbarer Energien unterstützen.
- Kultur sollte kapitelübergreifend vom Regelungsbereich des Abkommens ausgenommen
werden, um die mitgliedsstaatliche Kulturhoheit zu erhalten.
- Die Rechte von Arbeitnehmer*innen müssen geschützt werden und die Anwendung der ILO-
Kernarbeitsnormen gestärkt werden.
- Es darf kein zusätzlicher Privatisierungs- oder Liberalisierungsdruck auf die
öffentliche Daseinsvorsorge ausgeübt werden – Rekommunalisierungen müssen weiter
möglich bleiben. Um die Entscheidungsfreiheit der kommunalen Gebietskörperschaften
nicht einzuschränken, muss die öffentliche Daseinsvorsorge komplett vom
Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen werden.
- Zudem muss das europäische Subsidiaritätsprinzip umfassend beachtet werden.
II Investor-Staat-Klagen: Konzern-Justiz im neuen Gewand
Der vorliegende CETA-Vertrag wird diesem umfangreichen Kriterienkatalog nicht gerecht. Im
Gegenteil widerspricht er in zentralen Punkten unserer Auffassung von einem fairen
Welthandel.
Aus guten Gründen lehnen wir Grüne Sonderklagerechte für internationale Konzerne ab. Die
bisherige Praxis hat gezeigt, dass sogenannte „Investor-Staat- Schiedsgerichte“ von
transnationalen Konzernen genutzt werden, um Entscheidungen demokratisch gewählter
Regierungen zu verurteilen und Staaten auf Entschädigungszahlungen zu verklagen.
Die EU, Die USA und Kanada verfügen über funktionierende und an rechtsstaatlichen
Grundsätzen ausgerichtete Justizsysteme. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum es ein
System braucht, das ausländischen Investoren ein exklusives, zusätzliches Klageprivileg
einräumt, welches inländischen Investoren, anderen gesellschaftlichen Gruppen oder dem Staat
selbst nicht zur Verfügung steht. Investor-Staat-Schiedsverfahren schaffen zudem eine
Parallelstruktur zum nationalen Recht, indem es weder einen Vorrang des nationalen
Rechtsweges gibt, noch jemals ein nationales Gericht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen
sein muss.
Angesichts der massiven Kritik an den herkömmlichen privaten Schiedsgerichten hat die EU
Kommission das gewohnte System im CETA-Vertrag leicht abgeändert. Das neue „Investment Court
System“ (ICS) kann unsere Bedenken aber nicht entkräften.
Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der „Richter“ des ICS noch deren Stellung
genügt den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. „Richter“ des
ICS haben weiterhin einen materiellen Anreiz, die Zahl der aussichtsreichen Klagefälle zu
erhöhen. Das vorgesehene „right to regulate“ bleibt zu unspezifisch und würde die
öffentliche Regulierungshoheit nur unzureichend schützen.Vielmehr würden Investoren sich auf
weitreichend interpretierbare und einseitig auslegbare Rechtsbegriffe, wie eine „faire und
gerechte Behandlung“ sowie „legitime Erwartungen“, berufen können, um juristisch gegen
demokratische Regulierungen vorzugehen, die ihre Geschäftspraktiken einschränken. Der
Deutsche Richterbund hat grundsätzliche Bedenken gegen die Einrichtung des ICS vorgebracht:
„Der Deutsche Richterbund (DRB) hat erhebliche Zweifel an der Kompetenz der EU für die
Einsetzung eines ICS. Durch das ICS würde nicht nur die Rechtssetzungsbefugnis der Union und
der Mitgliedsstaaten eingeschränkt, auch das etablierte Gerichtssystem innerhalb der
Mitgliedsstaaten und der EU würde geändert werden.“
Die Erfahrungen aus anderen Handelsabkommen wie NAFTA, der nordamerikanischen
Freihandelszone, zeigen, dass sich solche Klagen oft gegen Umweltgesetze richten. Im
Ergebnis würde demnach vor allem grüne Politik unter den unzumutbaren Vorbehalt gestellt,
eventuell Schadenersatzansprüche und Kompensationen bis zu mehreren Milliarden Euro nach
sich zu ziehen. Jüngstes Beispiel ist die Klage des kanadischen Energiekonzerns TransCanada
gegen die USA. Weil die USA aus Umweltschutzgründen den Ausbau der Keystone-Ölpipeline
untersagt hatten, reichte TransCanada kürzlich eine Klage vor einem Investor-Staat-
Schiedsgericht ein und verlangt Schadensersatz in Höhe von 15 Milliarden US Dollar.
Bereits jetzt enthalten rund ein Drittel der bestehenden Investitionsschutzverträge, die
Deutschland abgeschlossen hat, keinen Investor-Staat-Schiedsmechanismus. Investitionen in
diese Länder sind trotzdem durch den Vertrag besonders geschützt und können beispielsweise
durch eine öffentliche Investitionsgarantie abgesichert werden. Wir fordern, alle bisher
abgeschlossenen Investitionsschutzverträge nachzuverhandeln, mit dem Ziel, die
Vereinbarungen zu den Investor-Staat-Schiedsgerichten aus den Verträgen zu entfernen. Darum
brauchen wir aber einen multilateralen Ansatz damit eine ausgewogene Rechtsprechung
stattfinden kann, die nicht einseitig Investoreninteressen den Vorrang gegenüber
Gemeinwohlinteressen gibt.
III Harmonisierung auf niedrigem Schutzniveau
Mit CETA wird die wechselseitige Anerkennung und Harmonisierung von Produktstandards
angestrebt. Konkret läuft der Vertrag darauf hinaus, wichtige politische Regeln und
Instrumente des Verbraucher*innenschutzes abzuschwächen und auszuhebeln. Das
Vorsorgeprinzip, ein unerlässliches Wesensmerkmal europäischer Zulassungsverfahren, wird
durch CETA degradiert. Aus einem bewährten Leitprinzip wird im Vertragstext eine Randnotiz
einzelner Unterkapitel. Stattdessen wird der nordamerikanische Ansatz der Risikoüberprüfung
aufgewertet. Dadurch wird die rechtliche Grundlage von präventiven Erzeugungs- und
Einfuhrverboten von risikobehafteten Gütern untergraben. Demnach müssten gefährliche Güter
solange zugelassen werden bis deren Gefährlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist (etwa durch
Todesfälle oder wiederholt auftretende negative Langzeitfolgen).
Die europäischen Standards in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion würden durch
CETA ebenfalls aufgeweicht werden. Die vereinbarte Kooperation bei gentechnischen
Verunreinigungen, der sogenannten 'low level presence' in Exportgütern, würde die bisherige
Nulltoleranz schwächen. Mit dem neuen Leitprinzip der wissenschaftsbasierten Zulassung,
würde auch die geltende Opt-out-Regel ins Wanken geraten. Sie erlaubt es einzelnen EU-
Mitgliedsländern bislang, den Anbau von Genpflanzen nicht zu genehmigen.
Darüber hinaus existiert in Kanada kein Schutzsystem geografischer Herkunftsangaben. Von
mehreren tausend Herkunftsangaben wie zum Beispiel dem Schwarzwälder Schinken werden im
CETA-Vertragstext nur 173 Produkte erfasst. Auch Vorhaben wie die Kennzeichnung von Fleisch-
und Milchprodukten, bei deren Erzeugung die Tiere mit Gentech-Futter gefüttert wurden,
könnten nach Unterzeichnung von CETA nicht mehr umgesetzt werden. Die Entwicklung einer
ökologischeren Landwirtschaft, an der Verbraucher*innen bewusst teilnehmen können, ist im
Vertrag unzureichend verankert und kaum geschützt.
Zudem ist zu befürchten, dass bereits die vereinbarten Zollsenkungen in den Abkommen in
sensiblen Bereichen einen Wettbewerbsdruck schaffen, der zu einer Verdrängung von Produkten
und Dienstleistungen mit hohen Standards durch Produkte, die unter schlechteren Standards
hergestellten wurden und damit billiger sind, führen könnte. Verschärfter Wettbewerb zu
Lasten der Beschäftigten bzw. der Standards in den genannten Bereichen wäre absolut
inakzeptabel. Besonders kritisch sind Zollsenkungen im Agrarbereich, insbesondere bei
tierischen Produkten, wenn nicht parallel gemeinsame hohe Standards z.B. beim Tierschutz
vereinbart werden. Die jüngsten Enthüllungen über die Zustände in den Ställen hoher
Verbandsfunktionäre offenbaren, wie der Tierschutz in globalisierten Agrarmärkten zu Lasten
von Quantität und Kosteneffizienz unter die Räder kommt. Dem darf die EU-Handelspolitik
nicht durch weitere drastische Marktöffnungen Vorschub leisten.
IV CETA gefährdet öffentliche Daseinsvorsorge und staatliche Regulierung
Öffentliche Dienstleistungen stellen für multinationale Konzerne lukrative Sektoren für
Investitionen dar. Mit CETA wird der Versuch unternommen, diese für private Konzerne weiter
zu öffnen und damit die Privatisierung und Liberalisierung der Daseinsvorsorge und
öffentlicher Gütern voranzutreiben. Das betrifft besonders auch die Länder und Kommunen. Wir
Grüne stellen uns dieser Entdemokratisierung entgegen.
Besonders problematisch ist der dabei angewandte Negativlistenansatz. Anders als bei
Positivlisten, mit denen die WTO arbeitet, werden dadurch prinzipiell alle öffentlichen
Dienstleistungen für Konzerne geöffnet. Nur die im Vertrag explizit aufgezählten Bereiche
werden partiell von diesem Privatisierungsdruck ausgenommen. Durch die Klagemöglichkeiten
von Konzernen unter dem Investitionskapitel werden selbst die wenigen Ausnahmen unter
einseitigen Druck geraten und weiter ausgehöhlt werden. Wie löchrig die Ausnahmen sind,zeigt
das Beispiel Wasser. Während die Trinkwasserversorgung formal nicht privatisiert werden
muss, endet diese Regelung bereits bei den Abwasserdienstleistungen, für welche die
Ausnahmen beim Marktzugang und der Gleichbehandlung ausländischer Investoren nicht gelten.
CETA bedroht hier wie auch in anderen Bereichen die kommunale Selbstverwaltung.
Der CETA-Vertrag läuft im Endeffekt darauf hinaus, die Reichweite und die Effektivität von
sinnvollen sozial-ökologischen Regulierungen auszuhöhlen. In der Logik des Abkommens, das
politische Entscheidungen wie Handelshemmnisse behandelt, ist es folgerichtig, den
demokratischen Institutionen ein koordinierendes Gremium voranzustellen. In der geplanten
regulatorischen Kooperation könnten wirtschaftliche Interessen möglichst frühzeitig
berücksichtigt werden. Dadurch könnte ein Forum entstehen, das Lobbygruppen und Verbände
bereits vor den zuständigen Parlamenten über neue Gesetze informiert und sie in deren
Aushandlung einbezieht. Da die Arbeitsweise der Gremien nur unzureichend festgelegt und
Transparenz der Gremienarbeit in CETA nicht ausreichend vorgeschrieben wird, besteht hier
die große Gefahr, dass insbesondere finanzstarke Lobbygruppen und Verbände große
Einflussmöglichkeiten erhalten. CETA würde praktisch ein Frühwarnsystem für
Wirtschaftslobbys etablieren. Denn nur besonders finanzstarke Lobbyorganisationen können
sich die Einflussnahme leisten. Dass solche Befürchtungen nicht übertrieben sind, hat unter
anderem die Verwässerung der europäischen Kraftstoffqualitätsrichtlinie gezeigt. Sie wurde
bereits im Jahr 2009 eingeführt, um die Emissionen im Verkehr um sechs Prozent zu senken. Zu
diesem Zweck sollten die verschiedenen Treibstoffarten klassifiziert werden, um die
besonders klimaschädlichen, darunter Fracking-Öl aus Kanada, besser aussortieren zu können.
Durch eine groß angelegte Kampagne gelang es Öl-Unternehmen und Verbänden die
Durchführungsbestimmungen der EU in ihrem Interesse zu beeinflussen. Anders als es
ursprünglich geplant war, muss die Zusammensetzung von importiertem Öl nun nicht mehr
offengelegt werden - die Klassifizierung der Treibstoffe läuft damit komplett ins Leere.
Dieser Fall sollte zur Vorsicht mahnen. Statt offizielle und dokumentierte Kontakte zwischen
Verbänden und Parlamentariern aufwändig pflegen zu müssen, könnten Partikularinteressen über
CETA verstärkt informelle und intransparente Einflussmöglichkeiten bekommen. Und dies zu
einem sehr frühen Stadium, wenn Vorhaben noch in ihrer Grundausrichtung verändert bzw. ganz
verhindert werden können.
Neue Mandate nach grünen Standards: CETA, TTIP und TISA stoppen.
In der Gesamtschau bestätigt der fertig vorliegende CETA-Vertrag unsere seit langem
geäußerten Befürchtungen vor den negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen des
Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada. Unsere Kritik konnte durch die Nachverhandlung
nicht entschärft werden.
Wir Grüne kritisieren die grundsätzliche Ausrichtung der vorliegenden bzw. verhandelten
Freihandelsabkommen, zu denen neben CETA auch TISA und TTIP gehören. In der gemeinsamen
Logik von CETA, TTIP und TISA werden Standards und Regulierungen zum Schutz von Mensch,
Natur und Umwelt als Handelshemmnisse betrachtet. Ein wirksamer Umwelt- und
Verbraucherschutz wird hingegen nicht als Ziel der Verhandlungen ausgegeben. Eine
regulatorische Kooperation in dieser Form und eine Marktöffnung für kommunale
Dienstleistungen lehnen wir ab. Die vom Rat beschlossenen Mandate zeigen prinzipiell in die
falsche Richtung. Sie überschreiten zudem den engeren Regelungsbereich der Handelspolitik
und greifen in die Kompetenzen der Mitgliedsländer und der deutschen Bundesländer ein.
Die Potenziale fairen Handels, den Lebensstandard zu heben, die Rechte von
Arbeitnehmer*innen zu stärken und die ökologische Transformation der Wirtschaft
voranzubringen, wurden nicht ansatzweise ausgeschöpft. Stattdessen dominieren jenseits der
wohlklingenden Präambeln die Gewinninteressen von institutionellen Anlegern und
transnationalen Konzernen. Die gemeinsame Auslegungserklärung zum CETA-Abkommen, die auch
auf Betreiben der Bundesregierung entstand, ist reine Augenwischerei, um die Öffentlichkeit
zu beruhigen und parteiinterne Mehrheiten zu sichern. Ein Gutachten im Auftrag der grünen
Bundestagsfraktion stellt dazu fest, „dass die gemeinsame Auslegungserklärung die bisherige
Kritik am CETA-Kapitel zum Investitionsschutz nicht relativiert, da für keine der
umstrittenen und kritischen Punkte rechtssichere Verbesserungen oder Lösungen angeboten
werden.“ In der Gesamtbetrachtung ergibt sich für uns Grüne folgende Bewertung des
Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada:
CETA widerspricht den Kriterien, die wir Grüne an faire Handelsabkommen anlegen. Die
Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen bekundet deshalb ihre Ablehnung des
fertig vorliegenden Vertragstextes und fordert die grünen Entscheidungsträger*innen in
Europa, dem Bund und den Bundesländern dazu auf, dem Handelsabkommen nicht zuzustimmen.
Stattdessen setzen wir Grüne uns weiterhin für Handelsabkommen ein, die transparent
verhandelt werden, nach sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kriterien
ausgerichtet sind und zugleich die etablierten demokratischen und rechtsstaatlichen
Institutionen nicht in Frage stellen. Nur wenn Handelsabkommen diesen Maßstäben folgen,
können sie hilfreich zur Erreichung unserer politischen Ziele sein. CETA muss deshalb
gestoppt und die Verhandlungen zu dem EU-Kanada-Handelsabkommen nach diesen Maßstäben neu
aufgestellt werden. Das gleiche gilt für TTIP und TISA, deren Verhandlungen auf der
Grundlage eines sozial-ökologischen Kriterienkatalogs neu gestartet werden müssen. Die EU
sollte gleichzeitig alles daransetzen, die multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO
nach den Maßstäben des fairen Handels neu zu beleben.
Begründung
Bemerkung der Antragskommission: Dies ist eine geeinte Zusammenführung der Anträge V-31 und V-55 samt aller bis Änderungsantragsschluss eingegangen Änderungsanträge.
Weitere Antragsteller*innen
- Dietmar Johnen (KV Vulkaneifel)
- Martin Häusling (KV Schwalm-Eder)
- Ulrike Höfken (KV Bitburg-Prüm)
- Rhea Niggemann (KV Berlin-Neukölln)
- Tobias Wolf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- David Hartmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sven Giegold (KV Düsseldorf)
- Harald Ebner (KV Schwäbisch-Hall)
- Maria Heubuch (KV Wangen)
- Sylvia Kotting-Uhl (KV Karlsruhe)
- Gisela Sengl (KV Traunstein)
- Ophelia Nick (KV Mettmann)
- Lydia Enders (KV Bitburg-Prüm)
- Nils Dettki (KV Mainz-Bingen)
- Lisa Paus (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Daniel Wesener (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Ska Keller (KV Spree-Neiße)
- Max Hieber (KV Augsburg)
- Jochen Detscher (KV Stuttgart)
Änderungsanträge
- V-55/V-31-004 DRINGLICH (Bärbel Höhn (KV Oberhausen), Eingereicht)
- V-55/V-31-046 DRINGLICH (Bärbel Höhn (KV Oberhausen), Eingereicht)
- V-55/V-31-053 DRINGLICH (Bärbel Höhn (KV Oberhausen), Eingereicht)
- V-55/V-31-065 DRINGLICH (Bärbel Höhn (KV Oberhausen), Eingereicht)
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